5 Kirchen am Niederrhein
5.1 Groß St. Martin in Köln
Auf der einstigen Rheininsel entstand wohl schon in karolingischer Zeit ein Benediktiner-Kloster. Für die Kirche wurden die Überreste römischer Lagerhallen und Sportanlagen genutzt. In der Krypta sind diese Spuren sichtbar. Nach dem Brand 1150 wurde nach dem Vorbild von St. Maria im Kapitol ein Kleeblatt-Chor gebaut.

Ein steiler Raum entstand aus der Enge des Grundstücks, betont noch vom immensen Vierungsturm mit seinen vier Flankentürmchen. Plattenfries und Zwerggalerie auf halber Höhe des Vierungsturmes weisen darauf hin, dass die heutige Höhe erst im zweiten Anlauf erreicht wurde. Solange der Dom noch nicht fertig war, bildete der Vierungsturm von St. Martin ein Kölner Wahrzeichen vom Rhein aus. Im Krieg stark zerstört sollte der Turm zunächst nicht wieder aufgebaut werden. Erst in den 80er Jahren wurde er mit einem Betonskelett stabilisiert und 1984/85 fertig wie alle anderen romanischen Kirchen.

Nach Westen wurde das Langhaus mit höheren Arkaden fortgesetzt und erst um 1230 - fast schon gotisch - im Westen geschlossen. Dabei wurde das Triforium eingefügt und das Gewölbe eingezogen. Mit einbezogen wurde der eng benachbarte Turm der früheren Brigiden-Kirche. 23
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Den Chor schmückt der Drei-Königs-Klappaltar, eine Arbeit der niederländischen Renaissance. Wer von Westen in die Kirche eintritt, stößt zuerst auf einen dicken Balken mit gekreuzten Füßen und einem umwickelten Kopf, die sich bei näherem Hinsehen als liegender Kruzifix erweist. Heute wird die Kirche von der spanischen Kirchengemeinde genutzt.
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St. Martin ist noch heute einer der populärsten Heiligen im Rheinland. Der Mann, in Ungarn geboren, der als römischer Offizier in der gallischen Stadt Amiens seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt haben soll und schließlich Bischof von Tours wurde, war sozusagen der fränkische Nationalheilige. Am Hof der merowingischen Könige verwahrte man seinen Mantel (lat. capa). Der Ort, an dem die Reliquie aufbewahrt wurde, wurde capella genannt, eine Bezeichnung, die sich allmählich auf andere Kulträume übertrug - Kapelle. 24

5.2 St. Maria im Kapitol in Köln
An dieser Stelle stand zur Römerzeit der Tempel der capitolinischen Trias, der Staatsgottheiten für Jupiter, Juno und Minerva, der komplett zerstört wurde. Um 690 soll die erste Kirche gegründet worden sein, die nach der Zerstörung durch die Normannen im 10. Jh. wieder aufgebaut wurde.25

Die legendären Gründer sind Pipin und Plektrudis, die Stiefmutter Karl Martells (zu deutsch "der Hammer"), die hier einen Frauenkonvent gründete. Als Benediktinerinnenkloster reformiert wurde schließlich im 12. Jh. ein vornehmes Damenstift daraus. Als es 1802 eine Pfarrkirche wurde, blieb der Kreuzgang als einziger in Köln erhalten.
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Äbtissin Ida, aus ottonischem Kaiserhaus, ließ den Bau beginnen. Der Altar wurde 1049, die Kirche 1065 geweiht. Der Kleeblatt-Chor mit Umgang, der die Seitenschiffe fortsetzt, geht auf das Vorbild der Geburtskirche in Bethlehem zurück. Die Kölner Erzbischöfe feierten hier Jahrhunderte lang zu Weihnachten ihre erste Messe.

Im 12. und zu Beginn des 13. Jh. wurde die Fensterzone verändert und erstmals ein Vierungsgewölbe eingezogen. Unter dem Chor breitet sich eine Krypta aus. Nach Speyer - und hier sah Ida wohl mit Konkurrenzneid den Bau des neuen salischen Kaiserdomes - ist sie die größte in Deutschland. Das Langhaus erhielt erst um 1240 seine  Gewölbe. Statt des dreitürmigen Westwerks ist dort das Dach jetzt durchgezogen. Im Inneren ist noch ein Teil erkennbar: Das Emporengeschoss zitiert die Pfalzkapelle in Aachen.

Die hölzernen Türflügel sind noch erhalten und werden im Südschiff verwahrt. Sie schildern in farbig gefasster Schnitzarbeit das Leben Christi von der Geburt bis zum Pfingstwunder. Für die Gründerin Plektrudis entstanden zwei Grabplatten. Das eindrucksvolle Gabelkruzifix in der Nordkonche stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. 1525 wurde der Lettner eingebaut, mit dem zum ersten Mal die Renaissance in Köln einzog.26

5.3 St. Gereon in Köln
Ursprünglich als Märtyrerkirche angelegt, stammt der spätantike Ovalbau wohl aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts. 27  St. Gereon fasziniert mit der spätantiken Grundgestalt des Dekagons, des Zehnecks, die einzigartig ist in der Formenwelt des Mittelalters. Die acht Nischen des ovalen Raumes wurden durch Vorhalle und knapp gerundeten Chor zusammen gefasst. Eine Fensterreihe über den Nischen gab Licht für Mosaiken, die auch die Kuppel schmückten.
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Der römische Bau entstand wie andere Kirchen in einem Gräberfeld vor den Mauern der Stadt. Erst im frühen Mittelalter entwickelte sich die Legende vom Heiligen Gereon und seinen Gefährten aus der Legion aus Theben (Oberägypten), über deren Gebeinen Kaiserin Helena, Mutter Kaiser Konstantins des Großen, die Kirche errichtet haben soll. Der Gold glänzende Schmuck trug der Kirche den Beinamen "Zu den goldenen Heiligen" ein. Welche Anziehungskraft St. Gereon besaß, zeigt im 9. Jh. Erzbischof Hildebold, der sich lieber in der Nähe der Heiligen als in seinem neuen Dom begraben ließ.

Unter Erzbischof Anno (1065 - 75) wurde der Bau verändert, indem ein lang gestreckter Chor errichtet wurde. Ein Jahrhundert später wurde der Chor wieder verändert und mit zwei flankierenden Türmen zur Ostfassade ausgestaltet. Im 13. Jh. war der römische Bau in bedrohlichem Zustand. Seine Mauern wurden aber in staufisches Mauerwerk eingebunden. Die Winkel zwischen den Nischen wurden ausgefüllt und tragen Strebepfeiler und Strebebögen; innen wurden Pfeiler und Dienste vorgesetzt. Über den Nischen entstand ein zusätzliches Geschoss. Die massive Gliederung fasst auch die Fächerfenster der 3. Etage ein. Das vierte Geschoss zeigt mit schmalen Lanzettfenstern und kleinen Dreipässen die frühgotischen Gruppenfenster. Darüber schließen die zehn Rippen das Gewölbe, das größte zwischen Hagia Sophia in Konstantinopel und dem Dom in Florenz. In 34 Metern Höhe schwebt der Schlussstein des 1227 vollendeten Gewölbes. Die Taufkapelle an der Südseite mit ihren reichen Wandmalereien entstand wenig später. Im 14. Jh. wurde der Chor gewölbt und die Maßwerkfenster eingesetzt. 28

5.4 St. Ursula in Köln
Diese Kirche ist wohl die älteste in Köln und wurde einst "Zu den Jungfrauen" genannt, wie uns Dr. Budesheim erklärte. Das Bauwerk steht auf einem Gräberfeld. Ob es römische Gräber waren oder, wie Budesheim vermutete, die Knochen der Krieger von Hunnenfürst Julius, ist ebenso unbestimmt wie die Legende mit den 11.000 Jungfrauen. Jedenfalls konnten so die Knochen als Reliquien im ganzen Reich verteilt werden. Erst im 10. Jh. trat Ursula in Erscheinung, die englische Prinzessin.

Um 1135. Jh. entstand als Damenstiftskirche die Emporen-Basilika, die noch immer Grundbestandteil des heutigen Baues ist. Anfang des 13. Jh. wurde der Westturm ausgebaut. 1287 wurde der lang gestreckte Chor in frühgotischen Formen angebaut.29 Im 17. Jahrhundert richtete man die barocke "Goldene Kammer" ein, in der die Reliquien der ursulanischen Jungfrauen und ihrer Gefährten aufbewahrt und verehrt werden. 30   An die hl. Ursula erinnern der „Ursulaschrein und die Tafeln mit den Szenen der Märtyrerlegende (aus dem Jahr 1456). 31  (rechts: Statue der Hl. Ursula im Kölner Dom)

5.5 St. Kunibert in Köln
Am Rheinufer, ein gutes Stück nördlich der römischen Stadt und des Domes, stand schon im frühen Mittelalter eine Schifferkirche, die Papst Clemens geweiht war. Mitte des 7. Jh. wurde Bischof Kunibert (zu deutsch: "der die Kühnheit trägt") hier beigesetzt. Das Chorherrenstift ließ um 1215 den dreitürmigen Neubau mit östlicher Chorhalle und dreischiffigem Langhaus errichten, der damit die jüngste und zugleich einheitlichste romanische Kirche Kölns ist. Der Bau wurde 1247, ein Jahr vor Baubeginn des gotischen Domes, geweiht. 32  Mehrfach stürzte der Turm der Kirche ein, spektakulär im Jahre 1830, zuletzt 1943/44 nach Bombentreffern. Erst in den 90er Jahren war der Wiederaufbau des Westwerkes beendet. 33

Zur mittelalterlichen Ausstattung zählen u.a. ein Zyklus von Glasfenstern der Zeit um 1250 sowie Wandmalereien und Skulpturen des 13. bis 15. Jahrhunderts. 34
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