2.7 St. Wendel
Die nach dem Hl. Wendelin bezeichnete Kreisstadt mit etwa 26.000 Einwohnern liegt an der Blies am Hang des 485 m hohen Bosenberges zum Beginn des Hunsrück. Hier wirkte im 6. Jh. ein merowingischer Grundherr namens Baso. Das Gebiet gehörte für Jahrhunderte zu Verdun. Der Eremit Wendelin, latinisiert Wendelinus bzw. Wendalinus, wurde hier sehr verehrt, so dass der Ort Basonevillare im 12. Jh. nach ihm umbenannt wurde.
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Die Anlage folgte dem fränkischen Siedlungsplan: im Tal ein Bach, am Südhang die Häuser, auf dem Berg die Gräber. Außer dem Adelshof gab es eine Wasserburg an der Blies, also einen Erdhügel mit Wohnturm aus Holz, deren Platz noch heute „die Mott" genannt wird. Über dem Grab des Heiligen entstand im 9. Jh. eine Kirche bei der heutigen Magdalenen-Kapelle. Im 11. Jh. kamen die Reliquien des Wendalinus an den neuen Standort in den Vorgängerbau der heutigen Basilika; eine Wallfahrt und ein Jahrmarkt alljährlich im Oktober setzten ein. Burg, Hof und Kirche wuchsen im 14. Jh. zusammen, hier lebten damals etwa 500 Menschen. Erzbischof Balduin von Trier erwarb hierfür 1332 Stadtrechte.

1591 brannte ein Großteil der Stadt ab; im Dreißigjährigen Krieg litt sie unter Kontributionen schwer. Im Französisch-Holländischen Krieg wurden 1677 fast alle Häuser nieder gebrannt. Im Spanischen Erbfolgekrieg (bis 1714) wurde die Stadt wieder besetzt und geplündert. Auch in den drei folgenden Kriegen (Polnische Erbfolge 1733 36, Österreichische Erbfolge 1741 48 und Siebenjähriger 1756 63) mussten durchmarschierende Truppen versorgt werden. Wen wundert es, dass auch in den Revolutionskriegen ab 1792 Einquartierungen und Plünderungen zu ertragen waren (Foto rechts: Rathaus). 1814 erhielt Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld St. Wendel und zwei weitere Kantone, das spätere Fürstentum Lichtenberg. Der protestantische Herzog aus Thüringen war hier nicht sehr beliebt, er soll die Menschen hier „Lappländer am Hunsrück" genannt haben. Er verkaufte Lichtenberg 1834 an Preußen. Erst der Eisenbahnbau ab 1860 brachte eine wirtschaftliche Erholung.

Kritisch wird die Wirkung der Bürgermeister Franz Gräff (1956 - 74), Jakob Feller (1974 - 82) und Klaus Bouillon (ab 1983, alle drei CDU, welche immer die absolute Mehrheit bekam) gesehen: Mangelndes Geschichtsbewusstsein und wirtschaftlich ausgerichtete Sanierung zerstörten zahlreiche alte Gebäude. Flächensanierung war weit verbreitet, das Bild der Kernstadt ist erheblich beschädigt. Die mittelalterliche Stadt ist nur noch nahe der Wendalinus-Basilika erkennbar. 24
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Der Wendalinus-Brunnen zeigt nicht mehr den Mönch, sondern den guten Hirten - den Bauernpatron. Dies und mehr erklärt uns der mittelalterlich gekleidete Herr am Nachmittag. Er hat auch einige Geschichten auf Lager. So stammt die Haushälterin von Karl Marx, Helene Demuth, von hier. Die Ehefrau des Philosophen und Gesellschaftskritikers, Jenny von Westphalen, war öfters psychisch kränklich. So war Helene wohl mehr für den Mann: Gerüchten zufolge war Marx auch der Vater des unehelichen Sohns seiner Haushälterin; die Vaterschaft übernahm offiziell Friedrich Engels. 25

Im Mittelalter finanzierte eine Weinsteuer den Bau der Stadtmauer. Als diese fertig war, blieb dieses „Ungeld", es wurde sogar ausgedehnt auf Beerensaft und Bier. Eine Eingabe beim Kurfürsten bewirkte nur, dass künftig die Hälfte der Einnahmen an die Stadt floss.

Zur Wallfahrt berichtete unser Mittelaltermann, diese sei 1506 auch von Kaiser Maximilian besucht worden. Ob des kommerziellen Erfolges drängte er den Kurfürst von Trier, dies nachzuahmen und den „Heiligen Rock" auszustellen, welcher im Dom eingemauert war. Seit 1512 kommen 80.000 bis 100.000 Pilger in Jahren mit Präsentation dieses Jesus zugeschriebenen Kleidungsstücks.

Bedeutendstes Baudenkmal ist folglich die Wendalinus-Basilika. Sie wird im Volksmund unzutreffend auch Dom genannt und ist eine spätgotische Hallenkirche aus dem 14. Jh. in der Oberstadt. Mit ihrem filigran bemalten Sterngewölbe und der Grabtumba (unten: 2. Figur längs ist Wendelin) zählt sie zu den heraus ragenden Sakralbauten des Saarlandes. Im Oktober 2006 fand die letzte Wallfahrt statt. Die beiden gotischen Seitentürme flankieren einen 69 m hohen Mittelturm mit barocker welscher Haube.
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Die Kanzel ist die zweitälteste Steinkanzel auf deutschem Boden, sie wurde 1462 von Nikolaus von Kues gestiftet. Das Hl. Grab an der Nordostecke des Chores besteht aus acht Tonfiguren, die um 1480 gefertigt wurden. Hinter dem Hochaltar steht seit 1506 das Hochgrab mit den Gebeinen des Hl. Wendelin. In der Mitte des Chores befindet sich eine Tumba von etwa 1400; die Deckplatte ist aus Bronze mit der modernen Liegefigur des Wendelin, dessen Kopf von fünf Schafen umgeben ist. Von hier führt ein 15 km langer Pilgerweg zum Kloster Tholey, dessen Abt Wendelin gewesen sein soll. 26

2.8 Tholey
Die Stadt im Kreis St. Wendel hat rund 13.000 Einwohner; nach Kelten siedelten hier auch Römer. Weite Teile des Saarlandes zahlten im Mittelalter Tribut an die Abtei.
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Das Kloster steht unter dem Patronat des Hl. Mauritius, wie eine Statue davor anzeigt. Dieses Benediktiner-Kloster soll um 610 vom Heiligen Wendelin gegründet worden sein. Die Franzosen hoben die Abtei 1794 auf, die 1949 wieder von Mönchen aus St. Michael in Trier besiedelt wurde. - Wir lauschten hier am Spätnachmittag eines Sommertages den auf Deutsch gesungenen gregorianischen Gebeten.
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2.9 Saarlouis
Die Kreisstadt mit heute etwa 37.000 Einwohnern an der mittleren Saar hat der französische König Ludwig XIV., also Louis, nach seiner Festung benannt. Der sechseckige Grundriss ist noch im Stadtbild ablesbar. Auch das Wappen ist ganz königlich französisch: drei goldene Lilien auf blauem Grund oben, die golden strahlende Sonne neben und über einer länglichen Wolke. Das Motto lautet: „Dissipat atque fovet", „sie" (die Sonne) „zerstreut" (die Wolken) „und erwärmt" (die Erde). Die Nationalsozialisten nannten mit Hinweis auf einen 1936 eingemeindeten Ort Fraulautern die Stadt Saarlautern, der Markt hieß „Adolf-Hitler-Platz". 27 Nachdem große Teile der Altstadt unter Artilleriebeschuss versanken und wechselseitig mehrmals von Amerikanern und Deutschen eingenommen wurden, kam es zum modernen Neuaufbau - nach schönen Häusern muss man lange suchen.
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Die streng geometrisch barock angelegte Festung wurde von 1680 - 86 angelegt, sie wurde zwei Jahrhunderte später geschleift. Nur noch einige Mauern, insbes. am Flussufer, sind erhalten; in einer Bastion befindet sich ein Lokal. Der mit 10.000 m² übergroße Exerzier- und Paradeplatz, der „Place dArmes", mit einer umlaufenden doppelten Platanenreihe wurde Marktplatz und ist heute vor allem Autoparkplatz. Von hier gehen die Deutsche und die Französische Straße ab. Architekt war der Franzose Sébastian le Prestre de Vauban, von dem 270 Festungen umgebaut und 30 wie Saarlouis neu errichtet wurden.

Am Hauptplatz steht in der Mitte die Katholische Pfarrkirche St. Ludwig (nach wem auch sonst benannt?), deren spitzer Turm vor den Betongewölben ohne Dachstuhl aufragt, rechts davon der „Palast der Hauptstelle" der Sparkasse im 70er-Jahre-Stil. Streng, aber stimmig, wirkt das Rathaus aus den frühen 50er Jahren an der linken Seite. - Wir beließen es bei einem kurzen Spaziergang. Als einige von uns im großen Kaufhaus „Pieper" waren, fiel dort der Strom aus - und das Fallgitter vor der Eingangstür.

2.10 Mettlach
Die Kleinstadt liegt an der Saarschleife im flächengrößten, aber dünnstbesiedelten Landkreis Merzig-Wadern im Nordwesten des Saarlandes, sie zählt gut 12.000 Einwohner. Ob Mettlach vom kelto-romanischen Metallacum abgeleitet werden kann, das wiederum auf den Römer Metilius zurück geführt wird, ist unsicher wie auch die frühere Deutung von Medius Lacus, also Zwischen-See. 28
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Der fränkische Herzog Lutwinus, später Bischof von Trier, gründete hier um 676 ein Benediktiner-Kloster. 989 entstand hier für ihn eine Grabkirche. Sie steht noch heute und wird „Alter Turm" genannt; er ist das älteste Bauwerk im Saarland. Das Untergeschoss war Liutwin gewidmet, im Obergeschoss befand sich eine Marienkirche. Der Unternehmer Jean-François Boch erwarb 1801 das Kloster mit Turm, den Eugen Boch 1851 originalgetreu wieder aufbaute. In den 90er Jahren gab die Deutsche Stiftung Denkmalschutz eine halbe Mio. DM zur dreimal so teuren Restaurierung. 29 Die heutigen Abteigebäude sind barock.

François Boch war Eisengießer. Mit Hilfe seiner drei Söhne begann er 1748, Keramik herzustellen, insbes. Geschirr. Die Serienfertigung begann 1767 nahe der Festung Luxemburg. Gleich darauf wurde das Brindille-Dekor entworfen, das bis heute unter dem Namen „Alt Luxemburg"/"Vieux Luxembourg" verkauft wird (rechts). Nach dem Kauf der Klostergebäude wurde hier eine mechanisierte Geschirrfabrik eröffnet.

Nicolas Villeroy gründete 1791 seine Steingutfabrik. Ihm gelang, Porzellan mit Kupferstichen aus Metallfarbe auf Seidenpapier zu bedrucken, wodurch eine Serienfertigung möglich wurde.
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1836 schlossen sich die beiden Unternehmer zusammen, sie firmieren bis heute unter „Villeroy & Boch". Der Markt für Porzellan wurde nun auf ganz Europa ausgedehnt. Wenige Jahre später wurde die Produktion von Glas aufgenommen. Auch die Herstellung von Fliesen, kurz darauf begonnen, wird bis heute fortgeführt. Ende des 19. Jh. kam Sanitär-Keramik, also Toiletten, Waschbecken und Badewannen, groß in Mode. Zuerst, nach der Französischen Revolution, kam es also zur Demokratisierung der Tischkultur, dann zur vorletzten Jahrhundertwende auch der Bäderkultur. Nach dem Verlust mehrerer Werke durch Enteignung nach dem letzten Weltkrieg ging das Unternehmen ab Mitte der 50er Jahre wieder auf Expansionskurs. Der Gang an die Börse folgte 1990. Doch seit Anfang 2009 ging es in eine die gesamte Branche umfassende Krise. Das Werk in Lübeck-Dänischburg wird geschlossen, die Fliesenproduktion ist zu ¾ in türkischer Hand. 30  

Auch die einstigen Klostergebäude haben schon bessere Zeiten gesehen. Wir besuchten die Daueraustellung, die mit einem Videofilm von 1998 (250-jähriges Jubiläum) eingeleitet wird, in welchem Peter Ustinov als Sprecher wirkt. Der Erfolg des Unternehmens wird darin als „Mischung aus Tradition, Kunst und Erfindungsreichtum" gefeiert. Besonders sehenswert ist das kleine Museums-Café, herrlich mit Jugendstil-Fliesen verziert, im dem wir einen Mittagsimbiss einnahmen. 31

Die verschiedenen Porzellan-Dekors der „Erlebniswelt Tischkultur" sind in den Ausstellungsräumen im Obergeschoss jeweils auf einem Tisch in Gänze drapiert, jeder ist ein dekoratives Meisterwerk!

Uns persönlich vertraut ist die „Wildrose" von unserem Frühstücksgeschirr, so dass wir im Outlet-Store in der nahen Einkaufszeile vier große Becher hinzu erwarben. Übrigens: V & B restaurierten auch römische Mosaiken.

Über die Saar, ein Stück weiter flussabwärts von der Hauptfassade, wurde von dem Unternehmen 1886 die erste Brücke finanziert, sie war mautpflichtig. Sie wurde Mitte der 30er und Anfang der 50er Jahre ersetzt.

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