Ballade vom Bodensee
"Gott Vater,
Dir sei Dank gebracht,
Du hast den See so schön gemacht,
inmitten Deiner Schöpfung.
Du bist der Herr der ganzen Welt,
der sie erschuf und auch erhält,
Dir sei Lob, Preis und Ehre."

Bevor auch Sie in diesen Lobgesang einstimmen, der unter anderem vor der barocken Wallfahrtskirche Birnau (hierzu später mehr) angeschrieben steht, möchte ich etwas weiter ausholen.

Entstanden ist der Bodensee - wie so viele andere Seen - in der Eiszeit, vor allem der letzten, der Würmeiszeit. Der Rheingletscher hat ihn ausgeschürft und erhält ihn mit seinen Wassermassen (wenn Sie diesen Verdienst nicht Gott Vater zuschreiben möchten). Andererseits verfüllt der Rhein mit seinen Sedimenten den See, aber das wird noch 20.000 Jahre dauern.

Doch was gibt der See seinen Anwohnern? Was hat schon in so früher Zeit Menschen hier siedeln lassen?
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Neben dem Trinkwasser, auch aus seinen zahlreichen Zuflüssen, bot er Schutz. So konnten an seinem Ufer Dörfer auf Pfählen errichtet werden, wie wir ein nachgebautes aus den Jahren 1922 bis 1940 in Unteruhldingen besichtigen konnten. Vor 6.000 Jahren begann die Besiedlung und dauerte bis an das 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Ob die Häuser wirklich so "luxuriös" eingerichtet waren, steht heute in Zweifel. Man spricht von "einem Museum im Museum". Gezeigt wird auch in einem Wasserbecken ein Taucher bei den Ausgrabungsarbeiten, der jedoch zwei einheimischen Jungen nur den Spruch "Der ischt sischer längscht verpfuhlet" abnötigte.

Daten:
Fläche:     538,5 km²
Länge:       63,5 km
Breite:      14   km
Uferlänge:  265   km
Wassermenge: 50 Mrd. m³
Seespiegelhöhe
über dem Meer: 396 m
Tiefe:
  mittlere  90 m
  maximale 252 m
Bestandteile:
  Obersee,
  Überlinger See
  Untersee
Zuflüsse: 236
Einzugsgebiet: 10.900 km²

So spricht man Alemannisch. Dieser germanische Mischstamm ("alle Männer") besiedelte das Gebiet zwischen Rhein, Donau und Alpen, eben rund um das "Schwäbische Meer", das die Römer nach der österreichischen, heute Bregenz genannten, Stadt "Lacus Bricantinus" nannten. Der heutige Name entstand in karolingischer Zeit nach der Königspfalz Podama oder Bodomar, gelegen auf der Landzunge zwischen Überlinger und Untersee.

Wer bisher angenommen hatte, das Christentum habe sich über den Alpenkamm in den Bodeseeraum ausgebreitet, irrt. Im Jahre 612 kam der irische Eremit St. Gallus in die Wälder bei der heute schweizerischen Stadt St. Gallen. Ob er sich - wie das Wappen zeigt - sein Holz von einem Bären tragen ließ, ist ungewiss. Gut hundert Jahre später wurde hier ein Kloster nach der strengen Regel "Ora et labora - bete und arbeite" des heiligen Benedikt von Nursia gebaut.

Wenn in St. Gallen heute nichts mehr aus dieser Entstehungszeit erhalten ist (dafür aber aus einer späteren Epoche um so mehr), werden wir auf der Insel Reichenau fündig. Gartenliebhaber werden jetzt sofort hellhörig: Gilt doch neben der Blumeninsel Mainau die Reichenau als Gemüseinsel im Bodensee. Diesen Ruf verdient die "reiche Au" dem Dichtermönch und Naturkundler Walahfrid Strabo, Verfasser des "Hortulus", Abt von 838/42 bis 849 im Benediktinerkloster auf der Insel, das diese praktisch ganz ausfüllte mit ihren zwölf Kirchen, von denen heute noch drei zu bestaunen sind. Das Besondere sind die originalen Wandmalereien mit Szenen aus dem Neuen Testament, so im Münster St. Georg in Oberzell (Bild rechts).
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Ob die Anlage dem idealen Klosterplan in der Stiftsbibliothek in St. Gallen entsprach, wissen wir nicht. Dieser Ideal-Grundriss ist in der seit 1983 zum "Weltkulturerbe" der UNESCO erklärten barocken Klosteranlage zu sehen. Wenn der prächtige barocke Saal auch nicht fotografiert werden darf, können die rund 140.000 Bücher dennoch gelesen werden, was Wissenschaftler aus aller Welt anlockt.

Bevor wir uns nun gedanklich aus den Klostermauern in weltliche Gefilde begeben wollen, lassen Sie mich auf das Stichwort "Barock" (es kommt übrigens aus dem Portugiesischen und bedeutet "ungleichmäßig") zu einem anderen, nicht minder bedeutenden Orden kommen: den Zisterziensern. Dieser bedeutende Reformorden des 12. Jahrhunderts, der vor zwei Jahren sein 900-jähriges Bestehen feierte, besaß in seiner Blütezeit 404 Klöster im deutschsprachigen Raum und rund 1.600 in Europa von Portugal bis Estland. Das Kloster Salem ist eines der prächtigsten. Während die Kirche gotisch schlicht mit nur wenigen barocken Zutaten versehen ist, erleben wir die helle Pracht in der Bibliothek und im Kaisersaal, in dem die dunklen "Armleuchter" besonders auffallen.
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Gänzlich barock ist die Wallfahrtskirche Birnau (links), die oberhalb Salems mit herrlichem Seeblick liegt. Noch "barocker", will sagen fröhlicher, erschien uns der Mönch Pachomius, der sogar Nonnen im zahlreichen Publikum zum Schmunzeln brachte. Beim Erklären des Spiegels hoch in der  Kuppel gab er uns drei Lehren auf den Weg: 1. Jeder muss seinen Standpunkt finden. 2. Kleine statt große Schritte machen. 3. Dabei immer auf dem Teppich bleiben!

Salem, fragen Sie, da war doch was. Richtig, hier wurde 1758 eine Witwen- und Waisenkasse eingerichtet, die zur ältesten Sparkasse Deutschlands wurde. Die weitläufige Anlage ist nicht nur Wohnsitz der Markgrafen von Baden, sondern seit fast 200 Jahren berühmte Internatsschule.

Damit sind wir im weltlichen Leben angelangt. Was gibt der See den Menschen heute? Beginnen wir mit dem Wasser. Es kann auf Fähr- und Fahrgastschiffen befahren, vielleicht auch bald wieder mit Luftschiffen überfahren, oder auch mit eigener Kraft erobert werden. Von den schönen alten Städten mit ihrer mittelalterlichen Farbigkeit beeindruckten mich am meisten das bayerische Lindau "im See", Meersburg mit seinem uralten Dagobertsturm und dem anheimelnden Museum über der Stadt für die Dichterin Annette von Droste zu Hülshoff, Überlingen mit seiner großen (und des Abwassers wegen entstandenen, teuren) Uferpromenade, und Konstanz.

In Konstanz hatten wir Quartier, und zwar standesgemäß, also im Hotel "Barbarossa". Abends bestand reichlich Gelegenheit, typische Speisen wie Bodensee-Felchen (geräuchert oder gebraten) und Schlupfnudeln zu probieren. Guter Weiß- und Rotwein wird hier ebenso gekeltert, einer unserer Mitreisenden schwärmt heute noch von der "Hexe vom Dasenstein", die ganz sicher nicht aus dem Harz stammt. So wird auch das bekannte Konzilshaus (Bild unten rechts) als Lokal genutzt, wo von 1414 - 18 statt dreier Päpste ein neuer gewählt, aber der böhmische Reformer Johannes Hus geköpft wurde.

Möge Ihnen bei einem Besuch am Bodensee ein besseres Schicksal beschieden sein!
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(Veröffentlicht in "Wir über uns", Zeitung von und für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreissparkasse Sangerhausen, Ausgabe 26, Oktober/November 2000)
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