5 Kirchen in Augsburg
5.1 Moritz-Kirche
Versteckt hinter einer viel frequentierten Straßenbahn-Haltestelle mit diversen Kiosken ragt die St.-Moritz-Kirche auf. Sie gilt als einer der ältesten Kirchbauten in der bayerischen Großstadt. Gegründet hat sie 1019 Bischof Bruno, Bruder Kaiser Heinrichs II. des Heiligen, mit dem Kollegiatsstift. Nach dem Dom, der Basilika St. Ulrich und Afra sowie St. Stephan war es bereits die vierte geistliche Gemeinschaft. Seit 1803 ist St. Moritz Stadtpfarrkirche.
Die barocke Innenausstattung fiel der Bombennacht 1944 zum Opfer, während der Turm unversehrt stehen blieb. 38

Die helle Moritz-Kirche zeigte uns eine Dame, offenbar Architektin, die ununterbrochen sprach. Von ihr erfuhren wir, das Konzept sei 2009 und der Umbau 2013 fertig gewesen. Auf die Frage nach den Kosten antwortete sie, es seien 4,55 Mio. Euro, von denen die Kirchengemeinde die Hälfte aufgebracht habe. Der Londoner Architekt und Designer John Pawson wollte hier einen „Kirchenraum der Zukunft" schaffen.
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Als Blickziel fungiert die alte Skulptur des Salvator aus dem 30-jährigen Krieg, geschaffen vom Bildhauer Georg Petel. Auf sie zu führen 500 Fäden, in denen sich das Licht bricht. Von steinernen Stelen schauen die einst im Obergaden stehenden sieben den Krieg überlebenden von zwölf Aposteln, wobei ein Christus mit einem Schwert zu Paulus „umgerüstet" wurde (Foto oben rechts ein Seitenschiff).

5.2 St.-Anna-Kirche, -Kloster
St. Anna ist heute die lutherische Hauptkirche in Augsburg. Vorher war sie die Kirche der Karmeliter, benannt nach dem Karmel-Gebirge am Mittelmeer im Heiligen Land, die um das Jahr 1150 den „Orden der Brüder der allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel gründeten und im 13. Jh. nach Europa kamen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bildeten Frauen als Karmelitinnen ihren Ordenszweig. Im 16. Jh. spalteten sie sich in Beschuhte (wie in Augsburg) und Unbeschuhte, auch Barfüßer genannt. 39 - Uns führte sehr kundig Frau Elisabeth Schneider. Zur Zeit laufen umfangreiche Renovierungsarbeiten, die rund 7 Mio. Euro kosten werden, weswegen wir nicht alle Räume betreten konnten. Es bestand Gefahr im Verzuge, nachdem ein Stein aus einem Gewölbe gefallen war. Nach den Plänen soll der Zustand um 1700 rekonstruiert werden.

Martin Luther kannte sowohl Augsburg, denn hier arbeiteten viele Drucker, als auch den Abt. Er wohnte zehn Tage im Karmeliter-Kloster, als er vom 7. bis 20. Oktober 1518 zum Reichstag berufen wurde. Er sollte vor Kardinal Cajetan seine 95 Thesen widerrufen (Bild siehe Inhaltsverzeichnis). 40 Wieso war dieser Kardinal hier?
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Er war Vertreter des Papstes und konnte mit Kaiser Maximilian Kontakt halten, der oft hier weilte, auch um mit den Fuggern zu verhandeln, wenn er nicht in Innsbruck residierte (Porträt Maximilian I. als König, nach Bernhard Strigel (1465/70 - 1528) im Schaezler-Palais). Auch 1530 wurde noch ein Versuch zur Einigung unternommen, denn außer dem Abendmahl (Stichwort Laienkelch), der Priesterehe und dem Ablasshandel waren inzwischen alle anderen Thesen unstrittig.

Bereits in seinem Einführungsvortrag im Januar erzählte Dr. Budesheim von jenem Verhör im Fuggerpalast, das auf Latein geführt wurde. Der Kardinal ließ den aufmüpfigen Mönch kaum zu Wort kommen, forderte Luther mehrmals, immer lauter, zu einem „Revoce!" („Wiederrufe!") auf. Luther entgegnete zum Schluss auf Deutsch, auch laut geworden. Der Kaiser schlief die ganze Zeit und erwachte erst jetzt. Am dritten Tag platzte dem Kaiser der Kragen, und er schmiss Luther hinaus. Der befreundete Karmeliter-Abt riet ihm, so schnell wie möglich zu verschwinden, was er auch tat.
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Dr. Budesheim weist auf den Unterschied zwischen „Verhör“ und „Anhörung" hin: „Verhör" hätte bedeutet, dass anschließend ein Urteil hätte ergehen müssen, und die Folge wäre Verbrennung gewesen. Darum hatte Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, sein Beschützer, darauf bestanden, dass Luther nur „gehört" wurde und somit ohne Urteil Augsburg wieder verlassen konnte, wenngleich auch fluchtartig durch ein kleines Nebentor bei Nacht mit Hilfe des Sohnes des Bürgermeisters.
Ins Mittelalter versetzt fühlt man sich in der sog. Goldschmiede-Kapelle. Sie ist dem Ehepaar Afra und Konrad Hirn zu verdanken und wurde 1425 zu ihrer Grablege fertig gestellt. Deren Grabtumba wurde 1889 von Lutheranern in den Dom verlegt. Eindruck machen vor allem die Fresken an den Wänden: Die Nordwand erzählt in drei Szenen die Legende der Hl. Helena. Sie fand bekanntlich im Hl. Land um 330 Jesu Grabstätte mit Resten der drei Kreuze.

Der Legende nach wurde das echte Kreuz durch eine Totenerweckung identifiziert, 41 vermutlich aber gesundete eine kranke Frau beim Anhalten des echten Kreuzes. Die Südwand bildet den Apostel Jakobus ab, rechts davon die Hl. drei Könige (Foto oben) und rechts die Passion Christi. 42

Vom Hauptschiff der Klosterkirche wird durch einen Lettner der Ost-Chor abgetrennt. Das Gemälde in der Predella des neugotischen Altares ist von Lucas Cranach dem Älteren nach 1531 gemalt und wurde 1898 hier eingefügt; es zeigt „Christus segnet die Kinder".

Der West-Chor gegenüber wird auch Fugger-Chor genannt. Er wurde 1512 vollendet und stellt die erste Renaissance-Kirche außerhalb von Italien dar (rechts). Jakob Fugger war studierter Theologe, kirchlich fühlte er sich noch im Mittelalter. Erst nach dem Tod seiner Brüder stieg er ins Geschäft ein. Jakob Fugger liegt hier begraben, die Grabkapelle gehört auch heute noch der Familie Fugger. Das Material und die Künstler des Chorbaues kamen alle von hier. Der Entwurf stammt wahrscheinlich von Albrecht Dürer. Die westliche Rückwand enthält die Epitaphien für Jakob Fugger und seine Brüder.
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Das Langhaus zwischen den beiden Chören unter seinem barocken „Himmelsgewölbe" (Foto unten links) wird eigenständig genutzt, es hat seit 2013 einen extra Altar in Form eines Kreuzes. Er besteht aus rot pigmentiertem Wachs und wurde vom Künstlerduo Lutzenberger entworfen.

Links neben der Fugger-Kapelle steht die Heilig-Grab-Kapelle (rechtes Foto). Sie wurde 1506 von Jörg Regel und seiner Frau Barbara Laugingerin gestiftet. Das Ziborium, die auf sechs Säulen stehende Kuppel, kann erst nach 1555 hinzu gekommen sein. Mich erinnert diese Heilig-Grab-Kapelle stark an die frei stehende in Görlitz. 43

Im Kloster informiert das Museum „Lutherstiege" zur Geschichte der Reformation. Es gehört zum Typus der modernen Museen, die leere Räume füllen müssen: Riesige reproduzierte Bilder wechseln mit langen Texten an den Wänden und in Schubfächern. Eine Menge Information, die viel besser in ein Buch passt - schade. Immerhin: Der Eintritt ist frei. 44

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