Dorfkirchen in Mecklenburg
Studienreise mit Frau Heidi Gerber vorm. Büttner,
Deutsche Stiftung Denkmalschutz,

vom 19. - 22. April 2007

1 Geschichte
1.1 Das Land Mecklenburg
"As uns' Herrgott de Welt erschaffen ded, fung hei bi Meckelnborg an... Op dese Ort in und' Meckelnborg worden, un schön is ät in'n ganzen worden, dat weit jeder..." So lobte der Schriftsteller Fritz Reuter seine Heimat.

An der Schönheit Mecklenburgs hegt niemand von uns Zweifel. Wir beginnen heute die Geschichte Mecklenburgs mit der letzten Eiszeit, die vor etwa 10.000 Jahren zu Ende ging. Nach der Eisschmelze lebten auf diesem Boden indo-germanische Sippen, aus denen germanische Stämme entstanden, wie die Burgunder, Langobarden, Angeln, Heruler, Warnen und Semnonen.

Während der Völkerwanderung, zwischen 350 und 600 unserer Zeitrechnung, verließen sie ihr Siedlungsgebiet. In das fast leere Land sickerten langsam slawische Stämme ein, wie Ranen, Obodriten (auch Obotriten, Abotriten), Lutizen oder Wilzen. Diese Siedler beherrschten das Land rund sechs Jahrhunderte und hinterließen Burgwälle, Sagen und Ortsnamen. (Fotos rechts: Feldlandschaft mit blühendem Raps und Obstbäumen bei Kirch Grubenhagen, unten: Teiche am Schloss in Basedow)
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In einer Urkunde von Kaiser Otto III. in der Nähe von Wismar wurde 955 erstmalig der Name "Michelenburg" als Ausstellungsort genannt. Im Altsächsischen bedeutete "mikil" groß, das Wort "Mikilinborg" war gebräuchlich. Der Name, mittelniederdeutsch "Mekelenborch", später Mecklenburg - bitte lang wie "Meeklenburg" sprechen, denn das c war ein Dehnungszeichen wie auch in Lübeck und Bleckede - genannt, übertrug sich von der Burganlage mit dem hohen noch heute sichtbaren Rundwall auf den Herrschaftsbezirk und später auf das ganze Obodritenland. Lateinisiert heißt es "Magna polis" in Urkunden.

Das Gebiet wird begrenzt von Trave, Wakenitz, Ratzeburger See und Schaalsee im Westen, dann der Elbe im Südwesten, und den drei Flüssen Recknitz, Trebel und Peene im Nordosten. 1

Unter Kaiser Heinrich I. begann 928/929 die deutsche Ostexpansion, von der sich die unterlegenen Obodriten 983 zunächst wieder befreien konnten. Erst in der Mitte des 12. Jh. kam es zu neuen Eroberungs-Vorstößen. 1160 fiel Niklot, der letzte Obodritenfürst, im Kampf gegen den Sachsenherzog Heinrich den Löwen. Niklots Sohn Pribislaw ließ sich taufen, erhielt Heinrichs Tochter Mechthild zur Frau und sein Land "Terra Obodritorum" als Lehen zurück - und wurde zum Stammvater des mecklenburgischen Fürstenhauses bis zum Ende der Monarchie in Deutschland 1918.

Deutsche Siedler aus Flandern, Friesland, Franken, dem Rheinland, Westfalen, (Nieder-) Sachsen und Holstein verdrängten die Slawen aus ihren Dörfern und von ihren Feldern. In der zweiten Hälfte des 12. Jh. entstanden zahlreiche neue deutsche Dörfer. Die Slawen wurden allmählich germanisiert. Der Enkel des zum Reichsfürsten erhobenen Pribislaw, Heinrich Borwin II., teilte 1226 seinen Besitz unter vier Söhnen in der Ersten Landesteilung in die Linien Mecklenburg, Parchim, Rostock und Werle. Die bedeutendste Linie war die von Werle, einer alten Obodritenburg bei Güstrow. Zu ihr gehörte eine Landschaft mit dem märchenhaften Namen "Zirzipanien" oder "Circipanien", was auf Slawisch "zerez Panie", also jenseits der Peene, bedeutet. Das vorher brandenburgische Stargard im Osten erwarben die Fürsten 1292. Durch Kaiser Karl IV. wurden 1348 die beiden Mecklenburg unter Albrecht und Johann zu Herzogtümern erhoben. Mecklenburg konnte 1358 die Grafschaft Schwerin kaufen. Mitte des 15. Jh. waren alle Linien bis auf die von Mecklenburg erloschen. 2

Karte 1: Mecklenburg um 1300
Mecklenburg um 1300

Die Reformationszeit markiert auch in Mecklenburg eine geistige, kulturelle und politische Wende. Das Land wurde rasch ganz und gar protestantisch, 1549 reformiert durch Johannes Bugenhagen, den Freund Martin Luthers. Mecklenburg erlebte keinen Bildersturm und keine Gegenreformation - daher finden wir noch heute so viele Zeugnisse aus der Epoche der Renaissance.

1621 wurde Mecklenburg im Rahmen der Zweiten Landesteilung in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow getrennt. Eine eher kurze Epoche blieb von 1628 - 29 Albrecht von Wallenstein als Herzog. Der Feldherr besiegte ein Heer des mit den Mecklenburgern verbündeten Dänenkönigs Christian IV., wofür Wallenstein vom Kaiser Mecklenburg als Pfand für seine Kriegskosten bekam. 1631 wurde der geflüchtete Herzog Hans Albrecht vom Schwedenkönig Gustav Adolf wieder eingesetzt. Nach Herzog Gustav Adolfs Tod 1695 erlosch die Güstrower Linie.

Karte 2: Mecklenburg von 1815 - 1918
Mecklenburg von 1815 - 1918

Mit der Dritten Landesteilung durch den Hamburger Erbvergleich entstand neben Mecklenburg-Schwerin mit Herzog Friedrich Wilhelm noch das kleinere Mecklenburg-Strelitz mit Stargard im Osten und dem einstigen Fürstbistum Ratzeburg im Westen unter Herzog Adolf Friedrich II. Trotz der unbeschränkten Landeshoheit der Herzöge blieben weiterhin einige gemeinsame Einrichtungen, insbes. die Union der Stände und damit ein gemeinsamer Landtag, der nur von Schwerin aus eingeladen werden durfte. - Von 1806 - 12 wurde Mecklenburg von Truppen Napoleons I. besetzt. Mit dem Beitritt zum Norddeutschen Bund trat der paradoxe Zustand ein, dass die Mecklenburger zwar den Reichstag wählen durften, nicht aber die Repräsentativorgane ihres eigenen Landes. Die Majorität der Ritterschaft wies dies noch 1908 zurück.

Die Macht mussten die mecklenburgischen Fürsten bis 1918 mit den Ständen teilen; ihnen gehörten die Bürgermeister der Städte, die Geistlichkeit und die ritterlichen Großgrundbesitzer an. Dem Niedergang der Stadtkultur folgte der Aufstieg des Feudaladels und der Fürsten.
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Mit dem Dreißigjährigen Krieg fiel Mecklenburg in die Bedeutungslosigkeit. Die Bauernschaft verkam in härtester Leibeigenschaft, der schlimmsten in Deutschland. Das "Bauernlegen" vertrieb im 17. Jh. die Bauern von ihren Höfen und machte die Großgrundbesitzer reicher.

Trotz der Aufhebung der Leibeigenschaft 1820 blieb Mecklenburg das Land der Tagelöhner und Junker, rückständiger als andere deutsche Länder. Nach Meinung der Gutsherrschaft hatte ein Bisschen Lesen, Schreiben und Rechnen genügt, mehr war von Übel. Wer etwas werden wollte, verließ das Land.

Reichskanzler Otto von Bismarck wird die Bemerkung zugeschrieben, dass er, wenn die Welt unterginge, nach Mecklenburg gehen werde, da dort alles 50 Jahre später geschehe. (Im Foto links: Mecklenburgisches Wappen am Tor des Schlosses zu Güstrow, unten: stille Straße in Gadebusch)

Durch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 verlor Mecklenburg seine Exklaven in Schleswig-Holstein wie den Domhof in Ratzeburg und die Gemeinden Hammer, Mannhagen, Panten, Horst und Walksfelde an Schleswig-Holstein, dem das Herzogtum Lauenburg eingegliedert wurde. Utecht und Schattin musste die ebenfalls in Schleswig-Holstein integrierte Hansestadt Lübeck an Mecklenburg abgeben. - Am 13. November 1945 wurde die Zonengrenze im sog. Barber-Ljaschtschenko-Abkommen begradigt; Ratzeburgs Nachbargemeinden Bäk, Mechow, Römnitz und Ziethen kamen zum britisch besetzten Kreis Lauenburg, während dieser Dechow, Lassahn und Thurow an die Sowjetzone abgab. 3
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Nach 1945 wollten die neuen Machthaber eine "Kultur befreiter Menschen" schaffen. Diese fußte auf einer staatlich gelenkten Wirtschaft und einem sehr eingeschränkten Freiheits- und Kulturverständnis bis hin zum gelenkten Denken. Diesem Verständnis waren die Kirchen und Herrenhäuser als Zeugnisse der Kultur einer "Ausbeutergesellschaft" verdächtig; Schlösser, Herrenhäuser und Wirtschaftsgebäude auf den Gütern wurden "zum Zwecke der Baustoffgewinnung planmäßig abgerissen" oder verkamen, sofern sie keinen kommunalen Zwecken zugeführt werden konnten. Gleichförmige, unschöne Neubauten in Großblockbauweise wurden sogar an den Dorfrändern aufgestellt. 4

1.2 Die Baukunst
Unbesiedelte Gebiete wurden häufig vom Orden der Zisterzienser urbar gemacht; sie gründeten Klöster in Doberan (1171, das Münster ist eines der eindrucksvollsten Zeugnisse der Backsteingotik), Dargun (1172, Ruine), Bergen auf Rügen (1193, Kirche historistisch umgestaltet), Eldena bei Greifswald (von Dänen errichtet 1199, romantische Ruine), Verchen (um 1200), Neukloster-Sonnenkamp (1219), Dobbertin (1227), Neuenkamp (1231) und Zarrentin am Schaalsee (1246). Die Kulturleistung der Zisterzienser für die bäuerliche Besiedlung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die meist nichtdeutschen Zisterzienser legten mit den erfahrenen Flamen Sümpfe trocken und erschlossen das bis dahin unbewohnbare Land.
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Der Dom in Schwerin wurde bereits aus dem so charakteristischen Baustoff, dem Backstein, ab 1172 erbaut. Nirgendwo an der südlichen Ostseeküste war abbaubarer Haustein vorhanden. Was vorkam, waren Findlinge aus der Eiszeit. Aus deren harten Granit wurden vor allem im 13. Jh. die wuchtigen Dorfkirchen errichtet, welche die flache oder wellige Landschaft bestimmen. Die Stadtkirchen wurden häufig nach dem in Westfalen und (Nieder-) Sachsen erprobten Schema als Hallenkirchen angelegt, wie in Gadebusch. (rechts: Gewände romanisches Südportal)

Die älteste Stadt Mecklenburgs ist Schwerin, sie wurde von Heinrich dem Löwen nach der Eroberung 1160 gegründet. Das 13. Jh. brachte die meisten Städte hervor; 37 der 60 in der Mitte des 20. Jh. bestehenden Städte sind so alt.

Gutshäuser und Schlösser wurden ab dem Beginn der Neuzeit von ausländischen Künstlern errichtet, vor allem aus den Niederlanden und Italien. In den Städten wurden die Fassaden breiter und durch Putzflächen, Backstein und teuren Haustein belebt. Seit dem 17. Jh. wurden Bürgerhäuser verputzt; statt Giebelhäuser entstanden die breiteren Traufhäuser.

1.3 Romanik und Gotik
Die Romanik ist erdverbunden. Ihre Kirchen sind Himmelsburgen. Sie baut kleine Fenster in gewaltige Mauern. Der runde Bogen ist ihr Charakteristikum. Die Räume sind nach oben mit wuchtigen Holzbalkendecken geschlossen. Das Modell für den Kirchenbau ist die Schutz- und Trutzburg gegen die Mächte der Finsternis in einer gottfeindlichen Welt.

Die Gotik entdeckt den Kosmos, die Weite. Der Mensch fühlt sich ganz klein im Angesicht der Größe des Universums. Der spitze Bogen führt den Blick in die Höhe. Die Gotik gestaltet in ihren Räumen das himmlische Jerusalem, die Stadt Gottes, die sich aus dem Himmel herab senkt. Der Raum ist von Licht durchflutet. Die Vertikale betont die Höhe. 5


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