Besuch im wieder errichteten Zisterzienserinnen-Kloster
Helfta bei Lutherstadt Eisleben
mit dem Verein für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V.
am Sonnabend, 13. Mai 2000

1. Der Rundgang

Gut zwanzig Mitglieder vom Sangerhäuser Geschichtsverein trafen sich um 9.30 Uhr am Steinberger Weg, um per Autokonvoi in das rund 25 Kilometer entfernt, östlich hinter Eisleben, gelegene Kloster zu fahren.

Bei bestem Sonnenschein konnte Herr Joachim Herrmann die Besucher über die Baustelle und durch die bereits fertigen Gebäude führen. Joachim Herrmann (im Foto rechts mit Schautafel) war in seiner aktiven Berufstätigkeit Zeichenlehrer. Er ist gebürtiger Helftaer und hat als Kind die nationalsozialistische Zeit erlebt, die gesamte sozialistische Zeit mitgemacht und setzt sich heute für die Erhaltung und Wiedererrichtung der Klosteranlage ein.
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Das landwirtschaftliche Volksgut hat auf die alten Klostergebäude wenig Rücksicht genommen. Zwei Gebäude wurden kurz vor der Wende gesprengt. Herr Herrmann hat seine Stimme laut gegen die Abräumung der Mauern der Klosterkirche erhoben und damit diesen Grundstücksteil aus dem Volksgut heraus gelöst. Die Landwirtschaft wurde inzwischen eingestellt. Das gesamte Gelände steht für eine klösterliche und gemeinnützige Arbeit zur Verfügung.
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Zwischen dem hohen Gutshaus, der alten Propstei hinter weiß und rot blühenden Kastanienbäumen, einem langen, leer stehenden, Stallgebäude rechts, dem flachen Verwaltungsgebäude und dem dreistöckigen, derzeit geschlossenen, Speicher mit dem Museum links und den Neubauten an der Rückseite liegt der Teich. Ein Fischteich gehört stets zu einem Zisterzienser-Kloster. Er war vor Baubeginn fast zugeschüttet und kaum noch erkennbar. Jetzt ist er wieder hergerichtet worden. Die vor zweihundert Jahren aufgeschüttete Insel wird jedoch wegen der kleinen Wasserfläche und der wie eine Mole hinein reichenden Sandsteinmauer nicht wieder angelegt.

An einem Teich zwischen Konvent und Schafstall soll - der Überlieferung zufolge - die heilige Gertrud oft gesessen und meditiert haben. Der Teich wird deshalb auch Gertruden-Teich genannt.

Der linke Teil des Geländes liegt noch brach, hier lagert Baumaterial an der Stelle des gesprengten Gebäudes, das einer doch nicht mehr gebauten neuen Halle für das Volksgut weichen musste. Hier wird später - zwischen preußischen und mittelalterlichem Schafställen - eine Kunstgalerie errichtet. Der Zufahrtsbereich wird hundert Meter nach links verlegt und führt direkt auf die Kirche zu.

Das dreistöckigen Speicherhaus entstand in preußischer Zeit und diente ursprünglich als Kornlager. In nächster Zeit informiert hier eine Dauerausstellung über Vergangenheit und Gegenwart sowie über Leben und Arbeit der Zisterzienser. Weitere Räume stehen wechselnden Ausstellungen zur Verfügung. Im Erdgeschoss wollen die Schwestern in nächster Zeit einen Klosterladen einrichten.

Links am Chor der Kirche vorbei,  (siehe Foto rechts, fast immer mit geradem Chorabschluss und drei Fenstern) durch zwei hohe Mauerbögen, kommen wir auf eine Wiese südlich der Klosteranlage (Foto unten). Hier bietet sich ein harmonisches Bild vom neuen Kloster. Rechts ist die komplett verputzte Bruchsteinmauer der Kirche mit dem Klinkerfries unter der schwarzen Schiefereindeckung. Links daneben steht das neue Konventshaus in Ziegelbauweise. Durch einem gläsernen Zwischenbau getrennt schließt sich das ebenfalls aus Ziegeln errichtete Gästehaus an. Eine unscheinbar niedrige, aus dunklen Klinkern erbaute, Mauer entpuppt sich später als der neue Kreuzgang.
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Wir gehen wieder zurück zur Nordwand der Kirche. Die Architekten haben hier nach moderner denkmalpflegerischer Auffassung einen krassen Gegensatz zwischen alter Substanz und neuer Ergänzung geschaffen. Die Mauerlücken in der frisch verputzten Kalksteinwand sind mit dunklen Klinkern ausgefüllt worden (siehe Foto unten). Der Eingang in die Kirche führt durch einen düsteren Gang, der wie eine Krypta wirkt, in das helle Kirchenschiff. Der Kirchenraum ist sehr hell, mit einem Leichtmetall-Spitzdach gedeckt und von sichtbaren Stahlankern zusammengehalten (Foto weiter unten links).

Die Kirche ist der älteste Teil des Klosters und zugleich der einzige, der mit Sicherheit bis in die Gründungszeit des Konvents zurück reicht. Die weitgehend erhaltenen Außenmauern entstammen dem 13. Jahrhundert.

Die Kirche entspricht in ihrer schlichten Art ganz der zisterziensischen Tradition. Alles in ihr soll dem Beter helfen, sich auf Gott hin zu sammeln. Keine figürliche Darstellung soll ablenken, intensive Farben wurden vermieden. Das gilt auch für die Fenster im Altarraum. In Anlehnung an das Hauptwerk Mechthilds von Magdeburg erstrahlen sie als Hinweis auf das "fließende Licht der Gottheit". In ihrer Dreizahl symbolisieren sie zudem die drei Personen Gottes: Vater, Sohn, Heiliger Geist.

Der gläserne Bau zwischen Konvent und Gästehaus führt in den Kreuzgang (unten rechts), der auf Herrn Herrmann "etwa asiatisch wirkt.
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Der Kreuzgang befand sich ursprünglich zur Hofinnenseite hin. Beim Wiederaufbau des Klosters wurde er jedoch anschließend an die südliche Seite des Konventes verlegt. Der flach gedeckte Umgang aus doppelten Metallsäulen strahlt durchaus etwas „Zisterziensiches aus, wie der Autor nach den Besuchen einer Anzahl von Klöstern in ganz Europa meint. Der Kreuzgang ist ein Ort der Stille und in fast jedem Kloster zu finden.

Hierher können sich die Nonnen zurückziehen. Hier können sie beten und meditieren, ohne gestört zu werden durch den alltäglichen Betrieb.
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Wie in vielen Klöstern steht auch in der Mitte des Helftaer Kreuzgangs ein Brunnen, hier mit einer Marienstatue gekrönt (Foto links). Sein sprudelndes Wasser gilt als Zeichen der Reinigung und Erneuerung und erinnert zugleich an das Dahinfließen der Zeit und des Lebens.

Der Kreuzgang ist allerdings nicht nur ein Ort der Meditation. Die Schwestern versammeln sich hier vor ihrem gemeinsamen Abendgebet, der Komplet, und an hohen Festen finden im Kreuzgang auch Prozessionen statt.

Das Konventsgebäude hat seinen Namen von dem Konvent, der in ihm lebt, arbeitet und betet, also von der Gemeinschaft der Frauen oder Männer, die den Konvent bilden (lat. convenire = sich versammeln). Zu einem Konventsgebäude gehören Klosterzellen, Speiseraum, Küche, Wirtschaftsräume, Sprechzimmer und der Kapitelsaal, in dem die Klostergemeinschaft alle wichtigen Fragen berät und entscheidet. An das Konventsgebäude schließt sich der Kreuzgang an. Ein Teil dieses Hauses unterliegt der Klausur und ist darum nicht jedem Interessierten ohne weiteres zugänglich.

Die Grundmauern des Helftaer Konventsgebäudes gehen möglicherweise auf das alte Kloster zurück. Während der preußischen Zeit diente das Haus jedoch als Getreidemühle.

2. Die Zisterzienser

Der Geist der Gründer bestimmt den Orden bis heute: Armut bedeutete für sie die Bestreitung des Lebensunterhaltes von der eigenen Arbeit, Verzicht auf Luxus, Beschränkung auf das Wesentliche, Echtheit, Einfachheit und Reinheit. Diese Grundsätze prägten die Bauweise ihrer Kirchen und Klöster, deren künstlerische Ausstattung, die liturgischen Geräte und Gewänder, die Buchmalerei, die Gestaltung des Gottesdienstes, den Choralgesang und auch das geistliche Schrifttum. Jeglicher Überfluss (superfluitas) und jeglicher Prunk (superbia) waren verpönt. Konkret bedeutete das bezüglich Architektur und Kunst, dass Bilder und Skulpturen verboten waren; die Glasfenster durften nicht bemalt sein; die Kirchen durften keine Türme, sondern nur Dachreiter haben; die liturgischen Geräte durften weder aus Gold noch Silber sein, die Gewänder nicht aus Seide; prunkvolle liturgische Gewänder waren nicht zugelassen; nur ein einziger Kerzenständer aus Eisen durfte aufgestellt werden. Der 1174 heilig gesprochene Bernhard lehnt in der Gestaltung alles ab, was den Mönch daran hindert, seine Aufmerksamkeit auf Gott zu richten. Er wendet sich gegen Bauten, mit denen - im Namen der Prachtentfaltung für Gott - den Armen das entzogen wird, was man ihnen schuldet.

Die Schönheit und Harmonie des Vorbild gebenden benediktinischen Mönchslebens ergibt sich aus dem Gleichgewicht und der Richtigkeit der Beziehungen zwischen dem Menschen und Gott, seinem Schöpfer und Erlöser, zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft, zwischen den Körper- und Seelenkräften des Einzelnen. Dieses in vielen Klöstern verloren gegangene Gleichgewicht wollten die Zisterzienser wieder herstellen, indem sie den Tages- und Jahres-rhythmus der Benediktsregel genau befolgten. Den Gebetszeiten des liturgischen Gottesdienstes folgten Stunden der demütigen Arbeit in Feld und Wald oder im Dienst der Gemeinschaft, aber ebenso mehrere Stunden für Lesung, Studium und stilles meditatives Gebet und auch Stunden für Schlaf und Erholung und die gemeinsamen Mahlzeiten. Man lebte in brüderlicher Gemeinschaft, ließ aber doch Raum für Einsamkeit und Schweigen und die Bedürfnisse des Einzelnen. Dieser Tagesablauf war hinein komponiert in den Wechsel des wachsenden und abnehmenden Jahres und die Fest- und Fastenzeiten des Kirchenjahres.
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Die Lage und Bauweise des Klosters musste diesem Lebensstil entsprechen. Daher beschlossen die Gründer, nach dem Vorbild des heiligen Benedikt ihre Klöster nicht in Städten, Kastellen oder Dörfern zu bauen, sondern an abgelegenen und wenig begangenen Orten. Bevorzugt wurden einsame Täler oder Landschaften an einer Flussschleife wegen der Nutzung des Wassers. Die Bauten und Räume wurden im Bereich des Klosters fast überall genau nach den Funktionen des monastischen Alltagslebens angeordnet, wie es im 'Liber usuum' oder Buch der Gebräuche minutiös beschrieben war.

Als Gründer des Zisterzienserordens gilt der heilige Robert von Molesme (gestorben 1111), der als junger französischer Adelsherr um 1043/1044 in eine Benediktinerabtei bei Troyes eintrat. Das Verlangen nach einem einfachen und eremitischen Leben veranlasste ihn, 1075 die Abtei Molesme, an der Grenze zwischen der Champagne und Burgund gelegen, zu gründen. Dort tat sich immer mehr eine Schar von Mönchen zusammen, die, unzufrieden mit dem tatsächlichen Klosterleben, sich nach einer konsequenteren Verwirklichung der Ordensprofess umsah.
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Im Frühjahr 1098 zogen Abt Robert und 21 Mönche von Molesme aus und ließen sich, nach der Überlieferung, am 21. März, dem Fest des heiligen Benedikt, in der "Einöde von Citeaux (Zeichnung links) nieder, wo sie ihr Reformprogramm umsetzen wollten. Citeaux, lateinisch "Cis tercium millennium lapidem - "diesseits des dritten Meilensteins  - von da der Name "Zisterzienser, liegt 24 km südlich von Dijon und somit, wie Cluny und andere Reformzentren, in Burgund.

Die Mönche des "Neuklosters wählten den Prior Albrich zu ihrem Abt. Zu seinem Nachfolger wurde der Engländer Stephan Harding (gestorben 1134) erkoren. Er besaß außerordentliche Organisationstalente und brachte das intellektuelle Leben des jungen Klosters zur Blüte. Abt Stephan gilt ebenfalls als Vater der so beeindruckenden zisterziensischen Verfassung. Bereits 1113 konnte Abt Stephan die erste Gründerkolonie nach La Ferté entsenden. Ein Jahr später folgte die Gründung von Pontigny und 1115 jene von Clairvaux ("Clara vallis = "Helles Tal) und Morimond ("morire dans le monde" - "Sterben in der Welt). Man nennt diese vier Tochterklöster die Primärabteien; diese hatten in der Verfassung eine privilegierte Stellung.

Das größte Ereignis waren 1113 der Eintritt des adligen Bernhard von Fontaine-lès-Dijon und seiner 30 Gefährten ins Kloster Citeaux. Bernhard kann als Begründer der zisterziensischen Spiritualität und der Marienverehrung  betrachtet werden. In außerordentlichem Maße war ihm die Gabe des Wortes und der Begeisterung zu eigen - man nennt ihn sogar "Doctor melifluus - den "honigfließenden Lehrer - er wird mit den Symbolen Biene und Bienenkorb dargestellt. Ab 1130 trat Bernhard, bereits seit 1115 Abt von Clair-veaux, immer mehr auf den kirchenpolitischen Plan. Er wurde zum Ratgeber der Päpste, Kaiser und Fürsten, zum "Schiedsrichter Europas. Höhepunkt seines Lebens war wohl 1145 die Erhebung seines ehemaligen "Schülers, des Zisterzienserabtes Bernardo Paganelli, auf den Papstthron unter dem Namen Eugen III. (gestorben 1153). Dieser beauftragte den heiligen Bernhard von Clairvaux 1146 mit der Predigt des 2. Kreuzzuges, zu dem er erfolgreich in Frankreich, Flandern und Deutschland aufrief. Das ganze Kreuzzugsunterneh-men endete aber in einer Katastrophe.

Noch unter dem Abbatiat von Stephan Harding kam es um 1120 zur ersten Gründung eines Zisterzienserinnenklosters, nämlich der Abtei Tart, 12 km nordöstlich von Citeaux gelegen. Dieses Frauenkloster entwickelte sich analog zum Mutterhaus des Ordens. Die Blütezeit der zisterziensischen Frauenbewegung war vor allem das 13. Jahrhundert, als die Nachfrage um Inkorporation von Frauenklöstern in den Orden so groß wurde, dass dieser sich zunehmend restriktiv verhielt.

Bestanden 1115 fünf Zisterzienserklöster, so waren es im Todesjahr des heiligen Bernhard, 1153, bereits 344 Klöster, von denen allein 166 zur Filiation von Clairvaux gehörten. Anders als beim Mutterkloster Clairvaux (zur Blütezeit insgesamt 356) liegen bei Morimond (213) fast alle Tochterklöster im deutschen Sprach- und Kulturbereich sowie im Osten Europas. Innere und äußerliche Schwierigkeiten sowie das Aufblühen der Bettelorden (Dominikaner und Franziskaner) ließen den Orden erlahmen, obschon die Anzahl der Klöster noch recht beeindruckend war: in der Mitte des 13. Jahrhunderts 647 und im Jahr 1675 sogar 742 Zisterzienserklöster.

Verheerend für die Existenz des Ordens wirkte sich die Französische Revolution (1789) aus. 1791 wurde die Mutterabtei Citeaux aufgehoben und die Mönche vertrieben.

Der "alte Zisterzienserorden (O.Cist.) gehört heute mit seinen 12 Kongregationen und den ungefähr 86 Männerklöstern (1327 Mitglieder) und 63 Frauenklöstern (1124 Mitglieder) zum Erscheinungsbild der Kirche. Seit 1892 existiert noch ein zweiter, der "Orden der Zisterzienser der Strengen Observanz (O.C.S.O., Observanz = Auslegung der Ordensregel, auch nach dem Kloster La Trappe Trappisten genannt).

3. Entstehung und Untergang des Klosters Helfta

Das Kloster hat seinen Ursprung nahe Mansfeld, dort wurde es 1229 von Graf Burchard von Mansfeld und seiner Gattin in der Nähe seiner Burg gegründet.  Die Nähe zum Hof der Grafen von Mansfeld hatte jedoch Nachteile, so dass der Sitz des Klosters verlegt wurde. Die Zisterze „Beatae Mariae Virginis zog 1234 in das wüste Rothardesdorf. Auch diese Anlage musste einige Jahre später wieder verlassen werden, weil das Wasser weg ging.

1258 wurde das Kloster nach Helfta, östlich von Eisleben, erneut verlegt, an seinen heutigen Ort. 1342, also nicht einmal hundert Jahre später, wurde die Anlage von Truppen Albrechts von Braunschweig verwüstet. Daraufhin wurde 1343  (1344 ) das Kloster an die Stadtmauer von Eisleben verlegt. Zwei Jahrhunderte später, im Bauernkrieg von 1525, wurde auch das Kloster Neu-Helfta zerstört, der Konvent zog wieder in das alte Kloster. Alle Standorte tragen übrigens den Namen Helfta.

Nachdem 1542 die Reformation in Eisleben durchgeführt wurde, kam es zur unvermeidlichen Säkularisierung des Klosters Helfta. Die verbliebenen Nonnen trugen selbst zum Abbruch der Gebäude und der Wiederverwertung der kunst-voll behauenen Steine in anderen Kirchen bei. Das klösterliche Leben hörte für 450 Jahre auf zu existieren.
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4. Die drei Frauen von Helfta

Die drei berühmten Frauen bewirken, dass das Kloster "im 13. Jahrhundert eine der geistesgeschichtlich bedeutsamsten Stätten Deutschlands ist. Bei den Mystikerinnen entsteht ein erstaunlich dynamischer Sprachtyp, der ein innerliches Seelengeschehen auch äußerlich manifestieren sollte und eine große Bereicherung des deutschen Sprachschatzes mit sich bringt. Ebenbild, Einblick, Eindruck, Einkehr, Vorbild, übernatürlich sind Worte, die hier geprägt worden sind. Die erstaunliche Dynamik nimmt Luthers wes des Herz voll ist, des geht der Mund über vorweg.

Mechthild von Magdeburg war die erste bekannte Mystikerin, die in deutscher Sprache geschrieben hat. Sie wurde um 1207 geboren, war adeliger Herkunft und führte ab 1233 ein asketisches, geistliches Leben als Begine (unter gewählter Vorsteherin ohne Klostergelübde)  in Magdeburg. Mechthild folgte so einer Armutsbewegung von Frauen, die dem Evangelium gemäß die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe ins Zentrum ihres geistlichen Lebens stellten.

Etwa 1250 begann sie mit der Niederschrift ihres Werkes "Ein fließendes Licht der Gottheit". Mechthild geriet in Schwierigkeiten, weil sie in diesem Buch den Reichtum einiger Kleriker brandmarkte und das Domkapitel scharf kritisierte.

1270 ging Mechthild von Magdeburg nach Helfta und wurde im Kloster Lehrerin der Mystik. Hier vollendete sie die Arbeit an ihrem wichtigsten Werk "Ein fließendes Licht der Gottheit". "Gott hat an allen Dingen genug, allein die Berührung der Seele wird ihm nie genug."

Mechthild von Hackeborn wurde 1241 in Hackeborn bei Halberstadt geboren. Sie ist leibliche Schwester der Äbtissin Gertrud von Hackeborn, die von 1251 bis 1291 dem Kloster vorstand.

Mit sieben Jahren kam Mechthild von Hackeborn auf eigenen Wunsch - so die Biographie - ins Kloster Helfta. Sie besuchte die Klosterschule, wurde später Lehrerin und Leiterin der Schule.

Mitschwestern halten ihre Visionen fest in "Das Buch der besonderen Gnade". Mechthild von Hackeborn schreibt von Gott: "Ich bin leichter zu erlangen als irgend etwas. Kein Faden und kein Splitter, nichts ist so klein und so gering, dass man es mit einem Willensakt an sich ziehen könnte. Mich aber kann der Mensch mit seinem bloßen Willen an sich ziehen." (Aus: "Das Buch der besonderen Gnade"). Mechthild von Hackeborn starb am 19. November 1299.

Gertrud von Helfta wurde am 6. Januar 1256 - wahrscheinlich in Thüringen - geboren und kam mit fünf Jahren ins Kloster. Gertrud war eine begabte Klosterschülerin. Sie erhielt eine wissenschaftliche und geistliche Ausbildung. Ihre Lehrerinnen waren Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn. Eine tiefe Freundschaft verband sie mit Mechthild von Hackeborn.

Gertrud beherrschte Latein und übersetzte Teile der Heiligen Schrift ins Deutsche. Überliefert ist das Datum ihrer ersten Christusvision vom 27. Januar 1281. Mitschwestern berichten: "Gertrud wurde von einer Grammatikerin zu einer Theologin." Ihre beiden Hauptwerke sind "Gesandter der göttlichen Liebe"  und das Exerzitienbuch "Geistliche Übungen". Gertrud von Helfta, die den Beinamen "Die Große" erhalten hat, starb am 17. November 1302.

5. Wiederaufbau und Einzug der Nonnen

Ordinariatsrat Willi Kraning, bischöflicher Beauftragter des Bistums Magdeburg für den Aufbau des Klosters Helfta, berichtet: "Ein gutes Werk nimmt seinen Lauf. Die Idee und Durchführung des  Wiederaufbaus des Klosters Helfta hat viele Väter und Mütter.

Am 8. August 1994 setzten die Treuhandanstalt und das Bistum ihre Unterschrift unter den Kaufvertrag, so dass das Kloster Helfta wieder Kirchenbesitz wurde. Der 'Verband der Freunde des Klosters Helfta e.V.' hatte die Kaufsumme in Höhe von 1.391.622 Mark durch freiwillige Spenden gesammelt. "Gegenstand des Vertrages ist ein Kloster für gemeinnützige Benutzungszwecke." So steht es im Vertrag.

Nach vierjähriger Vorbereitungszeit begann am 1. September 1998 die praktische Bautätigkeit für den ersten Bauabschnitt. Die Bauherrentätigkeit hat das Bistum Magdeburg Übernommen.

Die Finanzierung liegt ganz bei den jetzigen und kommenden Sponsoren, wobei sich Äbtissin Assumpta Schenkl und der Magdeburger Bischof Leo Nowak mit dem "Verband der Freunde des Klosters Helfta immer bewusster einschalten (im Foto: der Kruzifixus, den die Äbtissin aus Landshut mitgebracht hat).

Die Bauarbeiten kosten 15,4 Millionen Mark und werden vorwiegend aus Spendengeldern aufgebracht. Etwa ein Drittel der Summe fehlt noch. Allein die Wiederherstellung der Klosterkirche kostet fast fünf Millionen Mark.

Das beharrliche Werben für Helfta durch den "Verband der Freunde des Klosters Helfta, sie allein sammeln jedes Jahr ca. 400.000 Mark, die schwesterliche Hilfe anderer Klöster und Ordensgemeinschaften und viele großzügige Spender aus dem privaten Raum machten den Baubeginn möglich.
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Eine letzte große Hürde wurde durch das Zusammenwirken mit den Arbeitsämtern Sangerhausen und Eisleben aus dem Weg geräumt. Abteikirche und Kreuzgang werden in der Weise einer Vergabe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von der Bundesanstalt für Arbeit gefördert. So werden in Helfta 38 Arbeitslose für ein Jahr Arbeit finden. Wir sind auf einem gemeinnützigen Weg.

Nachdem der erste Bauabschnitt vollendet ist, haben die Ordensschwestern in Helfta wieder ein Dach über dem Kopf. Sie gehören dem gleichen Orden an wie Gertrud die Große und Mechthild von Hackeborn, die hier gelebt haben.

Darüber hinaus öffnet die wiedererstellte Abteikirche ihre Tore für Touristen und die einheimische Bevölkerung. Ein Gästehaus und ein meditatives Zentrum, der Kreuzgang, schließen den ersten Bauabschnitt ab.

Damit ist hier ein Ort des Gebetes entstanden, eine Kraftquelle für viele, und Eisleben-Helfta ist um einen Besuchermagnet reicher. Gertrud die Große wird ähnlich beachtet werden wie Hildegard von Bingen.

Im weiteren Gefolge können ein Handwerkerhof entstehen mit Ausbildungsstätten für behinderte junge Menschen und eine weitere kulturelle Begegnungsstätte im Museum. Gestaltete Flächen des Grünlandes werden ein Zur-Ruhe-Kommen des hektischen Menschen erleichtern. Hier entsteht etwas, wo der Mensch nicht von Werbung überschüttet wird, sondern wo er sich selbst finden kann, wo er in Berührung kommen kann mit den Quellen der Kraft, mit dem Atem der Geschichte und mit einer Werteordnung von Zucht und Maß, die uns allen heute Not tut. Gewinnen kann nur der Mensch. Soweit Ordinaratsrat Willi Kraning.

"Visionen werden wahr, betitelt Bischof Leo Nowak, sein Geleitwort. Zitat: "Als Bischof von Magdeburg ist es mir ein großes Anliegen, dass das altehrwürdige Kloster Helfta wieder aufgebaut wird.

Besonders in unserer Situation benötigen wir Oasen des geistigen Lebens. Die Kirche hierzulande kann ihren Auftrag zur Evangelisierung nur erfüllen, wenn es Stätten des Gebets und des christlichen Lebens gibt, die für suchende Menschen offen sind.

Ich bin sehr froh, dass die ehrwürdige Frau Äbtissin Assumpta Schenkl aus der Zisterzienserinnenabtei Seligenthal/Landshut (Bayern) bereit ist, mit einigen Schwestern in Helfta einen Neubeginn zu wagen. Zugleich erhoffe ich mir einen geistlichen Impuls für die heute lebenden Frauen und für die ganze Gesellschaft.

Unser Bistum ist nicht in der Lage, mit eigenen Mitteln den Aufbau des Klosters zu bewältigen. Deshalb bitte ich Sie herzlich um Unterstützung.

Das Bistum Magdeburg ist von der Fläche her das viertgrößte Bistum in Deutschland. Auch wenn der Anteil der Katholiken nur 4,7 Prozent der Gesamtbevölkerung beträgt, wissen wir uns im Auftrag des Herren, das Evangelium den Menschen zu verkünden. In einem Land, in dem nur acht von hundert Kindern getauft werden, ist das besonders nötig.

Wenn Sie Helfta helfen, helfen Sie mit, dass das Lob Gottes in unserem Land nicht verstummt und dass viele von der Liebe Gottes hören und sie verstehen. Ich bin Ihnen dankbar verbunden und wünsche Ihnen von Herzen
Gottes Segen. Soweit Bischof Nowak.

Für den Magdeburger Seelsorgeamtsleiter Willi Kraning ist es ein "echtes Wunder", dass seit dem 14. August 1999 nach über 450-jähriger Unterbrechung wieder Zisterzienserinnen in Helfta leben. Ein Wunder, das dann vollkommen sein wird, wenn die erste Novizin sich dem neuen, im Wiederaufbau befindlichen Kloster anschließen wird, sagte er nach dem ersten öffentlichen Chorgebet, das die Schwestern am 14. August gemeinsam mit Bischof Leo Nowak und anderen Gästen im Speichergebäude der alten Klosteranlage gebetet haben.

Die Seligenthaler Äbtissin Assumpta Schenkl ist mit neun Schwestern nach Helfta gekommen, darunter vier sehr junge Schwestern. Sieben Ordensfrauen stammen aus dem Seligenthaler Kloster, drei lebten bisher in anderen Klöstern, eine gehört sogar einer anderen Ordensgemeinschaft an.

Bis zur Fertigstellung des Konventsgebäudes im umgebauten Mühlenhaus konnten die Schwestern in der alten Propstei wohnen. Neben Marienthal und Marienstern in Sachsen ist Helfta das dritte Zisterzienserinnenkloster in den neuen Bundesländern.

Die St.-Marien-Kirche im Kloster Helfta ist am 21. November 1999 durch Bischof Leo Nowak geweiht worden. Hunderte von Gästen aus der dem Bistum Magdeburg und von weither nahmen an der Liturgie teil. Viele Gäste hatten in der überfüllten Kirche keinen Platz und verfolgten die Kirchweihe in einem Zelt vor der Kirche, in das die Liturgie über Video übertragen wurde.

Konzelebranten waren der Generalabt der Zisterzienser, Maurus Evesta (Rom), und der Abt der Trappisten aus dem Mutterkloster Citeaux, Olivier Querandel.

Unter den zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die ein Grußwort sprachen, war auch der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner. Als Vertreter der evangelischen Kirche sprach Propst Waldemar Schewe (Halle-Naumburg).

6. Förderverein, Kontakte, Internet

Der neue "Förderverein Kloster St. Marien zu Helfta e.V. ist am 25. Februar 2000 gegründet worden. Er will das klösterliche Leben und Arbeiten sowie den weiteren Ausbau verschiedener Baulichkeiten auf dem Klosterareal mittragen. Als nächstes sollen verwirklicht werden:

Im ehemaligen Kornspeicher soll ein Klosterladen und ein Museum eingerichtet werden.
  • Die Gebäude des ehemaligen Rinderstalles werden in ein Gästehaus und kleinere Wohneinheiten (Gertrudstift) für alleinstehende Menschen umgestaltet.
  • Das bestehende Begegnungs- und Bildungshaus St. Gertrud (ehemalige Propstei) soll nach Fertigstellung der anderen Gebäude gründlich renoviert werden.
  • Ferner sind auf dem Gelände des Klosters geplant, aber nicht mit Finanzen des Fördervereins: Wohneinheiten für betreutes Wohnen und ein Pflegeheim.

Das Kloster Helfta hat eine eigene Homepage im Internet, siehe "Links", "Regional", "Sangerhausen". Dieser kleinen Präsentation wurden Sätze zum "Rundgang und die Zeichnungen entnommen.

Zum Schluss: "Porta patet, cor magis! - "Unsere Tore stehen offen, unsere Herzen noch viel mehr!

Text und Fotos von Manfred Maronde, veröffentlicht in "Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Sangerhausen und Umgebung e.V. Heft 9 - 2000"

Quellenangaben
1. Zur Geschichte der Zisterzienser: Buch "Klosterführer aller Zisterzienserklöster im deutschsprachigen Raum", heraus gegeben von Peter Pfister, Verlag Édition du Signe, F-6708 Strasbourg, Cedex 2, 2. Auflage 1998, ISBN 2-87718-596-6

2. Übersetzungen nach Prof. Dr. Dr. Ulrich Matthée, Kiel

3. Bernhard als Begründer der Marienverehrung: CD-ROM "Chronik der Weltgeschichte", United Soft Media, 1998

4. Zum Frauenkloster Helfta auf Seite 452 des Buches zu 1. heißt es: "Das Kloster lebt nach den Gebräuchen der Zisterzienser, gehört dem Orden jedoch rechtlich nicht an."

5. Zum Ursprung des Klosters: Museum "Martin Luthers Sterbehaus", Eisleben

6. Ebenso Faltblatt vom "Förderverein Kloster St. Marien zu Helfta e.V."

7. Drei Frauen von Helfta: Internet www.kloster-helfta.de

8. Zum Wiederaufbau: Internet www.tdh-online.de/archiv_1996_bis_2007/artikel/5214.php
RegionalSangerhausen