Zwischen Darmstadt und Karlsruhe
Dome, Gärten, Residenzen zu beiden Seiten des Ober-Rheins
in Süd-Hessen, Nord-Baden und der Rhein-Pfalz
Exkursion mit Dr. Werner Budesheim,
Freie Lauenburgische Akademie für Wissenschaft und Kultur e.V., Wentorf,
vom 15. bis 22. Juli 2007

Reisebericht von Manfred Maronde


1 Die Landschaft
1.1 Der Rhein und seine Begradigung
Die Abflussmenge im Oberrhein schwankte im Jahresverlauf stark: zwischen 500 m³ pro Sekunde im durchschnittlichen Winter und dem Zehnfachen nach der Schmelze eines schneereichen Winters. Um die Gefahr eines "normalen" Hochwassers bis zu 2.000 m³/S zu bannen und - in zweiter Linie - den Oberrhein zum Schifffahrtsweg zu machen, entwickelte der badische Wasserbau-Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770 - 1828) einen umfassenden Plan zur "Rektifikation" des Oberrheinlaufes. Mehrere Staatsverträge des Großherzogtums Baden mit seinen Nachbarn - Frankreich für das Elsass, Bayern für die Pfalz - waren dazu erforderlich. Der Einspruch Preußens, das erhöhte Hochwassergefahr an Mittel- und Niederrhein befürchtete, drohte zeitweise das Projekt zum Scheitern zu bringen.

Die Arbeiten begannen am nördlichen Abschnitt, wo der Oberrhein bei geringem Gefälle in weit ausholenden Flussschleifen mäandrierte. Dort wurden zwischen 1817 und 28 die ersten Durchstiche vorgenommen. Es wurden nur schmale Rinnen von 16 bis 18 Metern Breite angelegt, die der Rhein durch Tiefenerosion auf rund 300 Meter selbst ausgestaltete. Mit diesen und weiteren Durchstichen wurde der Rhein zwischen Karlsruhe und Lampertsheim an der hessischen Grenze von 135 auf 85 Kilometer verkürzt.

Ein Großschifffahrtsweg war der Oberrhein damit noch nicht, die Schifffahrt endete südlich von Mannheim. Mit der Rheinregulierung wurde Anfang des 20. Jhs. begonnen. 1907 starteten die Arbeiten zwischen Mannheim und Straßburg; sie wurden 1931 bis Basel fortgesetzt, so dass ab 1936 der Strom bis hier komplett befahrbar war. 1

1.2 Der Odenwald
Dieses Mittelgebirge schließt sich am Ostrand des Oberrheingrabens an. Zwischen Main und Neckar gelegen bildet es den Südzipfel des Landes Hessen.

Die dem Rhein zugewandte Seite besteht großenteils aus vulkanischen bzw. magmatischen Gesteinen. Sie sind bis zu einer halben Milliarde Jahre alt und zählen zu den ältesten ganz Mitteleuropas. Aus dem Erdinnern hervor gepresst, wurden im Laufe der Zeit die Deckschichten abgetragen. Der höchste Punkt ist die Neunkircher Höhe mit 605 Metern.

Der vordere Odenwald ist kuppig mit unruhigem Relief und dichter Zertalung. Statt einer agrarischen Nutzung wurde das Material in Steinbrüchen gewonnen. Nach Osten folgt dem Tal der Gersprenz das der Mümling in einer zweiten Nord-Süd-Bruchlinie. Hier dominiert der Buntsandstein, die Landschaft prägen Plateaus mit hohem Waldanteil. Das beckenartige Mümlingtal ist mit Michelstadt und Erbach das wirtschaftliche Zentrum, das wohl schon zur Römerzeit besiedelt war. 2
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2 Prähistorische Fundstätten
2.1 Glauberg bei Gießen
Der Glauberg ist eine 270 Meter hohe Basaltkuppe südlich des Vogelsberges am Ostrand der Wetterau in Hessen. Der Glauberg ist für eine Besiedlung und Befestigung besonders geeignet, weil er sein Umland um etwa 150 Meter überragt.
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Das Hochplateau ist rund 800 Meter lang und zwischen 80 und 200 Meter breit. Auf der Ebene liegt ein vom Oberflächenwasser gespeister Weiher.

Diese Hochebene war bereits in der Jungsteinzeit zur Mitte des 5. Jahrtausends v. Chr. besiedelt. In frühkeltischer Zeit, im 6. bis 5. Jh. v. Chr., entstand die erste Befestigung. Hier werden damals mehrere Tausend Menschen gelebt haben. Mit schützenden Mauern hangabwärts bis zum Quellhorizont wurde ein Wasserreservoir von 150 mal 60 Metern umschlossen.

In römischer Zeit, vom 1. bis 3. Jh. n. Chr., blieb der Glauberg wegen seiner Nähe von nur fünf Kilometern zum Limes unbesiedelt. Im 4. bzw. 5. Jh. war der Berg Sitz eines alemannischen Kleinkönigs.
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Die Franken verdrängten die Alemannen und bauten vom 7. bis 9. Jh. hier eine Großburg. Um 1250 errichteten die Staufer hier eine Reichsburg, die Glauburg, nach der heute die Gemeinde benannt ist. Das Untergeschoss des Turmes ist noch erhalten.

Am Südhang unternahmen 1988 drei Heimatforscher einen Rundflug. Im heran reifenden Getreide erkannten sie eine kreisrunde Verfärbung. Zwischen 1994 und 97 ließ das Landesamt für Denkmalpflege in Hessen die Anlage ausgraben und restaurieren. Zum Vorschein kam ein frühkeltischer Grabhügel von 50 Metern Durchmesser und einst etwa sechs Metern Höhe, umgeben von einem Kreisgraben mit zehn Metern Breite und vier Metern Tiefe, und davor eine 350 Meter lange Prozessionsstraße.
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In der Nähe fand man ein Grabenviereck mit Standspuren hölzerner Pfosten, die vielleicht zu einem Tempel gehörten. Dieser und ein später gefundener zweiter Grabhügel dienten der Körper- bzw. Feuerbestattung und waren eingeebnet. Nach der Abnahme der schützenden Steinpackung wurde das gesamte Grab in eine spezielle Holzpackung gelegt und in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes frei gelegt. 3  - Die rekonstruierten Gräben und Hügel haben wir bestiegen, trotz der sengenden Mittagssonne. Auf die "Eroberung" der Höhenburg verzichteten wir.

Die Gräber dreier Kriegerfürsten belegen deren heraus gehobene Stellung. Sie zählen zu den prachtvollsten aus frühkeltischer Zeit, dem 5. Jh. v. Chr. Eine Sensation war der Fund einer lebensgroßen Sandsteinfigur, 4 ½ Zentner schwer. Die bis auf die Füße vollständige Statue trägt einen Kompositpanzer aus Griechenland mit Schild und Schwert, wie uns Herr Georg Brehm erklärte. Oben ziert ihn eine haubenartige Kopfbedeckung, an der zwei Micky-Maus-Ohren befestigt zu sein scheinen. Es soll sich um die Nachbildung eines Mistelzweiges handeln. Später wurden Teile von drei weiteren Steinfiguren gefunden. Zu den kostbaren Grabbeigaben gehören eine bronzene Schnabelkanne, ein goldener Halsreif, zwei goldene Ohrringe, ein goldener Fingerring, ein goldener und drei bronzene Armringe, ein bronzener Gürtelhaken und eine Bronzefibel, dazu Lanzenspitzen und Waffen. Mehrere der genannten Schmuckstücke sind auch an der Statue zu sehen.

Wir schauten uns das kleine Heimatmuseum in Glauburg an. Dort steht mitten im Raum eine Nachbildung der Steinstatue. Das Original und die Bruchstücke der drei anderen sind im hessischen Landesmuseum, etwas versteckt im Keller, eindrucksvoll aufgestellt, und wurden von uns ebenfalls betrachtet. Bis Ende 2009 soll für rund 6 Mio. Euro in Glauburg ein neues Keltenmuseum entstehen. 4

2.2 Grube Messel bei Darmstadt
Messel ist eine Gemeinde mit etwa 4.000 Einwohnern 9 Kilometer nordöstlich von Darmstadt. Südlich des Ortes liegt ein fast 200 Meter mächtiges Ölschiefer-Vorkommen, das mit seiner 65 Hektar großen Grube den Ort bekannt gemacht hat. Die Ölschiefergrube Messel erinnert an das Erdzeitalter des Eozän, die Zeit vor 38 bis 55 Mio. Jahren.
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Die Küste der "Nordsee" verlief damals auf einer Linie von Osnabrück bis Magdeburg. Der Rand des "Mittelmeeres" erstreckte sich von Zürich nach Wien. Dazwischen lag eine Landmasse mit dichtem tropischen Regenwald. Wegen der Kontinentaldrift, der Plattentektonik, welche die afrikanische Platte seit 70 Mio. Jahren nach Norden unter die eurasische Platte drückt, lag Mitteleuropa damals etwa 1.000 Kilometer weiter südlich.

Der Naturforscher Rudolph Ludwig entdeckte 1875 in den mächtigen Ölschiefervorkommen den Knochenabdruck eines Krokodils. Die Fachleute für Versteinerungskunde, wie man die Paläontologie im 19. Jh. noch nannte, wurden hellhörig. Zwischen 1859 und 1971 wurden Eisenerz, Braunkohle und etwa 20 Mio. Kubikmeter bituminöser Tonstein abgebaut. In Schwelöfen wurde bei 600 ° etwa eine Mio. Tonnen Rohöl - die Ladung von fünf Supertankern - zu Paraffin, Benzin u.a. verdampft. Trotzdem bleibt die wissenschaftliche Ausbeute beachtlich: Im Sommer 1995 wurden 1.863 Pflanzenreste, 346 Fische, 14 Vögel, 10 Fledermäuse und 3 Reptilien frei gelegt. Entdeckt wurden bisher 32 Arten von Säugetieren, wobei das "Urpferdchen" mit seinen 14 Hufen - an jeder Zehe einem - besondere Aufmerksamkeit fand.

Die sehr gut erhaltene  subtropische bis tropische Pflanzenwelt von damals zeigt sich mit Palmen, Lorbeer-, Walnuss-, Maulbeergewächsen, Myrten, Seerosen und Weinreben. Aus dem Tierreich findet man Insektenfresser, Fledermäuse, Beutelratten, Nagetiere, Raubtiere, Halbaffen sowie Frösche, Schildkröten, Fische, Vögel und Insekten. 5  Es heißt, was Pompeji für die Archäologie bedeute, sei Messel für die Paläontologie. 6
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Nach Einstellung des Ölschieferabbaus war geplant, die Grube mit Haus- und Sondermüll zu verfüllen (Betonrampen hinter Zaun unten im Bild). Zwei Jahrzehnte lange Proteste von Wissenschaftlern und Anwohnern sowie ein drastisch gesunkenes Müllaufkommen führten 1990 zur Aufgabe der Pläne. 7 Die Umladerampen waren da bereits fertig aus Beton gegossen, für Zäune und Wege sowie Pumpen bereits 65 Mio. D-Mark investiert. Das Land Hessen entschädigte den Abfallzweckverband mit 326 Mio. D-Mark und übernahm das Grundstück. 8

Seit 1995 steht die Grube Messel mit der Nummer 460 auf der Liste des Weltnaturerbes der UNESCO. Dazu wurde die "Welterbe Grube Messel gGmbH" gegründet. 9  Die Besucher werden in die Zeit des Eozäns zurück versetzt. Sie kommen auf einem kargen, mit stabilen Zäunen gesichertem Areal an. Das Gelände ist seit 2004 begehbar, ein Container mit einer Info-Station wird seit 2005 betrieben, wo man Eintrittskarten, Literatur, Getränke und die heute unvermeidlichen Souvenirs mit dem Logo des Urpferdchens kaufen kann.
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Der umzäunte Asphaltweg führt zunächst zu einer Aussichtsplattform am Grubenrand. Dort ist der Überblick des gesamten Areals bis zur Sohle der Grube möglich. Schrifttafeln und ein Teleskop führen in das Thema ein. Das Grubengelände selbst unterliegt dem Bergrecht, wie unser Führer, ein gut Deutsch sprechender Amerikaner namens Mike Walker, uns ermahnt (im Container stehend). Der Zutritt ist - nur mit geeignetem Schuhwerk und witterungsgemäßer Kleidung - nur im Rahmen von Führungen möglich, ein massives Metalltor verhindert wilde Grabungen.

Auch die Mitnahme von Fundstücken ist verboten. Vom einstündigen "Grubenspaziergang", den wir gebucht hatten, über die zweistündige "Grubenwandertour" bis zu speziellen Gruppenaktivitäten für Erwachsene und Kinder reicht das Angebot.

Geforscht wird weiterhin, vor allem vom Frankfurter Senckenberg-Museum aus. Eine 430 Meter tiefe Bohrung vom Grubengrund ergab, dass die Schieferschichten noch weitere 110 Meter hinunter reichen. Es folgen über 110 Meter Sande und Tone. Darunter liegen Aschen und Tuffe, was den Krater als Vulkantopf erklärt. Im Explosionstrichter eines bis zu 300 Meter tiefen Maares lagerten sich über 1 ½ Mio. Jahre Sedimente unter Sauerstoffabschluss ab. Algenmatten auf dem See sind am Boden zu papierdünnen Schichten (Foto mit 5-Cent-Münze zum Vergleich) zusammen gedrückt worden.
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Eingestürzte Tiere konnten unten ohne Sauerstoff nicht verwesen. Alle 5 bis 8 Minuten finden die Wissenschaftler Einschlüsse wie Lorbeerblätter, Fische nur zweimal die Woche und ein Krokodil nur alle sieben Jahre - wie eines von 1,40 Metern Länge in diesem April. Die Fossilien enthalten noch 40 % Wasser und trocknen schnell aus. Ameisenflügel und Prachtkäfer verlieren ihre Farben binnen 10 Minuten und müssen zuvor fotografiert - oder mit Exposidharz beidseitig geschützt sein, bevor sie schwarz oxydieren können (unten: Urpferdchen).

Wo sind die Funde aus der Grube Messel heute zu sehen? Eine Messel-Ausstellung zeigt das Senckenberg-Museum in Frankfurt am Main, 10 welches wir mit Dr. Budesheim während der Main-Exkursion besichtigten und das auch heute noch Grabungen durchführen darf. Geforscht wird auf den Gebieten der historischen Geologie, aquatischen und terrestrischen Zoologie, Botanik und mehreren Feldern der Paläontologie. -
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Das Hessische Landesmuseum Darmstadt 11 besitzt eine der ältesten und weltweit bedeutendsten Sammlungen aus Messel. Diese sind im Obergeschoss ganz links zu finden. Zur Zeit - vom 29. März bis 30. September 2007 - findet im Untergeschoss vorn rechts die Sonderausstellung "Messel on Tour" statt, die wir auf dieser Reise angeschaut haben. - Und drittens zeigt der Museumsverein Messel e.V. in der Gemeinde Messel eine repräsentative Übersicht der Fossilfunde. Im Erdgeschoss wird zudem die Industriegeschichte des Mineralölwerkes mit einem Modell der Schwelöfen vorgestellt (Abbildung links). 12

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