Kolloquium
"Historische Bausubstanz als ein Zeugnis unserer Regionalgeschichte"
in Beyernaumburg am 16. Mai 1998

1. Streiflichter auf die Gemeinde Beyernaumburg

Nach der guten Resonanz im vorigen Jahr in Kelbra trafen sich Geschichts- und Denkmalpflege-Interessierte im Hotel- und Touristenzentrum in Beyernaumburg. Eingeladen hatten der Heimat- und Geschichtsverein Beyernaumburg, der Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V. sowie der Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V.

Die Vorsitzende des Beyernaumburger Heimatvereins, Karola Mieth, streifte die Geschichte ihrer Gemeinde im Schnelldurchgang. Seit 854, der Erwähnung in der Schenkungsurkunde Ludwigs zu Gunsten des Klosters Hersfeld, haben so manche Herrscherhäuser über Beyernaumburg regiert: die Grafen von Gleuss-Seeburg und die Erzbischöfe von Magdeburg, Grafen von Querfurt, Edelleute von Hackeborn, Landgrafen von Thüringen und die Herren von Morungen, ab 1430 die Herren von der Asseburg und ab 1653 schließlich die von Bülows für 300 Jahre.

Baron Freiherr von Bülow verließ 1946 das Dorf mit seiner Familie. Die Bodenreform hatte weitreichende Folgen, weshalb man die Diskussion um deren Bestand eifrig verfolgt. Die Gründung der LPG 1952, aus der 1979 die LPG Pflanzenproduktion und die LPG Obstproduktion hervorgegangen waren, prägten die letzten Jahrzehnte. Im Oberschloß (Foto rechts) wurde 1946 das kreiseigene Pflegeheim eingerichtet, dessen privater Träger sich mit Neubauplänen beschäftigt, was auch die Frage der Weiternutzung des gemeindeeigenen Gebäudes aufwirft.
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2. Zur Erfassung der Kulturdenkmale in Sachsen-Anhalt

Herr Dr. Peter Findeisen vom Landesamt für Denkmalpflege in Halle warb anschließend für den Nutzen seiner Dienststelle. Zunächst holte er weit aus ins Preußen des 18. Jahrhunderts mit Karl Friedrich Schinkel, welcher die Denkmalpflege institutionalisierte. Alexander Ferdinand von Quast, Oberbaudirektor in Preußen, ist mit seiner Fragebogenaktion zum Denkmalbestand gescheitert. Sein hoher Anspruch zur Inventarisation kann nicht durchgehalten werden, so wurde zuletzt 1970 in der Stadt Wittenberg ein Inventar fertiggestellt. Eine Alternative stellt heute die Datenkommunikation dar, mit der eine Vielzahl von Institutionen an der Faktensammlung beteiligt werden kann.

Im Land Sachsen-Anhalt gibt es 600.000 Denkmale, davon ist rund die Hälfte erfasst, wozu die Begründung gehört, warum etwas ein Denkmal ist. Der Denkmalschutz ist oftmals mit Eingriffen in die persönliche Verfügbarkeit durch den Eigentümer verbunden, weshalb ein öffentliches Interesse begründet sein muss.

Denkmale können in mehrerlei Gestalt auftreten:
  • Einzeldenkmale wie Gebäude, Gärten
  • Mehrheiten von Gebäuden, z. B. ein Schloss oder ein Kloster mit seinen Wirtschaftsgebäuden
  • Denkmalbereiche, wie Straßen, ein Marktplatz
  • Kleindenkmale, wie Meilensteine, Sühnekreuze, Postsäulen.

Kunsthistoriker können zwar am Bauwerk einiges ablesen, hinzukommen muss jedoch die historische Quellenforschung. Die Landesdenkmalpfleger können aus Zeitmangel nicht in die Archive einsteigen, sie sind auf gedruckte Publikationen angewiesen. Die weniger als zehn Mitarbeiter sind auch für die Denkmalberatung für die Eigentümer einfach zu wenig.

In den 67 Orten im Landkreis Sangerhausen sind 461 Baudenkmale registriert, wobei noch große Lücken bestehen, z. B. im Raum Allstedt und Rottleberode. Sangerhausen ist eine ganz wichtige Stadt, was den Denkmalbestand angeht, so Dr. Findeisen, der auch den Unterschied zwischen Denkmalverzeichnis und Denkmalliste aufzeigt. Es kann als Fluch oder Segen gesehen werden, mit vielen Denkmalen belastet oder beschenkt zu sein, so Frau Uta Clemen vom Landesheimatbund.

Helmut Loth, Vorsitzender des Vereins für Geschichte von Sangerhausen, fragt den Vortragenden nach den Begehrlichkeiten, das Landesdenkmalgesetz zu ändern. Dr. Peter Findeisen erläutert hierzu die Einvernehmensregelung zwischen Unterer Denkmalschutzbehörde - dem Landkreis - und der Fachbehörde - dem Landesamt für Denkmalpflege. Was darf mit einem Denkmal geschehen? Das Gebäude muss schließlich weiterleben, mit den Ansprüchen des 20. Jahrhunderts an die Lebensweise der Menschen im Gebäude. Ein Veränderungswunsch, z. B. der Einbau neuer Fenster, wird der unteren Denkmalschutzbehörde angezeigt, das Fachamt nimmt hierzu Stellung. Beide haben Einvernehmen herzustellen, sich also zu einigen. Künftig könnte lediglich ein Anhörungsrecht für das Fachamt übrig bleiben, die untere Denkmalbehörde dürfte sich über Bedenken hinwegsetzen und allein entscheiden, was Verluste befürchten lässt. Die Versuche zur Änderung des Gesetzes laufen jetzt in die richtige Richtung, es werde keine Novellierung des Gesetzes geben, so Dr. Findeisen, worüber er froh sei.

Auch die Frage, wie etwas zum Denkmal wird, bekommt eine Antwort. Mitarbeiter des Landesamtes bereisen das Land. Sie treffen Feststellungen zum Baubestand, vor allem auch zur Wertigkeit innerhalb der Umgebung. Ist ein Stilmerkmal hier häufig oder selten? Ist es typisch, prägend für dieses Orts- oder Landschaftsbild? Hierüber wird im kleinen Kreis diskutiert, das Ergebnis wird dem Gebietskonservator vorgelegt. Von dort erreicht die Stellungnahme den Landeskonservator, der an die Untere Denkmalschutzbehörde schreibt. Sind alle einverstanden, steht das Denkmal auf der Denkmalliste.

3. Sangerhausen - Sanierung zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Helmut Loth stellt sich auch in seiner Eigenschaft als amtierender Leiter des Sanierungsbüros vor. Er streift die Stadtentwicklung vom Alten Dorf Sangerhausen, dem Fronhof, über die Stadtwerdung und die Stadterweiterungen nach Westen mit Altem und Neuem Markt und die umfangreiche Vergrößerung von 12.000 auf über 33.000 Einwohner im Jahre 1989; inzwischen ist diese Zahl auf unter 27.000 zurück gegangen.

Die heute bestehende Stadt gibt ein typisches Beispiel für eine sehr geschlossene Bauweise um den Stadtkern herum durch den Wohnungsbedarf infolge des Bergbaus (oben links: Riestedter Straße vor der Sanierung).

Mit einem Tageslichtschreiber und zwei Diaprojektoren veranschaulicht Herr Loth die bauliche Entwicklung seit dem Stadtgrundriß von Scheffner aus dem Jahr 1851. Heute gibt es im Sanierungsgebiet 1.130 Grundstücke, davon ist ein Großteil unvermessen. Darauf stehen 2.033 Gebäude, von denen 893 Haupt- und 1.140 Nebengebäude sind. Von letzteren sind mindestens die Hälfte vergammelt, wie der Sangerhäuser sagt. 301 Hauptgebäude hatten 1991 schwere Mängel, Ende 1996 waren es noch 175. Trotz der Instandsetzungen geht die Einwohnerzahl im Sanierungsgebiet zurück von 2.364 auf 2.150 in diesem Jahr.

Die Stadtsanierung wird insgesamt 120 Mio. DM kosten, wovon 30 Mio. DM ausgegeben sind. Finanziert wird zu je einem Drittel vom Bund, vom Land und von der Stadt. Die Mischung aus Wohnung, Handel und Gewerbe müsse erhalten bleiben, so Helmut Loth, somit das Nebeneinander von öffentlicher und privater Nutzung.

Die Versuchung, sich nach Jahrzehnten der Materialknappheit in den beiden Baumärkten der Stadt aus deren reichhaltigem Sortiment zu bedienen, ist sehr groß. So hat mancher Gebäudeeigentümer einige Tausend oder Zehntausend Mark angespart und möchte damit sein Haus renovieren. Die Stadt aber hat sich eine Gestaltungssatzung gegeben, mit der sie die Augen öffnen möchte für die Liebenswürdigkeiten der Gebäude. Daraus erwächst eine Konfliktsituation. Das städtische Sanierungsbüro steht nun vor der Aufgabe, das Sanierungskonzept des Eigentümers in angemessener Zeit zu prüfen und den Bauherren zu beraten.

Von den Straßen und Plätzen sind 48 % grundhaft instandgesetzt worden. Dies war nicht leicht, denn von dem, was unter der Erde liegt, ist fast alles hin. Die Hälfte der Pflastersteine zerbröselt, wenn man sie aufnimmt. Der Handel ist mit Umsatzeinbußen bis zu 40 % betroffen, wenn der Zugang zum Geschäft durch Straßenbauarbeiten erschwert ist.

Mit Dias aus den 60er und 90er Jahren illustriert Herr Loth das bereits Erreichte mit Stolz. Insbesondere werden die Bereiche um die Ulrichkirche und die Häuser Markt 22/24, 26/28 und 30 erläutert. Die Zuhörer erkennen die schwierige Gradwanderung und machen sich ein Bild über viele gut und einige weniger gelungene Überführungen von Gebäuden bzw. deren Ersatzbauten in eine zeitgemäße Nutzung.

Dem mitunter gehörten Vorwurf, alle Mittel würden in die Altstadt gesteckt, stehen die konkreten Zahlen entgegen. Von den Fördermitteln fließen bis jetzt 29,0 Mio. DM in das Sanierungsgebiet, 28,4 Mio. DM in die übrige Stadt, wird den Anwesenden verdeutlicht. Schließlich wünscht sich Helmut Loth mehr Mut von den Architekten und Bauherren zum neuem Bauen. Wir wollen uns nicht nur ein Bild schaffen, von dem was nicht mehr da ist, sondern auch aus unserer Zeit der Stadt Wertvolles hinzufügen.

An dieser Stelle entwickelt sich eine lebhafte Diskussion um die Wiederverwertung historischer Baustoffe, nachdem Herr Loth beklagt hat, wie oft alte Fenster und Innentüren einfach auf den Bauschutt geworfen werden. In Sachsen-Anhalt gibt es erst drei Bauhöfe, der nächste liegt in Helbra im Nachbarkreis Mansfelder Land. Hierzu wird angeregt, wenn schon nicht die öffentliche Hand eintrete, wäre hier doch ein Betätigungsfeld für das private Unternehmertum.

4. Flächennutzungsplanung und Dorfentwicklung

Aus dem Vorstand des Landesheimatbundes stellt sich Prof. Dr. Bernd Reuter vor. Nach seiner Aussage prägen unbestimmte Rechtsbegriffe das Baurecht. Seit dem 1. Januar 1998 ist das neue Baugesetzbuch in Kraft. In seinem Vortrag möchte er insbesondere den Flächennutzungsplan vom Bebauungsplan abgrenzen.

Die Bauplanung kommt nicht mehr von oben aus der Zentrale und muss umgesetzt werden. Planung ist stattdessen nach der kommunalen Selbstverwaltung ein demokratischer Prozess. Das neue Planungsrecht stärkt die Planungshoheit der Kommunen. Es bringt jedoch nicht nur Gewinn, sondern es sind auch erhebliche Nachteile möglich.

Der Flächennutzungsplan ist eine Darstellung von Absichten, diese haben dennoch eine gewisse Verbindlichkeit. Der Flächennutzungsplan schafft noch kein Baurecht, er verpflichtet die Gemeinde auch nicht, in 10 bis 15 Jahren bestimmte Absichten zu realisieren, sondern schafft ein verbindliches Entwicklungsgebot. Prof. Reuter rät den Stadt- und Gemeinderatsmitgliedern, den Spielraum so groß wie möglich zu planen. Dies schützt vor ständigen Änderungen und damit verbundenen Kosten. Die Eigentümer sollten keine vorschnellen Erwartungen bzw. Forderungen entwickeln.

Der Bebauungsplan dagegen sollte so genau wie möglich ausgestaltet werden. Der Flächennutzungsplan ist jetzt generelle Voraussetzung für die Bebauungspläne. Das Bebauungsplan-Recht ist ewig. Soll ein B-Plan nicht mehr verwirklicht werden, muss er ausdrücklich per Gemeinderatsbeschluß außer Kraft gesetzt werden.

Die Planungshoheit liegt allein beim Gemeinderat, der Planungsprozeß sollte so demokratisch wie möglich verlaufen. Die Bereitschaft der Bürger sich zu beteiligen ist noch zu gering. Der Gemeinderat kann über alle Eigentumsrechte hinweg planen, auch wenn es den Eigentümern nicht gefällt. Das Baurechtsverfahren ist öffentlich. Bei mangelnder Bürgerbeteiligung ist der Plan nichtig! Gemeinden sollten daher ausreichend Gelegenheit hierzu geben. Die Gemeinderatssitzungen zur Bauplanung sind öffentlich, hierzu ist öffentlich einzuladen, z. B. im Amtsblatt.

Die Regeln bei Befangenheit sind zu beachten. Ist ein Gemeinderatsmitglied z. B. als Grundstückseigentümer betroffen, so kann es zwar im Saal verbleiben und mitdiskutieren, aber nicht mitstimmen. Der Entwurf des Flächennutzungs- bzw. Bebauungsplanes ist danach einen Monat lang offenzulegen zur Erörterung von Konflikten. Damit es auch Berufstätigen möglich ist, die Pläne einzusehen, sollten sie auch sonnabends ausgelegt werden.

Werden Bedenken mündlich vorgetragen, so ist die Behörde verpflichtet, diese zu protokollieren, so steht es im Gesetz. Bürger, die sich beteiligt haben, sind über die Abwägung zu informieren. Das Verwaltungsgerichtsfahren schließlich ist kostenlos. Die Einspruchsfristen betragen bis zu sieben Jahre.

Als Beispiel für Planungskonflikte zeigte Prof. Reuter die Gemeinde Wermsdorf in Sachsen, die sowohl von einer barocken Schloßanlage als auch vom Waldhufendorf geprägt wird. Sein Credo ist: Das Dorf ist als komplementäre und konträre Siedlungsform zur Stadt zu entwickeln! Das bedeutet vor allem die Integration von Wohnen und Arbeiten. Leider werden heute kaum Mischgebiete ausgeschrieben.

An der Zukunft der ländlichen Strukturen entzündet sich eine Diskussion. Bäuerliche Familienbetriebe sind zum Sterben verurteilt, sie kommen nicht zurück. Der Osten Deutschlands ist durch die Vergenossenschaftlichung nur weiter vorangeschritten. Die für unser Heimatland so typische dezentrale Siedlungsstruktur erfordert neue Funktionen für die Dörfer. Hoffen lässt für die Dörfer die Abwanderung aus den Mittelzentren ins Umland, die nicht aufzuhalten ist, für die nahe Zukunft wird eine Größenordnung von 12 bis 15 % erwartet, z. B. aus Halle. Helmut Loth äußert die Sorge, viele Dörfer verspielten ihre Identität, würden beliebig. Das Dorf ist im Aufbruch.

5. Besichtigung von Gut Othal

Nach einem gemeinsamen Mittagessen sollte sich die Gruppe von etwa 30 Teilnehmern aufteilen. Die Sorge vieler, etwa zu verpassen, wenn man sich der einen oder der anderen Gruppe anschlösse, führte zu einem geschlossenen Autokorso zum Vorwerk bzw. Rittergut Othal.

Karola Mieth führte die Gruppe in die Veranda des Gutshauses und verwies mit Stolz auf die erbrachten Leistungen bei der Urbanisierung von Garten und Park und der Renovierung des Herrenhauses. Dankbar ist sie insbesondere dem Arbeitsamt und den ABM-Kräften. Diese waren vor allem arbeitslose Frauen aus verschiedensten, selten jedoch Bau-Berufen und haben sich viel Mühe gegeben. Die Fenster im Gutshaus wurden in der Justizvollzugsanstalt Volkstedt gebaut und hätten sonst 100.000 DM gekostet. Von der Lotto-Toto erhielt Frau Mieth kürzlich 50.000 DM, weitere 350.000 DM öffentliche Fördergelder wurden ihr bereits zugesagt. Öffentliche Mittel bringen jedoch auch die Verpflichtung mit sich, das Gebäude wenigstens für 10 bis 15 Jahre öffentlich zu nutzen.

Die Pläne, einen Jugend- und Schulbauernhof einzurichten, werden jetzt umgesetzt. Erste Gruppen haben bereits im Park gezeltet und auf dem Hof und im Garten gearbeitet. Es wird Vieh gehalten: Schafe, Ziegen, 40 Schweine, ein Hahn mit Hühnern, Enten und einige zugegebenermaßen geliehene Pferde. Die Schüler sollen so das Leben auf einem Bauernhof aktiv kennen lernen und bäuerliche Aufgaben und Traditionen erfahren.
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Als nächstes soll das Dachgeschoss des Gutshauses fertig ausgebaut werden. Im Haus sind links und rechts hinter den Giebeln steinerne Treppen vorhanden. Die Decke besteht jedoch aus Holz und birgt bei einem Brand Gefahren. Mit einer empfindlichen Brandmeldeanlage und einem brandhemmend ausgekleideten Fluchttreppenhaus am rechten Giebel soll den Auflagen der Brandschutzkommission jedoch genüge getan werden. Nach der Fertigstellung im Herbst können im Obergeschoss 29 Kinder und sechs begleitende Lehrer bzw. Eltern wohnen. Auch die Verpflegung soll weitgehend aus Erzeugnissen des Hofes selbst zubereitet werden.

6. Die Heimatstube von Walter Klier

Wieder zurück aus dem Ortsteil Othal fährt der Autokonvoi auf den Hof des Pfarrhauses Kern in der Dorfmitte. Walter Klier, vormaliger Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Beyernaumburg, führt die Gruppe zu einem unscheinbaren weißen Häuschen rechts von der Pension Pauer. Die Heimatstube von nur 15 Quadratmetern entpuppt sich als ein Miniatur-Bergbaumuseum. Was hier auf engem Raum doch mit viel Sammlerliebe zusammengetragen und angefertigt wurde!

Voller Stolz erklärte Herr Klier die Nachprägungen von Münzen (bis handtellergroß!) und Bergmannswerkzeug aus der Vorzeit bis heute. Sehr anschaulich gelang auch der nachgebaute nur 40 Zentimeter niedrige Stollen mit Hund (Holzkasten mit Rollen zum Erztransport). Neben dem unterschiedlichen Geleucht wurde anhand eines Käfigs auch die Redensart Wollen wir die Ratte quieken lassen? erläutert.
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7. Die romanische Kirche St. Urban

Die knapp werdende Zeit drängte zum Aufbruch. Der junge Pfarrer Robert Kern (wer hätte ihm den Beruf angesehen?) führte die Teilnehmer die Treppen den Hang hinauf zu seiner Kirche.

Die spätromanische Kirche St. Urbani von Beyernaumburg wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Kreuzform erbaut. Der Eingang ist am südlichen Querschiffarm. Bei bestem Sonnenschein wirkt die Kirche innen mit frischem Anstrich heiter und freundlich.

Bis 1536 gehörte die Kirche zum Kloster Kaltenborn, von dem die Christianisierung und Besiedlung ausgegangen war. Nach der Reformation wurde der Prior der erste evangelische Pfarrer in St. Urban. Das Patronat hatten die Schloßherren von Asseburg. Unter dem Altarraum liegt die zugemauerte Gruft mit ihren Särgen. Nach ihnen hatten die Schloßherren von Bülow die Herrschaft in Beyernaumburg. Ihre Gruft befindet sich im Schlosspark.

Der herrliche gotische Flügelaltar wurde um 1520 vor der Reformation gestaltet. In der Mitte ist im Strahlenkranz die Himmelskönigin Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm zu sehen, sie steht auf der Mondsichel, um sie herum musiziert ein Engelchor. An den Seiten dargestellt sind die vierzehn Nothelfer, typische katholische Heilige, die zu besonderen Anlässen angerufen wurden. Welche Figur wen verkörpert, können wir an den Attributen, den Beigaben, erkennen. Diese Gegenstände deuten auf Leben oder Märtyrertod hin. Im Bildersturm der Reformation ging man mit den Heiligenfiguren behutsam um, lediglich die Namen einiger Nothelfer wurden mit Ornamenten verdeckt.
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Aus katholischer Zeit erhalten ist im Chorraum hinten links das Tabernakel als Wandnische mit Gitter, wo Brot und Wein für das Abendmahl aufbewahrt wurden. Die Empore im nördlichen Querschiff stand dem Schloßherren, die gegenüberliegende dem Oberförster zu. Von der erstgenannten Empore führt eine Treppen hinauf in den Vierungsturm. Durch kleine Löcher im Zifferblatt kann man auf die Landschaft und den Ort hinunter bzw. zum Schloss hinauf blicken.

Durch eine Granate wurden im Jahre 1945 das Kirchendach und die alten Kirchenfenster zerstört. Der Beschuß hörte erst auf, als ein mutiger Mann aus Beyernaumburg unter Lebensgefahr auf den Turm stieg und ein weißes Laken hißte.

8. Aufstieg zum Schloss und Spaziergang durch den Park

Den krönenden Abschluss bildete die Besichtigung der Schloßanlage. Das Forsthaus steht leer, ebenso wie die langgestreckten Gebäude der ehemaligen Schäferei. Ein hoffentlich besseres Schicksal möge dem Schloss zustehen, sobald nach dem Neubau des Altenpflegeheims dieses frei wird. Die Neubaupläne rechts vom Schloßgelände im Taleinschnitt sind im Ort umstritten. Die Fürsprecher haben das starke Arbeitsplatz-Argument auf ihrer Seite, Gegner wollen lieber den vormaligen Garten mit Freitreppe wieder anlegen. Auf den Schlossterrassen wird wieder Wein angebaut, der aber nur ausgewählten Personen vorbehalten ist.

Das Schloss selbst beherbergt noch das Seniorenzentrum. Die Leiterin des Hauses verteidigte die Neubaupläne. Im Schloss selbst können die gestiegenen Ansprüche der alten Leute - und der Heimbetriebsmindestverordnung - nicht mehr erfüllt werden. Es stehen Ein-, Zwei- und Dreibettzimmer zur Verfügung für knapp 50 Bewohner. In den Nachkriegsjahren waren es auch schon knapp 100.
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Im Jahre 1982 hat der Dachstuhl des Schlosses gebrannt. Beim Wiederaufbau wurde hinter dem Gebäude ein Aufzug angebaut, worüber man heute froh ist, auch wenn der Denkmalcharakter etwas gelitten hat. Die Gruppe ging in das Haus die Steintreppe hinauf in den Speisesaal. Das neugotische Ambiente mit Wandvertäfelung und Fenstern strahlt einen gewissen märchenhaften Zauber aus, den die alten Leute im neuen Haus sicher missen werden (Foto unten).

Beim Parkrundgang stoßen die Teilnehmer auf zwei Tafeln, welche dem Gartenarchitekten Petzold, einem Schüler Fürst Pückler-Muskaus, gewidmet sind. Unter alten Bäumen hindurch an saftigen Wiesen vorbei kommen sie zu zwei Grabstätten. Die vordere wurde kürzlich für die etwa 200 Heimatvertriebenen, welche im Schloss gewohnt haben und hier verstorben sind, geschaffen. Die Grabstellen waren überwuchert und kaum noch zu finden. Die Steine darauf trugen nur Nummern, die dazugehörigen Namen konnten noch nicht ausfindig gemacht werden, so Karola Mieth.
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Gleich dahinter liegt die Grabstelle der Familie von Bülow mit Sandsteinkreuz, Grabsteinen und metallener Grabplatte. Hier wurden Angehörige des Adelshauses bis 1945 bestattet.

Nun waren auch die eifrigsten Teilnehmer überzeugt, alle wesentlichen Sehenswürdigkeiten von Beyernaumburg kennengelernt zu haben. Durch den gepflegten Ort machte sich jeder auf seinen Heimweg. Den Organisatoren, insbesondere Karola Mieth und Walter Klier vom Heimat- und Geschichtsverein, gebührt ein herzliches Dankeschön.

Text und Fotos von Manfred Maronde, veröffentlicht in "Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V. Heft 6/7 1997/1998"
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