Durch die Oberpfalz, Böhmen und die Oberlausitz: Auf den Spuren Wallensteins, der Schwarzenbergs und anderer Adelshäuser mit Prof. Dr. Dr. Ulrich Matthée, Kiel Exkursion vom 8. bis 19. September 2003 | |||||||
1 Einstieg in die böhmische Geschichte 1.1 Beginn und Hochmittelalter Wir nennen dieses Kernland Europas Böhmen. Dieser Name soll von den keltischen Boiern, die kurz vor unserer Zeitrechnung hier siedelten, abgeleitet sein. Die Tschechen, die im 6. Jahrhundert vordrangen, nannten sich nach einem sagenhaften Anführer Cech. 1 875 wurde das Land christlich, es unterstand dem Bistum Regensburg. Hundert Jahre später wurde in Prag ein eigenes Bistum gegründet, das allerdings zur Mainzer Kirchenprovinz gehörte. Die Bindung Böhmens an das Reich war damit formell vollzogen. Deutsche Einwanderer und deutsche Kultur gelangten nach Böhmen und Mähren, von den Tschechen selbst begünstigt und gefördert, die auf diese Weise Zuwachs für die Städte und fähige Mitarbeiter in Handwerk, Handel und Gewerbe erhielten. König Wenzel I. (1230 - 53), Sohn König Ottokars I., war ein besonderer Förderer des Deutschtums. Nach Prof. Matthée steht 69 nach deutschem (Magdeburger, Nürnberger und Wiener) Recht gegründeten Städten nur eine, nämlich Tabor, nach tschechischen Recht gegenüber. | |||||||
![]() | |||||||
Bereits 1248 kam es zu einem Aufstand des Adels unter Ottokar II. Dieser Premyslide dehnte seine Herrschaft bis über die Steiermark nach Krain und Kärnten aus und erhob Anspruch auf die deutsche Kaiserkrone. Jedoch unterlag er Rudolf von Habsburg 1278 in der Schlacht auf dem Marchfelde. Ottokars Sohn, Wenzel II., musste von Habsburg Böhmen und Mähren als erbliches Lehen annehmen. Dadurch gelangte der König von Böhmen zur Kurfürstenwürde und wählte den Kaiser mit. Ein Luxemburger, Johann, gewann das Land um Eger sowie die Lausitz und Gebiete um Görlitz und konnte 1354 endgültig Schlesien angliedern. Sein Sohn Karl übernahm die Verwaltung Böhmens. Mit Karl I. (1346 - 78), dem späteren Kaiser Karl IV., entstand Böhmen der bedeutendste König seiner Geschichte. Unter ihm wurde Prag zum politischen und kulturellen Mittelpunkt des ganzen Reiches und Böhmen fast zum reichsten Lande Europas. Hierzu zeugten die Erhebung Prags zum Erzbistum (1346) ebenso wie die Gründung der Universität (1348), der ältesten in Mitteleuropa, die ursprünglich durchaus als Reichsuniversität gedacht war, auch wenn Tschechisch jetzt zur Hauptsprache in Böhmen wurde, das Karl selbst ausgezeichnet sprach. | |||||||
![]() | Andererseits aber entstand gerade in Karls Prager Reichskanzlei unter seinem Kanzler, dem Schlesier Johann von Neumarkt, die „böhmische Kanzleisprache, die in den folgenden Generationen zur Grundlage einer hochdeutschen Schriftsprache werden sollte. Mähren, Schlesien und die Oberlausitz erhielten den Rang von böhmischen Kronländern. Auch heute noch stehen neben dem (zweifach vorhandenen) böhmischen silbernen Löwen auf roten Grund der rot-weiß karierte mährische Adler und der schwarze schlesische Adler mit Brustkreuz im Staatswappen. Wenzel IV. (als deutscher König Wenzel I.) geriet mit dem Adel in Streit. Dabei ließ er den Prager Bistumsverweser, Johann (Jan) von Pomuk, 1393 in der Moldau ertränken. Sein Standbild als heiliger Nepomuk steht auf der Prager Karlsbrücke (siehe von Touristenhänden abgegriffenes Bronze-Relief, die wahre Stelle ist aber mit einem Kreuz markiert). | ||||||
Die gemäßigte Gruppe der Utraquisten oder Calixtiner stand radikalen Taboriten gegenüber. 1433 wurde ersteren der Laienkelch zugestanden. Von ihnen spaltete sich die Gemeinschaft der Böhmischen Brüder ab (siehe Herrnhut). 1.2 Religionskonflikte Die Verhältnisse in der Kirche, die Verderbnis und Verweltlichung des Klerus und der Missbrauch kirchlicher Gewalt führten Ende des 14. Jahrhunderts zu immer mehr Unzufriedenheit. Den Tschechen erwuchs in der Person des Theologie-Professors Jan (Johann) Hus, der als Bauernsohn um 1370 geboren wurde, ein aufrüttelnder Prediger, dessen Lehren an die des englischen Reformators John Wyclif anknüpften. 1409 erhielten die Tschechen dank des Einsatzes von Hus das Übergewicht an der Karls-Universität. Deshalb wanderten Hunderte von deutschen Professoren und Studenten aus und ließen sich zumeist in Leipzig (der „Lindenstadt) nieder. | |||||||
![]() | Nach seiner Exkommunizierung durch den Papst wurde Jan Hus auf dem Konzil in Konstanz widerrechtlich verhaftet und 1415 verbrannt. Dies führte zum offenen Aufruhr. Der Ungarnkönig Matthias Corvinus („der kleine Rabe) nahm Mähren, Schlesien und die Lausitz in Besitz (wir finden sein Relief noch in Bautzen). Seine volksfremde und katholische Herrschaft brachte neue Unruhe und verstärkte die Rivalitäten der großen Adelsfamilien. Lutherisches Gedankengut fand schließlich in Böhmen zahlreiche Anhänger. Schließlich behielt der Katholizismus nur etwa ein Drittel der Bevölkerung. Die „Prager Artikel sollten 1547 Religionsfreiheit verkünden. Mehr nützte der „Augsburger Religionsfrieden von 1555. Doch Ferdinand I. ließ den Jesuitenorden ins Land. Der offene Konflikt brach zwischen Protestanten und Katholiken aus, als am 23. Mai 1618 protestantische Adlige auf dem Hradschin kaiserliche Statthalter aus dem Fenster warfen. Die Aufständischen wählten nach dem Tod Kaiser Mathias den protestantischen Friedrich von der Pfalz (Bild links) zum böhmischen König, gegen den Kaiser Ferdinand II. mit aller Macht einschritt. | ||||||
![]() | |||||||
In der Schlacht am „Weißen Berge 2 (Bild oben) bei Prag am 8. November 1620 wurde der „Winterkönig geschlagen und musste fliehen. Es folgte ein blutiges Strafgericht mit 27 Hinrichtungen und Enteignungen (Bild unten). | |||||||
![]() | |||||||
Die katholische Restauration führte zu einer großen Auswanderung tschechischer Protestanten in protestantische Länder, an ihrer Spitze der große Denker, Pädagoge und Bischof der Böhmischen Brüder, Jan Amos Komenský (Comenius). Es bildete sich eine deutsche Oberschicht heraus, die zwar im Zeitalter des Barock mancherlei kulturelle Leistungen für Böhmen aufzuweisen hatte, die aber die eingeborenen Tschechen zur Schicht des niederen Volkes machte und dem Tschechischen seinen Rang als Literatursprache nahm. Im übrigen teilte das Land des politische Geschick Wiens, mit dem es 1742 Schlesien an Preußen verlor und 1744 wie 1757 preußische Truppen in Prag sah. Erst Ende des 18. Jahrhunderts begann ein tschechisches Nationalbewusstsein wieder zu erwachen, das sich auch die geistigen Strömungen der Aufklärung zu Nutze machte. Der Rückfall in eine pseudo-nationalstaatliche konfrontative tschechische „Reconquista-Ideologie, eine eigentlich überwundene Form der nationalen Auseinandersetzung, trug viel zum Scheitern des „sudetendeutschen Aktivismus bei, das heißt der positiven Mitarbeit am Staate, und dazu, dass sich die Sudetendeutschen schließlich insgesamt und zu ihrem Verderben in die Arme Hitlers treiben ließen. Zwangsemigration und Zwangsvertreibung waren schließlich die Folge, auch dies ein Rückfall in Zustände, die in der böhmischen wie der europäischen Geschichte immer wieder eine traurige Rolle gespielt haben. 3 | |||||||
1.3 Der Dreißigjährige Krieg 1.3.1 Ursache und Anlass Böhmen war ein Wahlkönigtum. Im gesamteuropäischen Rahmen war Böhmen zwar nur ein kleines Land, aber mit der Krone Böhmens war auch die Herrschaft über die Herzogtümer Schlesien und Lausitz und über die Markgrafschaft Mähren verbunden. Böhmen war durch Handel und Landwirtschaft so reich, dass es mehr als die Hälfte der Verwaltungskosten des ganzen Reiches deckte. Dass die Habsburger ihre Machtansprüche bisher ungehindert durchsetzen konnten, lag in der Zerstrittenheit der untereinander um Privilegien kämpfenden Interessengruppen. Im Zuge der ökonomischen Entwicklung durch das aufstrebende Bürgertum zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde die bisherige, auf Landbesitz beruhende, Werteordnung Böhmens in Frage gestellt. Die gesellschaftliche Sonderstellung der 14.000 Adelsfamilien war im Schwinden begriffen, und so unterstützte der böhmische Adel die habsburgische Regierung aus Furcht vor den militanten Calvinisten. Die Sorge der politisch einflussreichen Kreise um die Bewahrung der Privilegien sicherte dem Kaiser die Macht. In Prag hatte eine provisorische Regierung die Macht übernommen. Die Regierungsspitze wurde von 30 Direktoren gebildet, und als militärischer Oberbefehlshaber war Graf Thurn ernannt worden. Die Rebellion war ein Versuch, die Bevormundung durch die katholischen Habsburger abzuschütteln. Kurz gesagt: sie war ein Staatsstreich. Im Jahre 1619 gaben sich die Böhmen eine eigene ständische Verfassung, die sogenannte "Konföderationsakte". Die Lausitz, Schlesien und Mähren unterzeichneten im Juli 1619 das Abkommen für eine gemeinsame Konföderation mit Böhmen. Aber bereits im April marschierte Graf Thurn mit dem böhmischen Heer in Mähren ein, um die Parteinahme für die böhmischen Interessen zu erzwingen.
| |||||||
zurück weiter | |||||||