Augsburg: Römerstadt - Stadt der Fugger und Welser - Stadt der Reformation - Stadt moderner Industrie mit Dr. Werner Budesheim, Freie Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur e.V., Wentorf b. HH. vom 9. bis 16. Juli 2018 Reisebericht von Manfred Maronde, Lauenburg | |||||||
1 Die Landschaft 1.1 Der Lech Der Lech ist einer der südlichen Nebenflüsse der Donau. Er beginnt als Ausfluss aus dem Formarinsee in den Lechtaler Alpen im westlichsten österreichischen Bundesland Vorarlberg. Der Lech tritt bei Füssen in Deutschland ein und mündet östlich von Donauwörth. Mit 263 Kilometern ist er von den drei größten deutschen Zuflüssen nach Inn und Isar der kürzeste und auch der wasserärmste. Der Name Lech, ursprünglich Likos, römisch Licus, beruht auf keltischen Adjektiven und bedeutet „der Steinige". Bekannt ist das Lechfeld, eine bis 7 Kilometer breite Schotterebene, die sich südlich von Augsburg bis Landsberg hinzieht. In ihrem nördlichen Teil fand 955 die große Ungarnschlacht statt, in der König Otto I., der Große, die nach Bayern und Schwaben eingefallenen Reiterheere der Ungarn endgültig zum Rückzug zwang. 1 Der errungene Sieg über die Ungarn, welche Süddeutschland durch ihre häufigen Raubzüge über Jahrzehnte wirtschaftlich und kulturell gelähmt hatten, ermöglichte den erneuten Aufschwung des Kaiserreiches (siehe Kapitel 2.3). Der Lech bildet eine Mentalitätsgrenze - zwischen den alemannischen Schwaben im Westen und den bajuwarischen Bayern im Osten. 1.2 Das Nördlinger Ries Das Ries, im Süddeutschen Schichtstufenland zwischen Fränkischer und Schwäbischer Alb, ist ein nahezu kreisrundes Becken von 21 bis 24 Kilometer Durchmesser, von etwa 350 Quadratkilometer Fläche, mit 100 bis 200 Meter ansteigendem Kraterrand. Der Name „Ries leitet sich vom Namen der römischen Provinz Raetia ab. Die traditionelle Lehrmeinung ging von einer Vulkan-Explosion aus. | |||||||
Heute gilt als bewiesen, dass dieser Riesenkessel durch einen auf die Erde gestürzten Meteoriten entstanden sein muss. Das Ries zählt zu den am besten erhaltenen großen Impakt-Kratern der Erde. Ein Steinmeteorit von rund einem bis 1,5 Kilometer Durchmesser schlug mit einer Geschwindigkeit um 100.000 Kilometer pro Stunde auf und drang einen Kilometer tief ein. Diese Katastrophe dürfte vor fast 15 Mio. Jahren, also im Tertiär, erfolgt sein. 2 Der Nachweis dieser Ursache erfolgte 1960 primär durch das Auffinden von Stishovit und Coesit, beides Hochdruck-Modifikationen von Quarz, die nur unter den extremen Bedingungen eines Meteoriten-Einschlags entstehen können, nicht aber durch Vulkanismus. Durch den Einschlag wurden 150 Kubik-Kilometer Gestein ausgeworfen. Einzelne Steine des Auswurfs wurden in eine Entfernung von bis zu 70 Kilometer geschleudert. Ein einstiger Kratersee von 500 Meter Tiefe verfüllte sich zum Teil, daher die flache Ebene. Der heutige Kraterboden, in dem es im Gegensatz zur angrenzenden hügeligen Alblandschaft keine größeren Erhebungen gibt, liegt rund 100 bis 150 Meter unterhalb der umgebenden Hochflächen. Der Kraterrand erscheint als eine bewaldete Hügelkette. Im Ries liegen einige Städte, als größte Nördlingen, Harburg, Oettingen, Bopfingen und Wemding. Die Wörnitz durchquert von Nord nach Süd in zahlreichen Mäandern den flachen Rieskessel, am Südrand fließt ihr die Eger zu. 3 - Wir besuchten das sehr sehenswerte Ries-Museum in Nördlingen (siehe Kapitel 7.3) und den Rand eines Steinbruches, um uns die Gesteinsschichten im Kraterrand von Dr. Budesheim zeigen zu lassen. 2 Territorial-Geschichte 2.1 Römerstraßen | |||||||
Es darf mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass der Raum um Augsburg schon zu keltischer Zeit bewohnt war und es bereits eine Handelsstraße von der Donau zu den Alpen für Eisen und Salz gab. Fahrwege verliefen auch nach Campodunum (Kempten), Brigantium (Bregenz), Foetibus (Füssen), Parthanum (Partenkirchen), Scarbia (Mittenwald), zu den Stapelplätzen im Inntal und über die Alpen. Drusus kam mit seinen Legionen auf erprobten Handelswegen über den Alpenkamm. | |||||||
Unter Kaiser Claudius (41 - 54 n. Chr.) entstand die Via Claudia, die 80 n. Chr. voll ausgebaut war. Sie verband Oberitalien durch das Etschtal über den Reschenpass und den Fernpass mit Augusta Vindelicum, dem heutigen Augsburg, über eine Länge von rund 600 Kilometern. Die Trasse bestand aus geraden Schotter- und Knüppeldämmen. Sie diente den schnellen Verschiebungen von Truppen sowie dem Transport von Handelsgütern und Reisenden. Ab 121 wurde mit dem Bau eines Limes aus Palisaden begonnen. Als erster germanischer Stamm traten die Alamannen gegen die Römer am oberen Rhein an. Ab 250 drangen ganze germanische Völkerschaften nach Westen, der Limes wurde 258 überrannt. In der Folge siedelten Römer nur noch südlich der Donau. Nach der Teilung der Provinz Raetien wird deren Norden (Raetia secunda) von Augusta Vindelicum aus regiert. Ab 450 nahmen die Alamannen das westliche Voralpenland in Besitz. 4 2.2 Schlachten auf dem Lechfeld Das Lechfeld zwischen Wertach und Lech und darüber hinaus war schon vor 955 Schlachtfeld gewesen. 5 Im Jahr 742 lehnten sich bairische und alamannische Stämme gegen die immer härter werdende Herrschaft der Franken auf. Sie unterlagen. Vier Jahre später hob der Frankenkönig die Herzogtümer auf und setzte fränkische Grafen ein. Der vormalige Herzogsbesitz wurde reichstreuen Klöstern zugesprochen, in königliche Meierhöfe umgewandelt oder an zinspflichtige Bauern vergeben. Im Jahr 862 griffen erstmals Ungarn das Ostfrankenreich an. 909 kamen sie bis an den Bodensee. 910 beim zweiten Einfall in Schwaben unterlag das Aufgebot der Deutschen - auf dem Lechfeld. Zwei Jahre darauf überwanden die Ungarn den Rhein. Die Überfälle wurden immer häufiger, Oberschwaben wurde verwüstet. Insgesamt erschienen die ungarischen Reiter 32 Mal auf deutschem Boden. Dem ersten Kaiser aus dem Stamm der Sachsen, Heinrich I., gelang 933 der Sieg bei Riade an der Unstrut. Doch 937 brachen die Ungarn zum elften Mal in Deutschland ein. Kirchen und Klöster waren, ihrer Schätze wegen, bevorzugte Objekte zur Plünderung. Oft wird eine Zahl von rund 100.000 ungarischen Kämpfern bei der Schlacht von 955 genannt. Statt dessen werden es 12.000 bis 15.000 gewesen sein, denen auf deutscher Seite 8.000 bis 10.000 Mann gegenüber standen. 6 König Otto I., Heinrichs I. Sohn, gelang es, eine so große Streitmacht innerhalb von vier Wochen zu organisieren. Die Alarmierung vom Einfall der Ungarn bei Regensburg bis nach Magdeburg beanspruchte auch bei geübten Kurieren sieben bis acht Tage über die rund 400 Kilometer. Reitende Boten mussten nun den Befehl des Königs für eine Feldschlacht vom Königshof in Magdeburg aus zu den Herrschern der Franken, Schwaben, Bayern und Böhmen über enorme Strecken überbringen. 7 | |||||||
Während dieser Vorbereitungen standen die Ungarn bereits vor Augsburg, einer reichen, doch schlecht befestigten Stadt, mit niedrigen Mauern ohne Türme, von der letzten großen Fehde noch gezeichnet. Fürst-Bischof Ulrich behielt die Nerven, er ließ Tag und Nacht schanzen, Bollwerke ausbauen, Tore verrammeln, Behelfswaffen fertigen. Bei den Gefechten vor der Stadt sah man ihn hoch zu Ross, mitten unter den Kämpfenden, gekleidet in seinem bischöflichen Ornat; Helm und Brünne hatte er weg gelassen. | |||||||
Ulrich stärkte die Verteidiger durch seinen Zuspruch und tröstete die Verwundeten - und blieb unverletzt. Am härtesten umkämpft war dabei das Osttor (Bild oben), dessen Verteidigung von Ulrich persönlich überwacht wurde, der die Stadt schon 924 gegen die Ungarn gehalten hatte. 8 Plötzlich, am 9. August 955, beim zweiten Angriff, wichen die Ungarn zurück, ausgelöst durch einen Landesverräter, Graf Berthold. Dieser Bayer wollte es König Otto, dem Sachsen, wegen seiner Enteignung und Verbannung heimzahlen. Er verriet dem ungarischen Oberbefehlshaber Aufbruch und Marschrichtung des deutschen Heeres. Dieses Heer hatte sich bei Ulm gesammelt und aufgestellt, um Richtung Augsburg zu kommen. Über eine alte Römerstraße brauchte es drei volle Tage, denn an jedem Tag legte der Tross rund 25 Kilometer zurück. An der Spitze zogen die Bayern - sie hatten die meiste Erfahrung mit den Eindringlingen - gefolgt von den Franken, dann die Streitmacht des Königs, schließlich die Schwaben. Der Schutz des Trosses oblag den Böhmen. Ein Großteil der Sachsen, rund 2.000 Mann, hatten wegen eines drohenden Überfalls der Slawen zu Hause Wache halten müssen. | |||||||
Am 10. August, dem Tag des Hl. Laurentius, überfielen die Ungarn das durch den Rauhen Forst, zur Schotterebene des Lechfeldes, heran ziehende Heer, und zwar von hinten her. Sie erbeuteten den Tross und gingen zum Plündern über. Nach ihrem anfänglichen Erfolg wendete sich so das Schlachtenglück: Konrad der Rote, Herzog von Lothringen und Anführer der Franken, warf sich in selbstmörderischem Einsatz gegen die Feinde und kam dabei ums Leben, als ihn ein Pfeil tödlich in den Hals getroffen hatte. Auch der Bruder Bischof Ulrichs, Dietpald von Dillingen, fiel. Am Abend waren die Ungarn zersprengt und aufgerieben. Die Ungarn flohen durch den Lech, dessen schwäbisches Ufer flach, das bayrische Ufer aber steil ist. Das Wasser im vom Regen angeschwollenen Fluss färbte sich rot vom Blut, die Deutschen verfolgten die geschlagenen Krieger. Das Ungarn-Lager hinter dem Ostufer bei Gunzenlee wurde eingenommen, die deutschen Gefangenen befreit. So berichtet es Gerhard von Augsburg in seiner „Vita Udalrici", der Lebensgeschichte des Fürst-Bischofs Ulrich. 9 Die Ungarn kämpften mit aus Holz und Horn kunstvoll gefertigten Bögen, gespannt mit einer Sehne aus Schafsdarm. Hiermit trafen sie noch auf 200 Schritt Entfernung. Jeder Krieger hatte einen Köcher mit einem guten Dutzend Pfeilen, die auch zum Streuschuss eingesetzt wurden. Ein Sommergewitter mit heftigem Regen könnte bewirkt haben, dass die Komposit-Bögen im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Leim gegangen wären, wodurch das Reiterheer der Ungarn deutlich an Schlagkraft eingebüßt hätte. Nach anderer Lehrmeinung hält der Leim die Nässe aus, jedoch die Sehnen werden weich. 10 | |||||||
Die deutschen Panzer-Reiter trugen über die Hüften reichende Lederhemden, Kopf und Hals waren mit einem Lederhelm geschützt, beide mit Metallplättchen verstärkt. Ihre Waffen waren Langschwert, Lanze, Schild und Dolch (Halbschwert). Die Reiter hatten eine Erfindung aus dem Nomadenvolk der Sarmaten übernommen, die Steigbügel. Hierin stehend hatten die Reiter einen festen Halt und konnten nicht so leicht aus dem Sattel gehoben werden. | |||||||
Was kostete eine solche Rüstung? Ein Ringpanzer aus Metall kam auf zwei Hengste, ein Schwert mit Scheide sieben Kühe, ein Paar Beinschienen sechs Kühe, eine Lanze oder ein Holzschild einen Stier. 11 Der Sieg über die Ungarn krönte die Einheit des Deutschen Reiches, als die verbündeten Heere endgültig die Eindringlinge bezwingen konnten. Ein Kampf gegen Heiden war diese Schlacht jedoch nicht, denn die beiden mächtigsten Ungarn-Fürsten, Gyula und Horka Bulscu, sind Christen gewesen. 12 Für uns Deutsche ist diese Schlacht bedeutend, weil 955 zum ersten Mal die wichtigsten Stämme des ostfränkischen Reiches gemeinsam gegen einen äußeren Feind gekämpft hatten. Mit dem Sieg bei Augsburg wurde die Grundlage eines Zusammengehörigkeits-Gefühls dieser Stämme geschaffen, was einen Meilenstein in der deutschen Geschichte darstellt. Darüber hinaus bedeutete er, dass König Otto I. durch diesen Sieg zum geachtetsten Herrscher Europas aufstieg, was wiederum Grundlage und Voraussetzung für seine Krönung zum römischen Kaiser 962 war. 13 Seitdem ist diese Krone nur deutschen Königen verliehen worden. - Unser Besuch im Schlachtenmuseum in Königsbrunn gab uns tiefe Einblicke in die Geschehnisse an diesen entscheidenden Tagen (siehe Kapitel 7.4). 2.3 Schlacht bei Nördlingen Die zweitägige Schlacht bei Nördlingen im Spätsommer 1634 war eine der wichtigsten des Dreißigjährigen Krieges. Sie wurden zwischen zwei schwedischen Heeren auf der protestantischen und drei verbündeten Heeren, dem kaiserlichen, dem spanischen und dem bayerischen Heer, auf der katholischen Seite ausgetragen. Nachdem in der Schlacht bei Lützen im November 1632 der schwedische König Gustav Adolf ums Leben gekommen war, wurde der Einbruch der schwedischen Machtstellung durch die totale Niederlage der Schweden in der Schlacht bei Nördlingen besiegelt. Der Ausgang der Schlacht hatte weitreichende territoriale und strategische Folgen, führte zu neuen Bündnissen, zum Prager Frieden und zum aktiven Eintritt von Frankreich in den Krieg an der Seite der geschwächten Schweden. 14 - Am Albuch-Hügel mit Gedenkstein ließen wir uns von Dr. Budesheim den Schlachtverlauf kurz skizzieren. zurück Übersicht weiter | |||||||