Paul Carl Beiersdorf
Apotheker und Firmengründer
Geboren am 26. März 1836 in Neuruppin
Gestorben am 17. Dezember 1896 in Hamburg
Paul Carl Beiersdorf
Er half, Haut zu heilen
Paul Beiersdorf hat eine der bedeutendsten Firmen Deutschlands gegründet / Groß gemacht hat sie ein anderer

NEURUPPIN - Kurz vor dem Ende des Schuljahres erfährt Carl Albert Beiersdorf, Schüler des Christianeums in Hamburg und Sohn des Unternehmers Paul Beiersdorf, dass er nicht versetzt wird. Mit schlotternden Knien kommt der 16-Jährige zu Hause an. Dort ist niemand anzutreffen. Der ehrgeizige Vater ist, wie gewohnt, im Labor, um neue Ideen auszuprobieren. Der Junge greift sich den Revolver und setzt sich auf die Parkbank vors Haus. Er hält sich den Lauf an die Schläfe und drückt ab.

So makaber es scheinen mag, aber ohne dieses erschütternde Ereignis hätte der Name Beiersdorf nie seinen unternehmerischen Siegeszug über den Globus angetreten. Dehn Paul Beiersdorf überwindet den Tod des Sohnes nie, fühlt sich nicht mehr in der Lage, die Geschäfte zu führen, und verkauft sein Labor an einen jungen Mann namens Oscar Troplowitz. Erst dieser hat das Geld, das nötige ökonomische Gespür und die Innovationskraft, um aus der Firma Beiersdorf ein weltumspannendes Unternehmen zu machen.

Der Name Beiersdorf hat bereits im 18. und 19. Jahrhundert einen guten Klang - zumindest in Neuruppin. Die Familie ließ sich 1695 in der Stadt nieder. Das Archiv des Hamburger Unternehmens vermerkt, dass die Kaufmannsfamilie "Einfluss und Ansehen gewann" und "Bürgermeister und Ratsherren hervorbrachte". Die gebratenen Tauben werden Carl Paul Beiersdorf dennoch nicht in den Mund fliegen, als er ais fünftes von sechs Kindern in Neuruppin am 26. März 1836 zur Welt kommt. Das Gymnasium schließt er ohne Abitur ab, um eine Apothekerlehre zu machen. In Berlin studiert er Pharmazie. Nach Staatsexamen und Approbation zieht es ihn weit weg: In Moskau übernimmt er die technische Leitung einer Fabrik und kehrt 1864 als Mitinhaber einer Firma, die optische Instrumente herstellt, nach Berlin zurück. Zehn Jahre darauf verlässt er das gut gehende Unternehmen, um sich selbst etwas aufzubauen: Er kehrt zu seinen Leisten zurück und erwirbt nacheinander Apotheken in kleinen preußischen Städten, Bärwalde und Grünberg, die heute jenseits der Oder liegen.

Doch seine Absicht, in einer großen Stadt als selbstständiger Unternehmer Fuß zu fassen, erfüllt sich erst im Alter von 44 Jahren. Ihm gelingt es, eine Apotheke in Hamburg, dem "Tor zur Welt", zu erwerben. Ein Fehlgriff, wie sich herausstellen sollte. Der Vorbesitzer war aus Südamerika gekommen, wo Pharmazeuten gerne diagnostizieren, eine laxe Praxis, die Hamburger Ärzte gar nicht mögen. Der Ruf dieser Apotheke ist schlecht. Beiersdorf verspürt es an ausbleibender Kundschaft. Er versucht erfolglos, mit Schreiben an die Behörden unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Er benennt die Apotheke um. Es half nicht. Doch gelingt es ihm, das freundschaftliche Vertrauen des jungen Hautarztes Paul Unna zu gewinnen, der mit den damaligen Therapiemethoden sehr unzufrieden ist.

In einer Zeit, in der der Griff zur Salbe im Spiegelschrank noch Zukunftsmusik ist, sind es warme Pflastermulle, die, mit Arzneien bestrichen, auf kranke Hautstellen zur Heilung aufgelegt werden. Doch diese Pflaster sind mit Harzen versetzt, die häufig allergische Reaktionen auslösen. Außerdem liegen sie nie gut auf der Haut auf, so dass die Arzneien nicht ihre volle Wirkung entfalten. Unna hat genaue Vorstellungen, was ein optimales Pflastermull können muss: eine möglichst starke Tiefenwirkung entwickeln, mit wenig Zusatzstoffen auskommen, so dass der Arzneianteil höher wird, und am besten bei Zimmertemperatur kleben. Doch umsetzen kann er seine Idee nicht. Dafür braucht Unna jemanden, der in seiner Karriere viele pharmazeutische und physikalische Erkenntnisse gesammelt hat und, wirtschaftlich noch unten stehend, mit viel Ehrgeiz an die Sache geht: Paul Beiersdorf arbeitet unermüdlich, bis er die so genannte Guttaplaste entwickelt hat. Er verbindet Pflastermulle mit Guttapercha-Papier, das für Hautausdünstungen undurchlässig ist. Das steigert die Tiefenwirkung enorm. Außerdem arbeitet er in dieses Produkt Kautschuk ein. Jetzt klebt es ohne Harze und sogar dann, wenn es kalt ist.  Guttaplaste meldet Beiersdorf zwei Tage nach seinem 46. Geburtstag als Patent an. Der 28. März 1882 gilt als Datum der Firmengründung.

Unna ist begeistert von dem Produkt und mit ihm viele andere Hautärzte.  Das Unternehmen flotiert, wenn auch in bescheidenem Umfang. Denn große Investitionen zu tätigen, ist Beiersdorfs Sache nicht. Seine Mitarbeiter beschriften die Etiketten mit de Hand und tüten sie persönlich ein. Mit solchen Arbeitsmethoden kann nur eine begrenzte Anzahl von Aufträge pro Tag bearbeitet werden. Neue Produkte sind Abwandlungen vorheriger Guttaplaste und gehen auf Unnas Anregungen zurück, der Beiersdorf erzählt, wo es buchstäblich auf der Haut brennt. Immerhin wächst die Bandbreite von 54 verschiedenen Guttalaste-Erzeugnissen 1882 auf 105 im Jahr 1890. Der Umsatz steigt, und das Labor mitten in einem Wohnhaus in Altona wird zu eng. Im Schicksalsjahr 1890 lässt Beiersdorf auf einem leeren, nur gemieteten Grundstück - für den Kauf reicht das Geld nicht - ein Wohnhaus und eine Fabrik errichten. Arbeiten sollte er darin nicht mehr. Als der älteste Sohn sich in aller Öffentlichkeit erschießt, hat er nicht mehr die seelische Kraft, das Labor mit seinen elf Mitarbeitern zu führen.

In dem 27-jährigen Oscar Troplowitz ist ein Käufer gefunden. Der aus Schlesien stammende junge Mann hat ich in eine reiche Bürgerfamilie eingeheiratet und hält ich nicht an Beiersdorfs altbackenen Ratschlag, bei der Produktion weiterhin auf Guttapercha-Pflastermulle zu setzen. Troplowitz übernimmt lieber Kautschuk-Baumwollpflaster, wie sie in den USA populär sind, und verpasst ihnen eine für eitle Menschen schöne Farbe, nämlich die der Haut. Außerdem investiert er in die Entwicklung von Seifen, Salben, Puder und Haarmilch, die unter dem Markenamen Nivea weltweit bekannt werden.

Beiersdorf erlebt das nicht mehr. Er arbeitet auch nach 1890 noch weiter, erfindet eine Schweiß aufsaugende Einlegesohle - deren Patent Troplowitz ihm abkauft. Irgendwann will er wieder ins Geschäft. Doch die Behörden erlauben es ihm nicht, Leute zu beschäftigen. Trotz Firmenverkaufs geht es Beiersdorf wegen vieler Hypotheken offenbar finanziell zu schlecht.  Verzweifelt geht der 60-Jährige am 17. Dezember 1896 nach Berlin ins Kultusministerium und erfragt eine Audienz bei dem fürs Apothekenwesen zuständigen Obermedizinalrat. Der wird sich vielleicht nur gewundert haben, was der ältere Herr da von ihm will, und weist ihn ab. Der seelisch zerrüttete Apotheker hat sich für einen neuerlichen Tiefschlag präpariert.  Er schluckt das Gift, das er bei sich trägt, spektakulär noch im Ministerium, und "stirbt auf der Stelle", wie das Beiersdorf-Archiv vermerkt.

"Tadellos"
Er hatte zwei vortreffliche Eigenschaften ... die hohe Achtung vor wissenschaftlicher Arbeit auf der einen Seite und der feste Wille, für deren Ergebnisse jederlei Opfer zu bringen...
Die zärtliche Liebe Beiersdorfs für seine nach langwierigen Versuchen entstandenen tadellosen Präparate wurde nur noch übertroffen durch seine Missachtung aller auf halber Stufe stehen gebliebenen oder irgendwie fehlerhaften Erzeugnisse. So kam es, dass die Achtung im Publikum vor seinen Präparaten Jahr für Jahr stieg, so dass ,Beiersdorf' und tadellos synonyme Begriffe wurden. Paul Unna
Quelle: " Historische Skizzen IV", Beiersdorf-Archiv Hamburg

Bildunterschrift (nicht hier im Internet): Ein Firmengründer aus Neuruppin: Paul Carl Beiersdorf.
Quelle: Hans Gradenwitz: "Die Entwicklung der Firma Paul Beiersdorf & Co. Hamburg bis zum 1. Oktober 1915

Nicht nur Schinkel und Fontane sind in Neuruppin geboren. Auch andere Persönlichkeiten, die sich einen Namen gemacht haben. Der Ruppiner Anzeiger stellt Berühmtheiten vor, die in der Fontanestadt ihre Wiege stehen hatten.

11. März 2006, Ruppiner Anzeiger, Christian Schönberg
Quelle des Fotos: Internet: http://www.beiersdorf.de/Area-About-us/Unternehmensgeschichte/Gruendungsgeschichte.aspx?l=1
Biografien