2.10 Vicenza
Die Provinzhauptstadt mit 110.000 Einwohnern liegt etwa 200 Kilometer östlich von Mailand und 60 Kilometer westlich von Venedig und gehört zu den reichsten Städten Italiens. Vicenza wird wegen der Schönheit seiner Baudenkmäler und der Geschlossenheit seiner Innenstadt als Kunststadt bezeichnet. Diese Innenstadt ist bekannt für den großen erhaltenen Bestand von Bauten des Renaissance-Architekten Andrea Palladio und seiner Nachfolger. 26

Es gibt wohl keine zweite Region Italiens, deren Architektur so nachhaltig durch den Stil eines einzigen Baumeisters geprägt wurde wie der Veneto Andrea Palladios. 24 Palladio-Villen benennt die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO und damit einen Gestaltungs-Reichtum, der in seiner "heiter-festlichen Würde" eine Ästhetik kultiviert, die den Schönheitsbegriff der Antike ins Ideale transportiert. 27
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Das antike Vicetia oder Vicentia bekam 88 v. Chr. mit dem "Lex Pompeia" lateinlisches Recht und wurde mit dem "Lex Julia" 49 v. Chr. römisches Municipium. Seit dem 6. Jh. ist es Bischofssitz. Zwischen dem 4. und 5. Jh. wurde es von den Barbaren geplündert und war noch nicht wieder voll aufgebaut, als die Wandalen und Alanen einfielen. Im Frühmittelalter war es Sitz eines langobardischen Herzogs mit eigener Währung, dann eines fränkischen Grafen, später Teil der Mark Verona. (links im Bild die Piazza dei Signori)

Im 12. Jh. übernahmen die Bischöfe die Macht, doch trat Vicenza im Kampf gegen Kaiser Friedrich Barbarossa als freie Kommune und Mitglied des Lombardenbundes auf. Ende des 12. Jh. verschärfte sich die Feindschaft zwischen Vicentinern und Paduanern. Nach verschiedenen Besitzwechseln im 14. Jh. unterstellte Vicenza sich der Republik Venedig. 28 Die Stadt wurde 1404 im Namen der vizentinischen Bevölkerung an die Seerepublik verschenkt. Bis 1797 gehörte sie zu Venedig, unter dessen Herrschaft sie tiefgreifende Veränderungen durchmachte. Die mittelalterliche Stadt gotischen Stils wurde im 16. Jh. mit Bauwerken von Andrea Palladio im Auftrage ehrgeiziger Adliger bereichert und in der ganzen Welt berühmt. Die 1630 ausgebrochene Pest forderte in der Stadt Vicenca 11.000 Opfer und in der Provinz 30.000. Vicenza gehörte von 1797 bis 1866 zu Österreich. Im 2. Weltkrieg wurde die Stadt schwer beschädigt. 29
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Durch die Porta Castello rechts vom Eingang des Salvi-Gartens betritt man die Altstadt. An der kürzeren Seite der Piazza Castello erhebt sich der unvollendete, Palladio zugeschriebene, Palazzo Porto-Breganze.

In der Stadtmitte, an der Piazza dei Signori, dem einstigen antiken Forum, stehen der Palazzo della Ragione, auch Basilica Palladiana, ein öffentliches Gebäude von 1549 und die Loggia Bernarda oder del Capitano von 1571, beide von Palladio. Die Basilika - nach Palladio der Ort, an dem man nach römischem Vorbild Recht sprach - kann als sein erstes Hauptwerk betrachtet werden. Die Faszination seiner vielen Rom-Besuche lässt sich ablesen an der doppelten Anordnung der Bogengänge und dem sich wiederholenden Rhythmus von ausgefüllten und hohlen Elementen, die an das Kolosseum erinnern. Die beiden übereinander liegenden Loggien laufen in eine schmale Terrasse aus, die ganz herum führt. Die Kuppel hat die Kielform eines umgekippten Schiffes und besteht aus einem mit Kupfer verkleideten Balkenwerk aus Holz. Im Kern steckt ein gotisches Gebäude, das nicht mehr standsicher war.

Links von der Basilika ragt der elegante "Torre die Piazza" seit 1226 empor, der an der Basis nur sieben Meter breit ist, aber 82 Meter Höhe erreicht. - Die palladianische Loggia Bernarda ist heute Sitz des Stadtrates. Das Gebäude von 1571 besteht aus nur drei Bögen mit mächtigen Halbsäulen aus frei liegendem Backstein; die Balustrade und Stuckwerke wurden später angefügt (rechts).

Am Corso Fogazzaro steht als eindrucksvolle Kulisse der Palazzo Valmarana-Braga Rosa (unten links im Bild), der 1566 von Palladio begonnen und erst 1680 vollendet wurde. Weil das Bauwerk nur schwer von der Seite zu sehen ist, bekam es statt Säulen Lisenen, die der Höhe der Fassade wegen riesig sind. - Der Palazzo Barbaran-Porto wurde von Palladio für den Grafen Barbarano entworfen, jedoch später anders ausgeführt.
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Gegenüber erhebt sich der Palazzo Thiene (rechts im Bild). Ab 1542 wurde der vorhandene Familienwohnsitz erweitert, aber durch den Tod des Auftraggebers 1560 nur teilweise, zu etwa einem Achtel (!), ausgeführt. Dies reicht aus, um die erfinderische Kunst des Meisters Palladio zu schätzen, der zum ersten Mal die Technik des Bossenwerks angewandt hat und seine Kultur in plastische Formen umgesetzt hat, was einer gewissen römischen und tosko-emilianischen Erfahrung zuzuschreiben ist.
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Das Gebäude erwarb die Banca Populare die Vicenza 1872 als Hauptsitz. - Der Palazzo Iseppo da Porta, heute Festa genannt, ist ein Werk von Palladio aus der Zeit zwischen 1540 und 49. Vollendet wurde der Teil zur Contrà Porti mit einem Sockel aus leichtem Bossenwerk und einem mit schönen Fenstern verzierten ersten Stock.

An der Piazza Matteotti hat man den imposanten Palazzo Chiericati (1551, heute Städtisches Museum) vor sich. Graf Chiericati beauftragte Palladio mit diesem wundervollen und mächtigen Gebäude.

Der reichliche Platz gestattete ihm, die Fassade aufzuteilen, indem er im Erdgeschoss einen breiten Säulengang mit dorischen Säulen, die im Mittelteil das Nobelstockwerk tragen, schuf, und an den Seiten desselben, die offene Struktur der aus ionischen Säulen bestehenden oberen Loggien. Im Innern sind der Firmamentsaal, der Göttersaal und der Saal für die Anstrengungen des Herkules mit ihren Fresken zu bewundern. 30
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Im Teatro Olimpico, einem quasi überdachten Amphitheater mit perspektivischer Bühnenstaffage in Holz, äußert sich der Wunsch Palladios, auch die Lebensweise der Antike selbst wieder zu beleben. Das Theater, das erste feste nach dem alten Rom, war Palladios letztes Werk und blieb unvollendet. Die erste Aufführung fand 1585 statt. Die Statuen aus Stuck zeigen alle Stifter des Theaters. Weil Geld fehlte, wurden Sponsoren gebraucht, die erst bereit waren, als man ihre Abbilder auf die Köpfe der Statuen anbrachte. Die Tugenden sind meist weiblich, aber die Akademiemitglieder waren nur Männer.
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Die Theaterstraße (rechts) ist 12 Meter lang, vorn 2 Meter und hinten nur 0,80 Meter breit und hat 2 ½ Meter Höhenunterschied in der Perspektive. Die unübertreffliche Bühnenwand soll die sieben Straßen des antiken Theben abbilden.

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