4 Die Klöster und Bergkirche
4.1 Liegnitz/Legnica
Wahlstatt (Legnickie Pole), 9 Kilometer südöstlich von Liegnitz, 60 Kilometer westlich von Breslau, war Schauplatz der Schlacht vom 9. April 1241, in welcher der schlesische Herzog Heinrich (Henryk, rechts) II. mit einem deutsch-polnischen Ritterheer von den Tataren der Goldenen Horde unter Bajdar besiegt wurde. 55
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Eine kleine Kirche mit rohen Mauern aus unbehauenem Stein soll in der 2. Hälfte des 15. Jhs. hier errichtet und der Hl. Dreifaltigkeit und Maria gewidmet worden sein. An die flach gedeckte einschiffige Kirche, mit einem Presbyterium mit Kreuzgewölbe, sind ein Turm und eine Sakristei angebaut (links). Seit 1960 ist hier das Museum eingerichtet. Im Chor steht der Abguss des Grabmals für Herzog Heinrich, dessen Original sich im Nationalmuseum von Breslau befindet. Auf einer Empore wird ein einfaches Diorama mit Leuchtdioden gezeigt, ein guter auch deutscher Text vom Tonband erzählt Schritt für Schritt den Schlachtverlauf. Wir lauschten gespannt der Männerstimme und versetzten uns in die Zeit von vor siebeneinhalb Jahrhunderten. - Das Museum ist seit vielen Jahren von Mittwoch bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Prof. Matthée (rechts im Bild) war schon mehrmals hier und hat es bisher immer geschafft, vorzeitig eingelassen zu werden - nicht dieses Mal, als wir etwa eine Stunde in der Morgensonne warten mussten.

Eine Propstei mit Benediktiner-Mönchen aus dem böhmischen Opatowitz wurde nach der Überlieferung Anfang des 16. Jh. "von der Hl. Hedwig, auf Bitten Frau Annas, der Gemahlin ihres Sohnes" auf der Wahlstatt gestiftet. Herzog Friedrich II. von Liegnitz achtete auch nach der Reformation das Besitzrecht des Ordens, zog es aber nach dem Tod des Abtes als erledigtes Lehen ein. Die Propstei verarmte und verfiel.
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Ende des 17. Jhs. unterstützten die Franziskaner und Jesuiten die Benediktiner dabei, ein neues Kloster zu bauen. Zwei Jahrzehnte nach dem Rückerwerb der Propstei begann der barocke Klosterbau, der von 1723 - 26 schnell fortschritt, weil der größte Teil der Baustoffe aus der Nachbarschaft geholt wurde.

Der Baumeister war der junge Kilian Ignaz Dientzenhofer, dessen Pläne in Ruhe ausreifen konnten. So entstand jene wunderbar geschlossene Anlage, die den großen barocken Klosterbauten Süddeutschlands trotz ihrer verhältnismäßigen Kleinheit ebenbürtig an die Seite tritt und in Schlesien nicht ihresgleichen hat. Ein Geviert von 112 Metern Länge und 72 Metern Tiefe umschließt einen weiten Innenhof, der durch die als Mittelachse eingezogene Kirche in zwei behagliche Höfe geteilt wird.

Der Grundstein der Kirche wurde1727 gelegt. Die Wahlstätter Kirche ist die frühe Hauptvertreterin jenes freien, gelösten Stils des Meisters, den er aus heimischen, böhmisch-österreichischen Überlieferungen heraus entwickelte. Längs- und Zentralraum werden durch das ineinander Schwingen großer und kleiner Ovale zu einer lebendigen, unlösbaren Einheit. 56

Der Haupteingang vor den beiden zurück gezogenen Türmen wird von einem reich gehauenen Portal umrahmt. Über dem Portalgesims, das von Sklaven in orientalischen Trachten getragen wird, türmt sich ein Bündel Fahnen mit Halbmond und morgenländischen Waffen, mit denen Putten spielen. Die Figuren oberhalb des Portals stellen die Hl. Hedwig (Mitte) sowie St. Benedikt und St. Scholastika dar.
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Der Grundriss der Kirche erinnert an eine Kette miteinander verbundener Ellipsen, der sich im Presbyterium mit dem Hauptaltar verkleinern. Die mächtige Haube und sechs Wandpfeiler, die mit Säulen und Skulpturen verziert sind, bilden einen großartigen Baldachin, der auch dann halten würde, wenn die Wände einstürzen würden.

Im Inneren wirkt die Architektur reich und zugleich einfach, kompliziert und bildet doch ein abgeschlossenes Ganzes. Die Wände, die sich nach außen wölben und wieder enger werden, indem sie starke Pfeiler bilden, scheinen sich in große Kulissen zu verwandeln, die den Blick auf das heilige "Theatrum" des Hauptaltars ziehen. Das Licht, das teilweise durch die die Seitenaltäre krönenden Glorien dringt, fällt so ein, um die Altargemälde aufzuhellen.

Die Bilder zeigen die Verbindung von Farb- und Hell-Dunkel-Effekten, die Verbindung der Atmosphäre des Märtyrertums und der Ekstase und die der Glorifikation und des Realismus, welche für die barocke Malerei charakteristisch sind. 57
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Der Hauptaltar ist der zentrale Punkt der ganzen Komposition. Er ist von zwei Säulen eingefasst, die einen Walm mit der malerischen Gruppe der Hl. Dreifaltigkeit in Wolken tragen. Die Säulen werden von den Figuren des Hl. Peter und Hl. Paul flankiert. Das Gemälde vom Flamen Franz de Backer zeigt die Hl. Hedwig. Sie erhebt ihren Blick zum Kreuz, das in den Wolken erscheint. Ihr zu Füßen kniet, noch ganz dem irdischen Schmerz hingegeben, ihre Schwiegertochter Anna, der die Kriegsknechte in barocker Drastik den enthaupteten Leib des Gemahls hinhalten. Deutlich sind am rechten Fuß die sechs Zehen sichtbar, woran ihn seine Mutter erkannte. Das Haupt des Gefallenen wird von der abrückenden Horde auf einer Lanze entführt.
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Die Fresken, die den größten Wert neben der Architektur haben, hat Cosmas Damian Asam 1773 gemalt, wobei ihm wahrscheinlich F. A. Scheffler geholfen hat. Über der Orgelempore nimmt er das Thema um die Trauer um Herzog Heinrich auf. Rechts sehen wir das nach der siegreichen Schlacht jubelnde tatarische Heer.
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Ein geflügelter Schimmelreiter schwingt seinen Krummsäbel, die Götzenbanner wehen, der Drachenkopf auf der Stange speit feurigen Rauch, das aufgespießte Haupt des Herzogs schaut von seiner Lanzenspitze. In der Mitte, unter einer Linde, an die sich der tödlich verwundete Herzog anbinden sollte, liegt sein nackter Leichnam, der von der Witwe, Herzogin Anna, beweint wird. Links ist die Hl. Hedwig zu sehen, die den Benediktinern Reliquien und Baupläne übergibt.
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Das Gemälde im Hauptgewölbe ist eine Metapher, mit welcher der Kampf Heinrichs und seiner Ritter gegen die Tataren mit dem Kampf der Kreuzritterorden verglichen wird. Auf einer Seite ist ein Schiff mit einer Kreuzflagge am Heck zu sehen. Vom Schiff steigen Ritter mit Malteserkreuzen herunter. Weiter im Uhrzeigersinn sehen wir die Ritter im heiligen Hain der Heiden mit Schlangen und Drachen kämpfen. Einige Ritter stürzen die Venusfigur vom Sockel. Von einem Hügel leitet Kaiser Konstantin die ganze Aktion. Den Kulminationspunkt über dem Presbyterium bildet die Kaiserin Helene, wie sie die Reliquien vom Hl. Kreuz findet. Das wahre Kreuz hat seine Heilkraft an zwei am Boden liegenden Kranken gezeigt. Auch die dreisprachige Tafel ist gefunden. Im Hintergrund sind die Mauern von Jerusalem mit der mächtigen Grabeskirche zu sehen. Zu ihr gehört auch der gotische Turm zu Linken. Oberhalb der knienden Klosterbrüder mit Abt Othmar steht der Papst mit den Personifikationen der Kardinalstugenden Hoffnung, Glaube und Liebe. Vertreter exotischer Völker und Rassen der damals bekannten vier Erdteile folgen. Im Zenit der Kuppel erscheint zwischen den Wolken der siegreiche Heiland, umgeben von einer Engelsschar mit Leidenswerkzeugen. Unter seinen Füßen befindet sich die Erdkugel.

Zwischen den Bögen der Hauptkuppel zeigen die sechs Zwickel die vier Evangelisten an den Ecken und in der Mitte die Hl. Dreifaltigkeit und den Weltenrichter. Die Malereien in der Apsis über dem Hauptaltar bilden den Schlussakkord des ganzen Zyklus und sind zugleich ein plastischer Akt der Frömmigkeit zur Gottesmutter und Hl. Dreifaltigkeit, worüber auch lateinische Aufschriften sprechen. Auf dem Sockel mit der geflügelten Madonna hat sich der Künstler in seiner bayrischen Mundart eingetragen: "Cosmas Damian Asam von Pairisch Mi(n)chen".

4.2 Grüssau/Krzeszów
Das Kloster Grüssau (Opactwo Cysterskie w Krzeszowie) liegt 6 Kilometer südöstlich von Landeshut (Kamienna Góra) und 15 Kilometer südwestlich von Waldenburg im Tal des Zieder (Zadrna). Herzogin Anna von Böhmen, die Witwe Herzogs Heinrichs II. des Frommen, stiftete es 1242 für Benediktiner-Mönche, die das Zieder-Tal urbar machen sollten. 1289 übergab Herzog Bolko I. von Schweidnitz-Jauer das Kloster an die Zisterzienser aus Heinrichau. Die Kirche wurde 1292 geweiht, die Klostergebäude in den Jahren danach errichtet.
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In der Zeit darauf wurde der Grundbesitz mehrmals erweitert: 1340 um Schömberg mit sechs Dörfern, danach um das von Ritter Schaffgotsch gestiftete Warmbrunn. Im 14. Jh. gehörten zum Stiftsland etwa 40 Dörfer und die beiden Klosterstädte Liebau und Schömberg. Während der Hussitenkriege wurden Kloster und Stiftsland schwer verwüstet, 70 Mönche getötet. Kloster und Kirche wurden 1454 wieder aufgebaut. Während der Reformation ging die Zahl der Mönche stark zurück. Auch im Dreißigjährigen Krieg wurde das Kloster abgebrannt und schwer heim gesucht. Bald danach wurde es ein Zentrum der Gegenreformation in Schlesien und kultureller Mittelpunkt des Riesengebirges.

Abt Bernardus Rosa sind viele Bauten und Kunstwerke zu verdanken. Dank des 1669 eingerichteten Stiftsgymnasiums mit zahlreichen Freiplätzen für begabte Schüler stieg die Bildung der Umgebung. Nach den Schlesischen Kriegen wurde der Neubau verschoben und erst unter Abt. Placidus Mundfering ab 1768 begonnen. Er blieb jedoch unvollendet, da die Abtei 1810 aufgelöst wurde. Das in hoher religiöser und kultureller Blüte stehende Kloster wurde bedeutungslos; große Teile seiner Bibliothek und Kunstschätze gelangten nach Breslau.

1919 kamen Benediktiner-Mönche aus Prag, deren Konvent vom Papst zur Abtei erhoben und zum religiösen Mittelpunkt der Region wurde. 1940 beschlagnahmte das NS-Regime die Klostergebäude und nutzten sie als Umsiedlungslager für Volksdeutsche und Verschleppte.

Die nach Kriegsende zurück gekehrten Mönche wurden mit den deutschen Bewohnern des Ortes ausgewiesen, sie gingen nach Wimpfen am Neckar. Polnische Benediktiner aus Lemberg nahmen ihre Stelle ein. Doch Grüssaus Bedeutung als Wallfahrtsort ging in der Zeit der Volksrepublik zurück. Die kostbaren Barock-Paramente wurden 1953 entfernt, die rund 500.000 Bände (!) große Bibliothek und das Archiv wurden nach Breslau transportiert.

Die heutige barocke Klosterkirche wurde von 1728 - 35 errichtet, deren Entwurf aus der Umgebung von Kilian Ignaz Dientzenhofer beeinflusst wurde. Die bildhauerisch gestaltete Fassade ist in drei Geschosse gegliedert. Die Malereien im Kircheninneren stellen im Gewölbe das "Gleichnis vom Guten Hirten", die "Bergpredigt" und das "Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner" dar. Der Hauptaltar bildet die "Anbetung des Kreuzes durch Engelschöre" ab, das Hauptgemälde "Mariä Himmelfahrt". Die Kanzel verzieren Figuren der "Heiligen Dreifaltigkeit" und Flachreliefs der Kirchenväter.
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Das Chorgestühl ist mit Heiligen und Propheten dekoriert. Zahlreiche Seitenaltäre und Kapellen flankieren das Kirchenschiff. - Leider war die Kirche innen nahezu vollständig eingerüstet, so dass wir sie zwar betreten, aber wenig darin sehen konnten.

Nordwestlich der Klosterkirche steht die St.-Josephs-Kirche von 1692 - 95, die einer eigenen Bruderschaft diente. Die zweigeschossige Fassade wird von mit Kupfer beschlagenen Holzfiguren bekrönt. 58  Das Dorf Grüssau hat etwa 1.400 Einwohner.

4.3 Stabkirche Wang bei Krummhübel/Karpacz
Die berühmte Stabkirche wurde im dritten Viertel des 12. Jh. im Ort Vang in Südnorwegen errichtet. Das Bauwerk aus Kiefernholz ist mit reichen Schnitzerein versehen wie Tierdarstellungen und Ornamenten. Um das Kirchenschiff führt ein Laufgang, der Meditationszwecken dient und im Winter das Kircheninnere vor Kälte schützt.
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Die norwegische Gemeinde entschied sich für einen Neubau, weil ihr altes Gotteshaus zu klein geworden war. Da die alte Kirche ein wertvolles Denkmal der Wikinger-Architektur darstellt, gelang es dem norwegischen Mahler Dahl, sie an den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. für 427 Mark zu verkaufen. Der Monarch wollte das zerlegte Bauwerk ursprünglich auf der Pfaueninsel westlich von Berlin aufstellen. Gräfin Friederike von Reden erreichte schließlich, dass die Bergkirche ins Riesengebirge kam, auf ein Grundstück von Graf Christian Leopold von Schaffgotsch.

Der Grundsteinlegung 1842 folgte zwei Jahres später im Beisein des Königs die Einweihung. Neben die Holzkirche stellte Architekt Friedrich August Stüler einen steinernen Glockenturm. Stüler entwarf auch eine Gedenktafel mit Alabaster-Relief der Gräfin Reden nach ihrem Tod 1859 (rechts). 59

Nach der Vertreibung der Deutschen aus dem Dorf Brückenberg wurde 1946 eine kleine polnische evangelisch-lutherische Gemeinde gegründet. Die kleine Pfarre zählt heute etwa 50 Mitglieder. Von Juli bis September finden an allen Sonntagen deutsche Gottesdienste statt.
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Als Folge des Gewitters in der Nacht zuvor und des andauernden Regens hielten sich Hunderte von Besuchern einschließlich Schulklassen in der und um die Stabkirche auf. Eine Innenbesichtigung war uns so leider verwehrt. Ein deutscher Pastor, Klaus Dieter Härtel, ergriff die Gelegenheit, uns unter Regenschirmen den kleinen Friedhof zu erklären, auf dem ein Jahrhundert lang die deutschen Dorfbewohner bestattet wurden. Der erste polnische Pfarrer hatte die Grabsteine abgenommen und in einer Garage aufbewahrt. Daher ist unbekannt, welcher Stein wo stand. Die Grabdenkmale nennen oft eine Widmung wie "Unserer treu sorgenden Mutter", den Namen und den Beruf des Verstorbenen. Seit sieben Jahren sind wieder Urnenbeisetzungen möglich.

In Norwegen stehen noch 28 Stabkirchen, zwei sind verbrannt. Alle zusammen haben etwa 40.000 Besucher im Jahr - die Stabkirche im Riesengebirge aber 200.000 bis 220.000! Von ihnen sind etwa 40 % Deutsche.

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