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5.3 Hoher Dom Mariä Heimsuchung
Über den Resten der antiken Stadt, unweit vom ehemaligen römischen Verwaltungs-Zentrum, entstand der Augsburger Dombezirk. Unter dem romanisch-gotischen Dom wurden Fundamente ergraben, die möglicherweise auf eine frühchristliche Kirche und einen Bischofssitz hindeuten. 45

Das Aussehen der Kirche des ersten Bischofs Wikterp ist unbekannt. Unter seinem Nachfolger Bischof Simpert (778 - 807) wurde ein karolingischer Dom errichtet und 807 geweiht. Nach archäologischen Befunden war sie eine dreischiffige Basilika mit ausladendem Querhaus. Wie er hatte sein ottonischer Nachfolger zwei Chöre, dessen wichtigerer der westliche war. 46

Den Einsturz 994 des Westbaues hatte Kaiserin Adelheid (932/33 - 999, heilig gesprochen 1097) im Traum vorher gesehen. Den Neubau förderte sie finanziell. Nach dem Querhaus im ersten Bauabschnitt wurde das basilikale Langhaus 1005 vollendet. Das Gebäude wurde ausgemalt mit einem Mäanderfries, monumentalen Figuren und Szenen. Schon nach kurzer Bauzeit verfügte Augsburg wieder über eine ansehnliche Bischofskirche, die einzige erhaltene aus ottonischer Zeit in Deutschland. Vorbild war der Mainzer Dom, da Augsburg zu diesem Erzbistum gehörte.

Die Flankentürme dürften einige Jahrzehnte später angebaut worden sein, worauf ihre Rundbogenfriese hindeuten (Foto links oben).

Für einen groß angelegten Umbau wurde 1331 die Westapsis abgebrochen und mit großen Fensterflächen neu aufgerichtet. Kreuzrippen-Gewölbe überspannen seither auch Quer- und Langhaus, teils mit aufwendigen Konsolen und Schlusssteinen. An jeder Längsseite wurde ein weiteres Seitenschiff angebaut, davon das nördliche schmaler, da sein Unterbau der einstige Kreuzgang ist (rechts). Die Baumaßnahmen waren 1343 weitgehend abgeschlossen.

Doch bereits 1356 wurde der Grundstein für einen mächtigen Kathedral-Chor an der Ostseite gelegt, wohin der Hauptaltar verlegt werden sollte. Die Straßenachse musste dafür nach Osten in einem Bogen verschwenkt werden. Der neue Umgangs-Chor erinnert an Deutschlands bekanntesten, den des Kölner Domes. Der Chor in Augsburg wurde 1410 - 13 eingewölbt und 1431 schließlich geweiht.

Die Reformation radikalisierte sich 1537 und führte zur Ausweisung des katholischen Klerus und einem Bildersturm. Die bewegliche Ausstattung, vor allem die Altäre, wurde zerstört, wogegen Chorgestühl, Grabmäler und Portale unberührt blieben. Kaiser Karl V. erzwang 1547/48 die Wiederherstellung der katholischen Rechte und die Rückkehr des Domklerus. Im 19. Jh. wurden die Zutaten der Renaissance und des Barock als „stilwidrig" angesehen und nach und nach ersetzt. Hierzu wurden zahlreiche Altäre, Skulpturen und Gemälde aus dem 15. und 16. Jh. erworben und ein neugotischer Hochaltar aufgestellt.

Während des Zweiten Weltkrieges waren etliche Ausstattungsstücke ausgelagert, auch die mittelalterlichen Glasmalereien. Eine ehrenamtliche Brandwache verhinderte eine Zerstörung bei den Luftangriffen. Nur das Dach der barocken Marien-Kapelle brannte ab, Stuck und Fresken der Kuppel wurden schwer beschädigt.

Der heutige Dom ist stattliche 113 Meter lang, 38 Meter breit und im Mittelschiff mehr als 17 Meter, im Chor sogar 28 Meter hoch. An der Hauptachse zur Bürgerstadt wird der Dom durch das Südportal betreten, das figurenreichste in Süddeutschland (Foto Mitte rechts).
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Der Innenraum lässt die einstige ottonische Pfeilerbasilika gut ablesen. In der um das Jahr 1000 entstandenen Inneren Krypta wird die spätromanische Madonna gern besucht. Die größere Äußere Krypta wurde in der 1. Hälfte des 12. Jh. erbaut (Foto oben).

Steigen wir wieder hinauf, erblicken wir den ältesten Glasfenster-Zyklus Deutschlands, vielleicht der Welt, fünf Propheten in romanisch-strenger Haltung. Sie dürften nach den Kampfhandlungen unter König Lothar 1132 eingebaut worden sein. Sie bilden König David, Jona, Daniel und Hosea ab, während Moses aus älteren Bruchstücken im 16. Jh. hinzu kam.

Ins Auge fallen die Gemälde auf den Altartafeln an den Pfeilern. Sie wurden im 19. Jh. erworben. Die westlichen davon werden dem Ulmer Maler Jörg Stocker gegen 1484 zugeschrieben. Die vier östlichen Bilder stammen von Hans Holbein d. Ä. (um 1465 - 1524). Die Szenen zeigen den feinen, feierlich stillen Stil des bedeutenden Malers an der Schwelle von der Spätgotik zur Frührenaissance. Abgebildet wird die Lebensgeschichte der Gottesmutter Maria (Foto links: Mariä Tempelgang von Hans Holbein).
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Wo das Südschiff in den Chorumgang übergeht, steht ein Hauptwerk der deutschen Bildhauerkunst des 17. Jhs., der Ecce Homo. Dieser zeigt die Vorführung von Christus durch Pilatus an das Volk. Die Skulptur wirkt sowohl durch ihre kraftvolle Gestaltung als auch mit ihrer frei gelegten Originalfassung (Bild rechts).

Jede der folgenden Kapellen im Chorumgang stellt eine Kunstsammlung an sich dar, sie sind gewidmet Lukas, Antonius, Anna, Konrad, Gertrud (an der Stirnseite), Augustinus und Wolfgang.
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Ganz anders dagegen wirkt die helle spätbarocke Marienkapelle, die an der Westseite an das Nordschiff angebaut ist. Sie wurde 1720 - 22 geschaffen und ist ohne Zweifel eine der bedeutendsten Leistungen der Barockzeit in Augsburg. - Die Dame, die uns aushilfsweise eher holprig um und durch den Dom führte, animierte uns hier zu Andacht oder Gesang, woran wir als „weltliche" Gruppe nicht interessiert waren.

5.4 St. Ulrich und Afra
Die Augsburger Südstadt wird am Ende der Maximilianstraße überragt vom Glockenturm der katholischen Pfarrkirche (seit 1810) St. Ulrich und Afra, eine ebenfalls hoch aufragende gotische Basilika. Hier werden die Sarkophage mit den Gebeinen der Bistums-Heiligen Ulrich, Afra und Simpertus aufbewahrt. 47
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Die Hl. Afra? Nie gehört. Diese Frau war eine Märtyrerin der Christen-Verfolgung durch Diokletian. Zusammen mit ihrer Mutter und ihren Gefährtinnen starb sie 304 im Feuer. Der Legende nach war ihr Leichnam trotz des Flammentodes unversehrt, er wurde im Süden der römischen Siedlung Augusta Vindelicum an der Via Claudia begraben. Sie wurde 1064 heilig gesprochen. - Dr. Budesheim bezweifelte in seinem Vortrag, dass es sich bei Afra um eine Frau gehandelt habe, denn meistens wurden Männer verfolgt, die z.B. als Legionäre ihren Dienst verweigert hatten.

Ulrich stammte aus alemannischem Adel, er war Bischof von 923 bis 973 und diente Kaiser Otto I. Er war nicht nur geistlicher Würdenträger, auch auf die Reichspolitik hatte er Einfluss Bereits 993 heilig gesprochen, wird er als Patron der Winzer, Fischer und Wanderer verehrt und gegen Unwetter und Krankheit angerufen. Er ließ sich nah beim Afra-Grab bestatten. Schon im 6. Jh. war der Kult um Afra literarisch belegt, bereits damals stand hier ein spätrömisches Kirchengebäude. Simpert ließ es merowingisch erneuern und bestimmte es zu seiner Grabstätte.

Nach der Ungarn-Schlacht 955 (siehe Kapitel 2.2) wurde dieser karolingische Bau von Bischof Ulrich ersetzt, der sich ebenfalls hier beisetzen ließ. Unter Kaiser Heinrich II. kam das Kanonikerstift 1012 an den Benediktinerorden, die Doppelkirche wurde 1071 frühromanisch neu erbaut. 1183 entstand nach einem Großbrand hier eine zweischiffige Hallenkirche. Diese war 1467 nicht mehr groß genug für die aufstrebenden Kaufmannsfamilien, so dass eine dreischiffige Basilika aus Backstein begonnen wurde. Jedoch brachte ein Sturm noch vor der Fertigstellung den Neubau zum Einsturz. Erst jetzt wurde das heutige Bauwerk errichtet: Die Seitenschiffe waren 1493 und 95 fertig, das Hauptschiff 1499 eingewölbt. 48
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Inzwischen zur Reichsabtei erhoben, fanden in der Sakristei 1653 die Wahlen König Ferdinands IV. und 1690 König Josephs I. statt. Die klösterliche Eigenständigkeit fand 1802 ihr Ende, zahlreiche Kunstwerke mussten an das Bayerische Nationalmuseum abgegeben werden. Die Klostergebäude dienten danach mehreren Zwecken, als Lazarett, Spital und Kaserne. Sie wurden im Bombenkrieg so stark beschädigt, dass sie bis 1972 beseitigt wurden. In der Basilika wurden nur die Fenster und die Turmhaube beschädigt.

Die heutige Bischofskirche zählt zu den bedeutendsten spätgotischen Sakralbauten in Süddeutschland. Die dreischiffige Basilika erstreckt sich über sieben Joche mit Seitenkapellen, Querhaus, langem Polygonal-Chor mit hohen Maßwerk-Fenstern, Portalen und geschwungenen Giebeln. Quasi als Querriegel schiebt sich davor die evangelische Pfarrkirche, ebenfalls St. Ulrich gewidmet 49 (Foto oben links).  

Die gotische Innenausstattung fiel dem reformatorischen Bildersturm 1537 zum Opfer. Nun wandte sich das Mäzenatentum der Fugger dieser Basilika zu. Ihre Grabkirche St. Anna war inzwischen evangelisch geworden.
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Drei Altäre und die Kreuzigungsgruppe bestimmen den Innenraum. Der Hauptaltar ragt 24, die beiden Nebenaltäre 20 Meter hoch auf. Es sind wohl die höchsten jemals geschaffenen Schnitzaltäre im deutschsprachigen Raum. Auf übliche Gemälde wurde ganz verzichtet zu Gunsten altdeutscher Schnitzwerke. Die Menge der Figuren - Vollreliefs mit kostbarer Bemalung - ist überwältigend, allein der Hauptaltar zählt 126 (rechts).

Im Westen des Südschiffes beginnen die Grabkapellen mit der Benedikt-Kapelle, die Octavian Secundus Fugger 1590 für sich gestalten ließ. Zwei Räume weiter folgt die Andreas-Kapelle, 1480 für Markus Fugger und seine Familie eingerichtet. Gleich daneben folgt die Georgs-Kapelle, Grablege für Georg Fugger. Noch mehr? An der Westwand stehen zwei Stein-Epitaphe für Johann Jakob Fugger 1558 und Christoph Fugger 1604. Gegenüber, im Osten des Nordschiffes, steht die Bartholomäus-Kapelle, die 1589 Anton Fugger erwarb und von 1596 - 1602 Philipp Eduard Fugger zur Grabkapelle ausstatten ließ. Einen Höhepunkt über der Simpert-Kapelle bilden der Bogen von Burkhard Engelberg und die Terrakotta-Figuren von Hubert Gerhard und Carlo di Cesare del Palagio auf marmorner Arkadenschranke (rechts oben). Simpert lebte von 750 bis 807, also zur Zeit Karls des Großen, und war rund 30 Jahre hier Bischof.
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Natürlich hat die Basilika eine stattliche Orgel. Die erste hatte Jakob Fugger für seine Michaels-Kapelle aufbauen lassen. Ein Vierteljahrhundert später kam sie erweitert auf die neue Empore. Das heutige Instrument verfügt seit 1982 über vier Manuale, 68 Register und knapp 4.500 Pfeifen, von denen die längste neun Meter und die kürzeste fünf Millimeter misst.

5.5 St. Peter am Perlach
Nahe am Rathaus (sieh Kapitel 4.1) streckt sich über einem breiten Sockel ein romanischer Glockenturm 70 Meter in die Höhe, der Perlachturm. Er gehört zur romanischen Hallenkirche, die St. Peter und St. Felicitas geweiht ist. 1067 wurde bereits ein Kollegiatsstift nachgewiesen. Nach einem Einsturz 1182 wurde die heutige Kirche im Ziegel-Baustil errichtet und zählt damit zu den ältesten in dieser Bauweise in Süddeutschland. 50

Bei der Restaurierung sind mittelalterliche Fresken zum Vorschein gekommen: In der nördlichen Apsis sehen wir die Anbetung der Hl. Drei Könige, in der südlichen zwei Frauen vom Ende des 13. Jhs., wahrscheinlich Maria Magdalena und die Hl. Helena oder die Hl. Elisabeth. Gleich am Eingang an der Südwestecke, an der Westwand des Südschiffes, segnet uns die Figur des Pantokrator (deutsch: „Allherrscher"), geschaffen aus Terrakotta um 1200. Gehen wir weiter ins Mittelschiff, blicken wir an der Westwand auf die Darstellung des Gekreuzigten, bereits vom Ende des 15. Jhs. und 1522 von Georg Fugger gestiftet. 51
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Wenden wir uns nach vorn, nehmen wir an der Chorwand das barocke Altarbild „Jesus der gute Hirt" von 1625 wahr, gestiftet von Josef Anton Fugger. Am linken Chorpfeiler auf einem Podest erkennen wir die Muttergottes, die aber das Jesuskind irgendwann verloren hat, ebenfalls aus Terrakotta aus der Zeit um 1420/30 (rechtes Foto). Gegenüber am rechten Pfeiler stoßen wir wieder auf eine Schenkung der Fugger, hier von Octavianus Secundus Fugger von 1581, die Skulptur des Hl. Petrus. In der Südapsis können wir das vielleicht schon weltweit bekannte Ölbild von 1700 der „Maria Knotenlöserin" bewundern. Sie zeigt die Muttergottes, wie sie die verwickelten Knoten in einem langen Band löst und zugleich mit einem Fuß den Kopf der Schlange zertritt.

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