3 Die Städte
3.1 Altdorf
Diese Kleinstadt in Mittelfranken war wahrscheinlich einst fränkischer Königshof. Berühmt wurde der Ort durch seine Universität, die von 1623 - 1809 bestand. Dort wurde Wallenstein wegen schlechten Betragens verwiesen. Leibnitz erwarb dort seinen zweiten Doktorhut. Das Universitätsgebäude, heute Klinik, wurde schon 1575 erbaut. Vier schmucklose, aber architektonisch wirkungsvolle, Trakte umgeben einen Binnenhof mit Bronzebrunnen.  - Wir ließen den äußeren Eindruck auf uns wirken.

3.2 Amberg
Amberg ist - wenn auch uns Norddeutschen bisher unbekannt - die größte Stadt der Oberpfalz. Die Stadt wurde 1472 böhmisch. Im Mittelalter war sie - wie Kuttenberg in Böhmen - ein Zentrum des Erzbergbaus und des Handels. Barock und Rokoko halten sich verborgen in Bürgerhäusern aus Gotik oder Renaissance. Der trutzig wehrhafte Charakter dominiert - schließlich galt Amberg, das im Dreißigjährigen Krieg allen Stürmen Stand hielt, bis ins 18. Jahrhundert als uneinnehmbare Festung. 17 - Wir entschlossen uns spontan für einen Besuch des Stadtmuseums, in dem die Sonderausstellung „Der Winterkönig" gezeigt wurde, die ausgesprochen informativ und sehenswert war. Mehr können Sie im Kapitel „Der Dreißigjährige Krieg" lesen. Das Museum ist in einem Nebengebäude des alten Kurfürsten-Schlosses untergebracht, das von außen selbst eindrucksvoll ist.
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3.3 Krumau oder Ceský Krumlov
Diese alte Stadt ist wirklich ein Geheimtipp! (Oder auch nicht, denn sie wurde in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.) Wir betraten sie im Abendlicht vom Busparkplatz aus hindurch unter die Bogengänge der steil aufragenden Mantelbrücke, die uns in Staunen versetzte.

Hinter diesem Bauwerk gingen wir über eine flache Moldaubrücke auf die Halbinsel der Kernstadt. Der Fluss Moldau - tschechisch Vltava - umfließt die Altstadt zu neun Zehnteln. Daher stammt auch der Name: „zur chrumben ouwe".

Am Marktplatz fanden wir das in drei alte Bürgerhäuser gebaute 4****Hotel „The Old Inn" 18 , in welchem sich Alt und Jung gleichermaßen wohl fühlen. Vom Zimmerfenster ging unser Blick über den Platz zur „Ceska Sporitelna", der Sparkasse. Und auf der linken Seite steht das Rathaus mit seinen gotischen Laubengängen und der Renaissance-Attika. - Krumau ist touristisch voll erschlossen: Es gibt mehrere gute Hotels, viele Restaurants, Bars, Kneipen, Souvenierläden etc. - und dementsprechend viele Besucher aus aller Herren Welt einschließlich Asien und Amerika.

An einem der Abende genossen die meisten von uns ein Gala-Konzert mit W. A. Mozarts Andante und Bachs Air, dargeboten von einem Flötisten, einer Cellistin und einem Pianisten im Städtischen Museum.

3.4 Budweis oder Ceské Budejovice
Auch das kommt vor: Im Bus ließ Prof. Matthée abstimmen, ob wir lieber in das Renaissance-Dorf - und Weltkulturerbe - Holašovice oder zum großartigen Marktplatz von Budweis fahren wollten. Eine deutliche Mehrheit - hoffentlich nicht nur Bierkenner - entschied sich für den Marktplatz. Das heutige Zentrum Süd-Böhmens wurde 1265 auf Befehl von König Ottokar II. Premysl gegründet. Alle Häuser um den Markt haben Laubengänge, auch viele in den anliegenden Straßen. An einer Ecke steht das Rathaus von 1730. Diagonal gegenüber steht die St. Nikolaus-Kathedrale. Und inmitten des Platzes ein Brunnen mit Samson-Figur. Alles sehr schön.
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3.5 Königgrätz oder Hradec Králové
Nach Prof. Matthée müsste die Stadt eigentlich Königingrätz heißen. Uns ist diese wichtigste Stadt Ostböhmens vor allem durch die Schlacht bei Königgrätz vom 3. Juli 1866 bekannt. An diesem Datum siegten die Preußen unter Moltke entscheidend über die Österreicher und Sachsen unter Benedek. Abgesehen von den noch vorhandenen Bastionen hat die Altstadt eine typisch böhmische Laubengang-Architektur um seine beiden Marktplätze (links).

Die Stadt mit etwa 90.000 Einwohnern liegt an der Mündung der Adler in die Elbe. Am Ring, dem Marktplatz, steht die gotische Kathedrale von 1312, der 68 Meter hohe Turm der Klemenskirche, auf dem Ring eine Mariensäule von 1737. 19

Wir wohnten im guten ****Sterne-Hotel „U Králové Elišky" („Zur Heiligen Elisabeth") am Markt. Zu Abend aßen wir gut, aber laut, im „Ratskeller", der aber nicht unter, sondern über Eck bei dem Rathaus steht. Unser erster Stadtrundgang fiel ins Wasser, wir haben ihn wegen Dauerregens abgebrochen und uns in der Bar des Hotels zwei Filme, davon einen alten Bismarck-Film, angesehen.

3.6 Josephstadt oder Josefov
Die streng im Schachbrettmuster angelegte Festungsstadt sollte wie Theresienstadt die Übergänge über die Elbe sichern, wurde aber 1866 umgangen. Bei Abendsonne gingen wir durch die leeren Straßen dieser verschlafenen Kleinstadt, in der - trotz einiger neuer Farbanstriche - die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.

3.7 Kuttenberg oder Kutná Hora
Die Bergstadt Kuttenberg wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts ökonomischer Mittelpunkt des böhmischen Staates. Der Bau des Veits-Doms in Prag entfachte den Ehrgeiz der Patrizier, einen eigenen Dom zu bauen, obwohl sie keinen Bischofssitz hatten. Außerdem wollten sie das Kloster Sedlec (siehe Kapitel
„Die Zisterzienser-Klöster") übertreffen.

Bei unserer Exkursion im heißen Sommer 1994 hatten wir in Kuttenberg Quartier, dieses Mal nur einige Stunden Aufenthalt. So wurden wir wie damals durch den „Welschen Hof" geführt. Er war als Münzprägestätte unter König Wenzel II. erbaut worden. Im Hof sieht man noch die zugemauerten ehemaligen Läden der Münzschmieden aus der Zeit um 1300.


In den verwinkelten Gebäudeteilen wird die Geschichte der Silbermünzen einschließlich der berühmten „Böhmischen Groschen" veranschaulicht. Auch die Statue eines Bergmannes, der auf seinem Kopf einen Trog mit Silbererz trägt, sieht man hier. Ein Ratssaal, vormals Audienzsaal, ist mit historischen Wandgemälden verziert: eines mit der Wahl von Wladislaus Jagiello im Jahr 1471 zum König und das andere mit dem „Kuttenberger Dekret".

Bildname In der Wenzelskapelle sind zwei bedeutende, wunderschön bemalte gotische Schnitzaltäre zu bestaunen: Marias Tod und (im Bild) die Heiligen Philipp und Jakob. 20

Auf dem Hof riss der Kontakt zum ersten Teil unserer Gruppe ab, so dass sich die „Nachhut" selbst den Weg zur Kirche St. Barbara bahnen musste. Diese Kirche hat ein auffallendes spitzes Zeltdach und wurde von 1380 bis 1420 unter der Leitung von Peter Parler konstruiert. Die Kirche steht nah am Jesuitenkolleg, welches über den von uns damals bei Regen besichtigten Silberbergwerk breit aufragt. Vorbei am ehemaligen Ursulinenkloster ging es auf die Rückreise.

3.8 Gitschin oder Jicín
An einem Vormittag durchstreiften wir Jicín, seine Plätze, Gärten und Höfe. Breit lagert sich das Schloss Wallensteins an der Westseite des Marktplatzes. Die Innenhöfe sind in reiner Renaissance aufgeführt und wirken erhaben. Zur Kirche besteht über einem Bogen eine überdachte Treppe. Das leicht kühle Wetter ließ keine so gute Stimmung zu wie vor neun Jahren, wo Stadt und Schloss in der Abendsonne strahlten. Uns blieb etwas Zeit, in der Morgensonne einen Kaffee oder Tee zu trinken - oder ein Eis zu schlecken.

3.9 Reichenberg oder Liberec
Ihren deutschen Namen trägt die Stadt mit gut 100.000 Einwohnern zu Recht, strahlt sie immer noch den Wohlstand der letzten Jahrhundertwende aus, der sich nach k.u.k-Art im hoch aufragenden Rathaus und Theater verkörpert. An einer Ecke des Marktes, an einer engen Gasse, stehen noch mehrere liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser aus dem Mittelalter, genannt die „Wallenstein-Häuser".

Aber nicht dieses Stadtbild, sondern ein Erlebnis besonderer Art bleibt uns in Erinnerung: Der verlorene Herr Heinrich Hußmann. Hier zeigt sich, dass kleine Ursachen große Wirkungen haben können. Es begann nach Heinz Hußmann mit einer Briefmarke, die er auf eine Ansichtskarte kleben wollte, um sie noch von Böhmen aus abzuschicken.
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Dies sagte er zu seiner Frau, die mit der Gruppe weiter gehen wollte, und ihm einen Hinweis auf den Zentralen Busbahnhof gab. Dieser Hinweis führte zu einem Missverständnis, weshalb Herr Hußmann nicht zur verabredeten Zeit am Bus erschien. Die Suche durch seine Frau, Herrn Stöcker und Herrn Matthée blieb erfolglos. Schließlich ließen wir Herrn Hußmann mit seinem erhofften Spürsinn zurück.

Wir fuhren zur Grenze, aber nicht zum nächst gelegenen Übergang, sondern weiter westlich, wo auch Busse abgefertigt werden. Dort angekommen wurde nach ihm gefragt und wiederholt telefoniert. Er war nicht da. Wir reisten aus Tschechien aus und fuhren auf der deutschen Seite zum anderen Grenzübergang. Dieser war vor einem Jahr geschlossen worden. Statt dessen gab es in der Nähe einen neuen Abfertigungspunkt, zu dem wir weiter fuhren. In gebührendem Abstand hielten wir an. In der Ferne sahen wir Heinz Hußmann auf uns zukommen. Mit Hilfe unseres Bautzener Hotels, das telefonischen Kontakt mit unserem Bus-Handy aufnahm, war es ihm gelungen, den Fahrer Herrn Sturm an den richtigen Übergang zu leiten.

Tatsächlich war es ihm gelungen, mit einem Taxi zur Grenze zu kommen, aber zunächst zu weit östlich, wo er hätte ein kleines Stück durch Polen gemusst hätte. Der Taxifahrer riet davon ab, denn die Polen seien „schlechte Leute". Der zweite Übergang, den er 100 Kilometer weiter anfuhr, war derjenige, der für Busse nicht zugelassen war. Auch ihm gelang es erst im dritten Anlauf, sich „heim ins Reich" zu kämpfen. - Zur Abbitte überreichte er dem Chef der Reisegemeinde eine CD mit böhmischer Blasmusik, die im Bus abgespielt wurde und zu der er mitsang: „Es war im Böhmerwald, wo meine Wiege stand, im schönen, schönen Böhmerwald..."


3.10 Bautzen
Die Kreisstadt in der sächsischen (Wappen oben am Reichenturm, von der „Bonzensuite" im Hotel mit Teleobjektiv aufgenommen) Oberlausitz mit etwa 42.000 Einwohnern hat sich gut herausgeputzt. Wir hatten dort drei Nächte verbracht im neu gebauten 4****Hotel „Holiday Inn", das nach Herrn Matthée durchaus zum neuen Leben der alten Stadt beigetragen haben dürfte. Die Stadt liegt hoch über dem engen Spreebogen, dazu an einer Furt und einem uralten Straßenkreuz. 1002 erstmals erwähnt war die Stadt zur Hussitenzeit 1430, im Dreißigjährigen, Nordischen, Siebenjährigen und Befreiungs-Krieg sowie 1945 schwer getroffen. 21

Über einem hohen Felssockel thronen die Ortenburg mit ihren mächtigen Zwerchgiebeln, die Türme des Petri-Domes, des Rathauses, der Michaeliskirche, der bauchige Riese der Wasserkunst, dazu Teile der Befestigungen. Der Petri-Dom beherrscht die hintere Front des Marktplatzes. Der Bau ist mit seinem vierten, südlichen Seitenschiff eine Halle mit dünnen Pfeilern und engmaschigem Netzgewölbe. Seit 1524 dient er beiden Konfessionen (Simultankirche).
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Die Ortenburg beherbergt heute das Oberverwaltungsgericht. Unter Berufung auf eine Gruppe unter Dr. Voss vor einem Jahr wollte Prof. Matthée mit uns darin den Wappensaal (links) besichtigen. Es bedurfte einiger hartnäckiger Telefonate, bis wir schließlich eingelassen wurden. Der Gerichtspräsident verzichtete ohne zu wissen, was er da versäumte auf den fundierten Vortrag unseres Professors.

3.11 Görlitz
Die „große Kreisstadt" mit ihren etwa 62.000 Einwohnern, hat nur ein halbes Umland. Der östlich der Neiße liegende Teil gehört heute mit dem Namen Zgorzelec zu Polen. Wegen eines Vorfalls mit Neonazis, die die Ansiedlung eines Autozulieferbetriebes verhindert haben, welches dann im thüringischen Sömmerda entstanden ist, zürnt Prof. Matthée mit Görlitz. Für mich jedoch ist Görlitz ein Schatzkästchen, auch für Prof. Kiesow, den Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die dort u.a. im Waidhaus ein Handwerkszentrum mit betreibt (siehe mein Reisebericht über die Oberlausitz).

Die Stadt entstand um 1210 um den Untermarkt nahe dem Burgbezirk und dehnte sich 1250 nach Westen um den Obermarkt aus. Mauerreste, ein Zwinger, das Bollwerk „Kaisertrutz", auch drei mit schwungvollen Kupferlaternen verzierte stämmige Türme sind noch heute die Zeugen der ehedem geradezu reichsstädtischen Bedeutung der Stadt. Die Altstadt gehört zu den ganz wenigen makellos erhaltenen deutschen Städten. 22

Am schönsten gelang Wendel Roskopf d.Ä. am künstlerisch reichen Rathaus (diesmal hat der Löwe am Turm wirklich gebrüllt) die Komposition der Rathaustreppe mit Kanzel und Säule einerseits, der Schönhof mit seinem Erker andererseits (1526; 1537/38).

Jonas Roskopf gab dem gotischen Waagehaus einen Mantel aus Dreiviertelsäulen mit einer Büstenreihe. Wir gingen durch die Neißstraße, vorbei an der Bibliothek der ehem. Oberlausitzischen Gesellschaft, betrachteten aber ausführlich das „Biblische Haus" (rechts).
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3.12 Löbau
Die ehemalige Kreisstadt, deren Kreis mit Zittau zusammen gelegt wurde, streiften wir nur kurz. Auf dem Marktplatz war Wochenmarkt, wir betrachteten aber das reich verzierte Rathaus und daneben das Haus „Goldenes Schiff".

3.13 Zittau
Mit 26.700 Einwohnern ist Zittau Kreisstadt geblieben. Die Stadt wirkt etwas weitläufiger als Löbau und hatte ihre Blütezeit vor etwa hundert Jahren. Heute liegt sie im Dreiländereck und hat im Grunde genommen kein Hinterland. Das Stadtbild wirkt großteils wieder recht gepflegt, kann aber mit dem von Görlitz noch nicht mithalten. - Die reiche bürgerliche Baukunst stammt vor allem aus dem 17., noch mehr aus dem 18., Jahrhundert. Besonders gut haben sich viele der Brunnen erhalten. Durch das große Rathaus im Tudorstil, 1834 von Karl Friedrich Schinkel erbaut, gingen wir hindurch. Die Kreuzkirche (hinter der neuen Sparkasse) ist heute das Museum für das Große Fastentuch, das wir (wegen Mittagspause) erst bei unserer Rückreise am späten Nachmittag, Bild für Bild, betrachten konnten. Spannend war für uns, unseren Bus mit dem Fahrer Herrn Sturm zurück zu rufen, nachdem er sich nach einer Verwarnung wegen Falschparkens im Stadtgebiet versteckt hatte.

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