8 Die Schlösser
8.1 Petershagen
Bei Petershagen versuchte Karl der Große vergeblich, die Weser zu überqueren. Das nahe Minden wurde 803 Bischofssitz. Die Stadt hatte sich um 1300 dem Hansebund angeschlossen. Die Mindener Bürgerschaft hatte Rechte für Finanz- und Waffenhilfe übernommen.

Bischof Gottfried von Waldeck fühlte sich in der Ausübung seiner weltlichen und geistlichen Ämter immer mehr eingeengt. So suchte der Bischof "sichere Abstand" zu diesen Bürgern und baute sich 1306 seine "Borg tom Petershagen" am Zufluss der Ösper in die Weser. Ein dicker, runder Turm mit Kerker und ein wehrhafter Palas wurden in das Wasser der Weser gebaut. Die Burg wurde unter den Schutz des Heiligen Gorgonius gestellt.

Anfang des 15. Jh. kam es zur Mindener Stadtfehde. Grund war der Streit darüber, ob das Domkapitel oder die Bürgerschaft den Bischof wählen durfte. Der tote Bischof Otto IV. wurde von der Burg Petershagen gewaltsam nach Minden geholt und dort sang- und klanglos im Dom beigesetzt. Auf Vorschlag des Herzogs von Braunschweig wurde 1406 Wulbrand von Corvey gewählt, auch wenn die Mindener ihm lange misstrauten. Bischof Franz I. von Braunschweig-Wolfenbüttel überfiel 1518 Kaufmannszüge im Stift Hildesheim.
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Sein Nachfolger, Bischof Franz II., Graf von Waldeck, regierte als Mensch der Renaissance von 1530 - 53. Als Bischof von Münster bekämpfte er dort die Wiedertäufer und stellte 1535 die alte Ordnung wieder her. Äußerlich gebärdete er sich als Katholik, lebte aber glücklich mit der Bürgertochter Anna Pohlmann zusammen.

Franz II. ließ die bei der Hildesheimer Stiftsfehde in Mitleidenschaft gezogene Burg 1544 - 47 zu einem Schloss der Renaissance umbauen. Die Bauarbeiten wurden durch den Schmalkaldischen Krieg vorzeitig beendet. Baumeister war Jörg Unkair aus Tübingen. Dunkler Porta-Sandstein als Bausubstanz wurde an Fenster- und Türeinfassungen mit hellem Obernkirchener Sandstein im Stabgitterstil geschmückt. Die Sandsteinarbeiten an der Wendeltreppe und das prachtvolle Wappen Franz II. nötigen uns Bewunderung ab.

1560 ließ Bischof Gerhard von Braunschweig-Lüneburg das sog. "Neue Haus" mit Festsaal und Kirche errichten. Durch eine Galerie auf kunstvoll behauenen Konsolen waren altes und neues Haus verbunden.

Mit der Huldigung der Stände an den neuen Landesherrn, Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg, endeten die bedeutenden Zeiten im Schloss Petershagen. Noch einmal, unter dem Statthalter Graf Johan von Sayn-Wittgenstein, erlebte das Schloss eine glänzende Hofhaltung. 1667 wurde es als Regierungssitz aufgegeben. Durch vielerlei Umstände verkam und verfiel das Schloss in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten.

1901 kaufte Heinrich Hestermann das Schloss und rettete es. 1967 eröffnete die Familie Hestermann hier ein Schlosshotel mit 15 liebevoll ausgestatteten Zimmern und romantischer Gastronomie, einem Restaurant und ein Café. 82

8.2 Bückeburg
Umgeben von einem breiten Schlossgraben liegt die Residenz der Fürsten zu Schaumburg-Lippe im Park. Nord- und Westflügel sind Bauten der Weserrenaissance. Der schmale Westflügel, erbaut 1562, mit dem achteckigen Treppenturm, schließt sich an den alten Wohnturm aus dem 14. Jh. an. Der Nordflügel, errichtet von 1560 - 64, trägt drei der für die Weserrenaissance typischen Zwerchhäuser. Der größere, neuere Treppenturm entstand mit den Erweiterungsbauten 1893 - 97, er wurde historisierend angepasst. 83

Ein Schmuckstück, vom Innenhof des Schlosses erreichbar, ist die Hofkapelle. Die dicken Wände - jene zum Turm ist 2,25 Meter stark - machten den Raum etwas düster, wozu auch das Regenwetter beitrug. Aber die Überraschung ist: Die gesamte Kapelle ist an allen Wänden und Gewölben ringsum ausgemalt!

Die gotische Burgkapelle steht bereits sechs Jahrhunderte (1396), der angrenzende Wohnturm auch schon 560 Jahre. Sie ist die einzige lutherische Kirche in Deutschland im italienischen Stil. 1562 wurde die Kapelle mit vier Kreuzgewölben versehen.
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Anfang des 17. Jh. ließ Fürst Ernst, von einer Italienreise inspiriert, den Raum mit einer reichen Holzeinrichtung ausstatten und alle Wand- und Deckenflächen ornamental oder figürlich ausschmücken. Die Fresken schuf der Maler Hieronimus. Als 1638 die Calvinisten einzogen, duldeten sie keinen Schmuck und ließen alles weiß übermalen. So blieb die Kapelle 250 Jahre lang. Im Zeitalter der Romantik wurde zwei Jahre lang der Bilderschmuck wieder frei gelegt und mit Bienenwachs überzogen, was ihn glänzen lässt. 1886 kam auch die Orgel hinter der Kanzelwand hinzu. Der obligatorische evangelische Kanzelaltar blieb, wenn auch seine Figuren verbrannt sind. Gegenüber befindet sich die Fürstenloge. Ein Gemälde an dieser Westwand zeigt das "Jüngste Gericht" von Christoph Gertner. Reformierte Gottesdienste werden auch heute noch abgehalten; die Gemeinde von Bückeburg und Stadthagen zählt etwa 1.300 Mitglieder. Von den Fürsten wurden in der Kapelle - unter mit Kreuzen versehenen Platten vor dem Altar - die Herzen beigesetzt, während ihre Körper im Mausoleum von Stadthagen ruhen.

Das Fürstenschloss, durch welches wir uns führen ließen, entspricht ganz und gar den kindlichen Vorstellungen einer Residenz. Die imposanten Räume gewähren unvergessliche Einblicke in das höfische Leben und die historische Pracht. Schon das Treppenhaus mit seinen Gemälden zeigt die Fürstenfamilie des Grafen Philipp (1647 - 81) mit zehn Kindern. Zwei sind als Engel im Himmel gemalt, sie starben bei der Geburt. Als der italienische Maler sein Werk konzipierte, ließ er in der Mitte Platz. Die vier später geborenen Kinder konnten so nachgemalt werden, sobald sie zwei Jahre alt waren.

Durch den Marmorgang gelangt man in den im mittelalterlichen Wohnturm gelegenen Weißen Saal, der für Empfänge dient. Das Schloss kann man übrigens auch mieten - für 10.000 Euro am Tag. An der prächtigen Stuckdecke von 1695 hängen böhmische Lüster. Der anschließende Festsaal im Neo-Rokokostil von 1893 - 97 lässt den Blick auf den Seitenflügel im Stil der Neo-Renaissance zu, welcher vermietet ist. Der 14 x 30 m große und 9 m hohe Festsaal ist der größte seiner Art in Deutschland. Der Saal mit Stuckmarmor und Deckengemälden hat eine gute Akustik und dient daher für Konzerte mit bis zu 600 Plätzen. Er kann mit einer Heißluftheizung erwärmt werden, womit im Winter 25 ° möglich sind. Je nach Außentemperatur muss bis zu zehn Tage vorgeheizt werden. Die Figuren in perspektivischer Malerei drehen sich scheinbar mit dem vorbei gehenden Betrachter. Zentrum des Gemäldes ist der vierspännige Helios-Wagen im Tierkreis, flankiert von den durch griechische Götter verkörperten Jahreszeiten. Angebaut ist die "Kuppelhalle", auch "Drachenfels" genannt, wo der Prinz verkuppelt wurde. Zurück führt der Weg durch das gelbe Damenzimmer, das mit Seidendamast bespannt ist. Das Wappen von Schaumburg-Lippe trägt oben am Nesselblatt drei Zacken, das Kieler dagegen nur zwei. Die Brüsseler Wandteppiche im Gobelinsaal sind schon vier Jahrhunderte alt und geben das Leben eines Heerführers wider. Die ein- oder ausheiratenden Prinzessinnen mussten vor ihrer Hochzeit einen Stuhl mit ihrem Wappen und dem des Bräutigams besticken. Die beiden Grisaille-Gemälde (grau-in-grau) lassen den Betrachter bei richtiger Beleuchtung vermeintlich vor Reliefs stehen (trompe-l'oeil-Effekt).

Der Goldene Saal vom Anfang des 17. Jh. diente als Fest-Audienzsaal. Ein Gesamtkunstwerk von außergewöhnlichem Rang ist die Götterpforte, die in den üppigsten Formen der Spätrenaissance, des Manierismus, von den Bildhauern Ebbert und Hans Wulff geschaffen wurde. "Ein Fortissimo überreicher manieristischer Ornamentik und Alabaster weißer Göttergestalten, ein Bravourstück der Schnitzkunst." Die Türöffnung wird von beiden Seiten von lebensgroßen Figuren umrahmt: Links Kriegsgott Mars, rechts Friedensgöttin Venus. Im Giebel über der Tür liegen links Himmelsgöttin Juno, rechts Erdgöttin Ceres. Vor ihnen frei schwebend der Götterbote Hermes (Merkur), Gott des Intellekts, des Handels und der Kunst. Der Türflügel zeigt im Relief Pallas Athene (Minerva), die einen Apfel hält. Die Marmorplatten für die römischen Marmortische wurden aus Italien innerhalb von zwei Jahren mit Ochsenkarren herbei geschafft. Die Kassettendecke mit herab hängenden Zapfen und Ornamenten zeigt die vier Elemente und ihre Götter: Erde - Ceres, Wasser - Neptun, Luft - Äolus, Feuer - Vulkan. 84

Einen Kilometer durch den Park, unter ehrwürdigen Kastanienbäumen und dann rechts ab durch eine schnurgerade Lindenallee, geht man zum Mausoleum, das 1911 - 15 als neobyzantinischer Kuppelbau (nicht neo-romanisch) für 1 Mio. Goldmark errichtet wurde. Leider wird am Eingang Eintrittsgeld verlangt, so dass wir nur einen kurzen Blick auf das 25 m hohe und 500 m² große Gewölbe, mit einem der größten Goldmosaike Europas, warfen. Links neben dem Mausoleum liegen zwei schlichte Gräber. Hier ließ sich der 1983 bei einem Motorradunfall verunglückte Prinz bestatten und neben ihm sein Vater, Fürst Philipp Ernst.

8.3 Stadthagen
Das Schloss von Stadthagen wurde 1534 durch den Baumeister Jörg Unkair als ältestes und wohl einflussreichstes Baudenkmal der Weserrenaissance errichtet. Es ist eine große Vier-Flügel-Anlage mit Nebengebäuden zur Stadt hin und gilt als Vorbild für Adelssitze im südlichen Weserraum. Heute ist darin das Finanzamt untergebracht.
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8.4 Baum
Im Schaumburger Wald, nördlich von Bückeburg, liegt ein Lust- und Jagdschloss, ein kleiner Bau mit einem hohen Sockel- und einem durch eine vorgelegte Säulenreihe ausgezeichneten Hauptgeschoss, zu dem eine zweiläufige Freitreppe führt. Im Untergeschoss ist der Speisesaal; darin hängt ein Porträt von Graf Wilhelm mit dem Motto "Deus cibe natura". Im düsteren Jagdzimmer im Obergeschoss ist ein Porträt des letzten regierenden Fürsten zu sehen.

Das Jagdschloss ließ Graf Wilhelm von Schaumburg-Lippe 1760/61 errichten. Es gilt als bemerkenswertes Denkmal des spätbarocken Klassizismus (Foto links, Front am Teich).

Der englische Garten aus der selben Zeit ersetzt den einstigen spätbarocken Garten, von dem noch die Wasserkunst hinter dem Schloss übrig ist. Die beiden Etagen im Schlösschen haben nur wenige Räume, die heute von einer evangelischen Jugendbegegnungsstätte genutzt werden. Die 42 Plätze reichen für rund 8.000 Übernachtungen im Jahr, davon 70 % kirchliche und 30 % kommunale, gewerkschaftliche und andere Gruppen. Pro Nacht und Gruppe werden 250 Euro berechnet. Das Haus wird von der Schaumburg-Lippischen Landeskirche unterhalten, wie uns der Chef Klaus Harms erklärte.

Die Grottenanlage jenseits des Teiches wird von zwei prächtigen frühbarocken Portalen flankiert, die der Graf hier 1758 aufstellen ließ. Diese wurden vermutlich 1604 - 06 für das Bückeburger Schloss geschaffen. Sie gelten in ihrer üppigen architektonischen und figürlichen Gestaltung als heraus ragende Werke des späten Manierismus. Ihre segmentbogigen Portalöffnungen sind jeweils von einem Säulenpaar flankiert und die flügelartigen Seitenteile mit großen Figurennischen versehen. 85
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Das linke Portal ist mit Neptun-, Nereiden- und Tritonen-Figuren dem Wasser gewidmet. Das rechte Portal mit seinen Frauengestalten hat die Musik zum Thema. 86

Ein matschiger Weg durch den Buchenwald führte uns zum Mausoleum des Grafen Wilhelm. Vor dem Pyramidengrab sahen wir das portugiesische (!) Wappen mit den fünf nieder gelegten maurischen Schilden, umrahmt von den sieben geknackten Festungen, und die Schrift "Comte du Lippe in Queluz, Portugal", wo der Graf einst Befehlshaber war.

8.5 Brake
Burg und Schloss Brake stehen auf einem vom Wasser umspülten Turmhügel in der Niederung des Flüsschens Bega, südöstlich der Stadt Lemgo. Schon um Christi Geburt war dieser Ort besiedelt. Eine Turmhügelburg aus dem 11. Jh. wurde hier nachgewiesen. Seit 1306 ist dieser Platz als "castrum brac" bekannt als Sitz des Edelherrn Simon I. zur Lippe. Der hochmittelalterliche Platz gehört zu den größten bisher bekannten Burgen der Stauferzeit in Ostwestfalen-Lippe.

Seit Beginn des 15. Jh. wurde Schloss Brake den Gemahlinnen der lippischen Edelherren als Witwensitz zugewiesen. 1447 wurde das Schloss erobert und in Brand gesteckt. Anfang des 16. Jh. bauten die Lipper Detmold zur Residenz aus, Brake blieb Witwensitz. Der Zustand des Schlosses verschlechterte sich mehr und mehr.

Erst Gräfin Katharina dachte an einen Umbau des Südflügels. Sie beauftragte damit den Baumeister Hermann Wulff 1571. Er sollte am Westgiebel einen zweigeschossigen Erker anfügen, entsprechend dem linken am Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo. An der Südseite sollte u. a. das "untere Gemach" ein dreibahniges Fenster und ein "heimlich Gemach" auf Kragsteinen erhalten.

Bauherr Graf Simon VI. zur Lippe (1554-1613), nach den Maßstäben des 16. Jh. erzogen, war Gesandter und Hofrat Kaiser Rudolfs II. in Prag, Norddeutschland und den Niederlanden. Der Graf ließ von 1584 - 87 von Hermann Wulff bauen. Der Turm wurde nach 1586 gebaut. Die Schlussrechnung datiert von 1592. Simons Enkel Casimir zur Lippe-Brake verdingte 1664 den Neu- und Umbau des Ostflügels an Leonhard Genser. Graf Friedrich Adolph ließ um 1708/15 im Nordflügel die Erdgeschossräume aufteilen und durch italienische Stuckateure neu ausschmücken.

Nach diesen Bauphasen verfiel ab Mitte des 18. Jh. das Schloss langsam. Es wurde wieder Witwensitz. Fürstin Johanette Wilhelmine, Witwe des Grafen Simon Heinrich Adolph, wohnte hier wie ihre Kinder bis 1804. 1805 wurde das gesamte Inventar versteigert. 1819 wurde im Nordflügel das Amt Brake eingerichtet. 1825 begann im Ostflügel die fürstliche Brauerei, die bis 1908 mehr schlecht als recht arbeitete. Zur gleichen Zeit entstanden im Südflügel Räume für die Oberförster und Wohnungen.
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Nach der Gründung des Kreises Lemgo ging das Schloss 1932 in dessen Besitz über, der es in wenigen Teilen umbaute. Leider muss man nach den gründlichen Bauuntersuchungen der 80er Jahre sagen, dass alle Baumaßnahmen der letzten 150 Jahre nicht den nötigen Respekt vor der historisch gewachsenen Substanz gezeigt haben.

Das Kernschloss besteht aus drei Flügelbauten um einen nahezu rechteckigen, sich nach Süden verengenden Hof. Vom einst vorhandenen Westflügel ist nichts überliefert, diese Front ist heute offen. Der Hof liegt fast fünf Meter über der vierseitig umlaufenden Gräfte. Das durch die Aufschüttung verdeckte Untergeschoss ist gleichzeitig Stützwand des Turmhügels. Eine vierbogige Brücke verbindet Hof und Umland.

Der zur Feldseite siebengeschossige Turm auf fast quadratischem Grundriss richtet seine Hauptfassade nach Westen. Jedes Geschoss folgt dem klassischen Kanon der Renaissance. Die Fassade wird durch Sockel, Brustgesimse und Gebälk horizontal gegliedert. Das Hauptportal ist von 1591 und wurde erst 1820 hierher versetzt. Es ist eine hervor ragende Arbeit mit Beschlag-Musterung an den Sockeln der fein kannelierten dorischen Säulen mit darüber liegendem Gebälk mit Triglyphenfries und Tropfenleisten. Die auf dem Gesims ruhenden beiden Wappensteine Lippes und Schaumburgs (Schowenburch) sind durch kleine Pilaster getrennt und werden seitlich von je einem Wappenhalter römischer Krieger begrenzt. Der Nordflügel als Hauptbau hat seine Hauptfassade zum Hof nach Süden und zeigt sich hier in zwei Geschossen mit hohem Dach. Seine Westfassade ist im Zusammenwirken mit der Turmfassade sehr viel reicher durchgeformt und von immenser Höhenwirkung. 87

In den Räumen des prächtigen Renaissance-Baus sind heute der Landesverband Lippe und im Untergeschoss seit 1986 das "Weserrenaissance-Museum Schloss Brake" untergebracht. Die jetzige ständige Ausstellung, die von Jahr zu Jahr durch Sonderausstellungen ergänzt wird, soll mit mehr als 600 Exponaten die verschiedenen Aspekte der Kunst und Kultur zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg, des 16. und frühen 17. Jh., in Nord- und Westdeutschland erklären. Sie bietet auf ca. 2.000 Quadratmetern einen breit gefächerten Überblick der Renaissancekultur speziell im Weserraum. 88

Zum Wirtschaftshof gehören weitere erhaltene Gebäude wie Waschhaus (1703), Schäfertor (1668) und -brücke (1795), Bastion und Wehrmauer (15./16. Jh.), Schafstall (1507/08, 1688), Vorwerk (16. Jh.), Stall (1812), Scheune (1979), Marstall (1708/09), Kornmühle (um 1800), Ölmühle (1806) und Sägemühle (1831) mit Museum.

8.6 Schwöbber
Um 1570 begann Hilmar von Münchhausen mit dem Bau des Anwesens, der Wassergräben und des Gartens. Der Baron war Kriegsunternehmer und mit drei Meierhöfen entschädigt worden. 1668 übernahmen die Brüder Otto und Burchard von Münchhausen das Schloss. 1715 weilte Zar Peter der Große hier, ihn interessierte die damals größte Pflanzensammlung Europas und die Orangerie mit den Ananaspflanzen. Der umgebende englische Garten war der älteste auf dem europäischen Kontinent.
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Mitte des 19. Jh. war Schwöbber in Aerzen bei Hameln kultureller Mittelpunkt der Region und gern besuchtes Ausflugsziel. Nach 1920 kam es zu diversen Besitzerwechseln. 1985 verließ der letzte Bewohner das Haus. Sieben Jahre später brannte der Mittelflügel aus. Zehn Jahre dauerte es, bis eine GmbH & Co. KG das Anwesen erwarb und in zwei Jahren zum einem 5***** Schlosshotel umbaute. 89

8.7 Hämelschenburg
Der zeitweise Niedergang der welfischen Herzogsmacht erlaubte das Erstarken des niederen Adels. Er konnte sich Burgen an der Weser und deren Nebentälern anlegen. Die Grafen von Everstein bauten zwischen 1409 und 1414 auf dem Berg Woldau über dem Tal der Emmer eine Burg. Man soll sie anfangs "Hermann sin Burg" nach Hermann von Everstein genannt haben, woraus sich "Hemersenburg" und schließlich "Hämelschenburg" entwickelte. Beim nahe gelegenen Hemersen wurde ein Vorwerk errichtet.

Nach ihrem Wiedererstarken zogen die Welfen das Lehen von den Eversteins 1414 wieder ein und vergaben es neu. Im Jahr 1437 empfing die Ritterfamilie von Klencke die Hämelschenburg als Lehen; ihr gehört es noch heute! In der großen Stadtfehde gerieten sie in die Gegenpartei der Welfen, wonach Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg die Burg 1485 besetzte. Sie wurde 1487 zerstört, die Klenckes verloren ihr Lehen. Wilken von Klencke konnte es aber schon 1493 zurück gewinnen. 1544 wurde die wieder hergestellte Burg durch eine Feuersbrunst zerstört, nachdem einem Schmied durch Unachtsamkeit ein glühender Nagel ins Stroh gefallen war. Ludolf von Klencke ließ gegenüber der Emmer den heute noch stehenden Wirtschaftshof erbauen, der durch je ein großes Steingebäude an der Ost- und Westseite und durch verbindende Mauern abgeschlossen wurde. Auf dem Fundament der mit der Burg zerstörten Schlosskapelle ließ Ludolf 1563 eine der frühesten neu gebauten evangelischen Pfarrkirchen errichten.

Nach dem Tod Ludolfs 1562 kam es 1578 zur Neuverteilung, wobei Jürgen von Klencke 1583 zum alleinigen Besitzer von Hämelschenburg wurde. Jürgen, geboren 1551, hatte die Lateinschule in Minden besucht und sieben Jahre am Grafenhof zu Nienburg gedient. In neun Jahren Kriegsdienst brachte er es zum Rittmeister. Am humanistischen Hof des Bischofs Eberhard von Holle in Verden lernte er seine Frau Anna von Holle kennen, eine feinsinnige und gebildete Nichte des Bischofs. Seine Aufrichtigkeit und Bildung brachten Jürgen das Vertrauen ein, das ihm mit seinen Leistungen und seinem Vermögen - erworben aus dem Kornhandel und dem Straßenzoll - den Bau eines prachtvollen Schlosses erlaubte.

1588 begann er mit dem Bau des großartigen Schlosses, das zu den besten Leistungen dieser Epoche in Norddeutschland zählt und als Hauptwerk der Weserrenaissance gilt. Im zweigeschossigen Nordflügel lag einst unten die Gerichtslaube; hier wurde nicht nur das örtliche Niedergericht, sondern auch das Obergericht abgehalten, bei dem es "um Kopf und Kragen" ging. Der Nordflügel wurde ebenso wie der Mittelbau im 19. Jh. völlig umgestaltet. Der hoch aufragende Südflügel hat drei Geschosse und ist breiter als die anderen. Er diente Jürgen von Klencke und seiner Familie mit 14 Kindern, von denen 12 erwachsen wurden, als Wohnung. So dürfte auch die Baureihenfolge sein, am Kamin des Rittersaales (später Küche) steht 1593, am Nordwest-Treppenturm 1592, am Südwestturm 1599 und an zwei Kaminen im Südflügel 1606 und 1607. Den Abschluss bildet das stattliche Brückentor von 1613. 90

Jürgen von Klencke starb jedoch schon 1609. Der älteste Sohn Lippold ließ zusammen mit seiner Mutter den Bau fertig stellen. Im Dreißigjährigen Krieg fuhr Anna von Klencke den anrückenden Truppen unter General Tilly entgegen und handelte einen Schutzvertrag aus, der den Soldaten bei Todesstrafe das Betreten des Schlosses verbot.
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Im Siebenjährigen Krieg (1756 - 63) wurde Hämelschenburg zwar besetzt, aber außer dem Verschwinden von Teilen der Einrichtung konnte durch geschicktes Taktieren der Schlossherren Schlimmeres abgewendet werden.

Im Nationalsozialismus stellten sich die Schlossherren ausdrücklich gegen das Regime. Sie beriefen sich auf den in ihrer Ritterfamilie belegten Grundsatz der obersten Herrschaft Gottes über die weltlichen Mächte, der bereits zur Bauzeit des Schlosses durch einen unter dem Kruzifix knienden Jürgen von Klencke und seiner Anna über den aufgereihten 14 Kindern versinnbildlicht wird. Erstaunlicherweise respektierte dies die NSDAP und ließ Hemersen ohne Ortsgruppenleiter. Den polnischen Fremdarbeitern wurde die Schlosskirche für Gottesdienste geöffnet. 91

Die Burg liegt am Jakobsweg zwischen den ehemaligen Zisterzienser-Klöstern Loccum und Volkenroda, wovon noch die mit Jakobsmuscheln geschmückte Pilgerhalle, die einst außen lag, zeugt. Wir können noch heute den Gesamtkomplex mit vier aufwändigen Giebeln, 17 Zwerchhäusern, zwei großen Türmen und zwei Erkern bewundern.

Unseren Aufenthalt begannen wir auf dem Wirtschaftshof mit Kuchen und Tee. Eine kompetente Führerin zeigte uns Eingangshalle, Jagdsaal, Bibliothek und Schreibzimmer, Schlafraum und das "Gelbe Zimmer" mit dem Porträt von Sophie Eleonore von Klencke. Um sie geht eine Geschichte: Einst klopfte eine hochschwangere Zigeunerin bei ihr an, wurde aber abgewiesen. Sie entband unter einer Brücke. Sie sprach den Fluch aus, es sollen 100 Jahre lang keine Mädchen mehr im Schloss geboren werden, es sei denn, es komme zu einer Liebesheirat. Ernst von Klencke heiratete eine Bürgerliche, der Fluch war gebrochen.

Die Familiengemälde zeigen wie damals üblich die Jungen in roten, die Mädchen in blauen Gewändern. Die historischen Räume sind ausgestattet mit eindrucksvollen Kaminen, Kachelöfen und Kunstwerken wie Möbelstücken, Porzellanen, Gläsern und Waffen aus vier Jahrhunderten.

Ein Raum dient als standesamtliches Trauzimmer; darin steht ein Steinway-Flügel mit eingebautem selbst spielendem Pianola. Der Datenträger wurde von einem guten Pianisten bespielt. Von diesen Automaten gibt es nur sieben auf der Welt. Die Ahnentafel zeigt 16 Generationen, mit denen der Uradel nachgewiesen wird. Heute gehört das Anwesen Lippold von Klencke, geboren 1944. Der Weg durch den Heiztunnel führt in den Keller mit der Waffenkammer. Wie sich jetzt herausstellte, hatte uns die Tochter des Besitzers geführt.

Gegenüber der Fahrstraße stehen Kuhstall, Pferdestall und Zehntscheune, daneben die Kirche St. Marien. Dort führte uns die Frau von Lippold von Klencke, übrigens - am Dialekt noch erkennbar - eine Amerikanerin. Die 1563 erbaute protestantische Schlosskapelle dient seit 1652 als Gemeindekirche.
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Die Kirche ist wahrlich ein Kleinod. Der Orgelaltar (wo gibt es so etwas noch?) wird von einem seltenen, gotischen (1480) sog. "Paradiesgärtlein" aus sichtigem Lindenholz geschmückt. Es zeigt Maria mit dem Jesuskind auf einer Mauer sitzend. Die beiden sind umgeben von sechs heiligen Frauen wie Agnes und Barbara. Maria thronte einst viel höher in der Mitte, wurde aber beim Einbau in die evangelische Kirche bewusst tiefer gesetzt. Der Reformator Martin Luther wollte nicht, dass Maria und die Heiligen angebetet oder durch sie als Mittler gebetet würde; sondern er empfahl sie als Vorbilder im Glauben.

Die Altar-Mensa aus Sandstein trägt noch die Original-Weihekreuze von 1409. Links am Altar steht der Taufstein. Er ist als achteckiger Kessel in Kelchform gestaltet, der aus einem Säulenstück mit Halswulst aufsteigt, und ist deutlich vor 1600 entstanden. Sein hölzerner Deckel ist eine achtseitige Krone (links). Aus ihr wachsen abwechselnd vier weibliche und männliche Figuren heraus, die sich rückwärts bis zur Spindel neigen. Dazwischen stehen kleine Rollwerk-Aufsätze mit Engelsköpfen. Unter dem Kronenbügel wächst ein Fruchtreif mit Trauben, Äpfeln und Birnen herauf.

An der Wand hinter der sechsseitigen Kanzel hängt der Epitaph für Jürgen von Klencke und Anna von Holle. Das Tafelgemälde mit der Kreuzigung darin wird Lucas Cranach und seiner Werkstatt zugeschrieben. Der Epitaph ist zeittypisch mit üppigem Zierwerk wie Roll- und Beschlagwerk, Kartuschen und Girlanden gestaltet.

Entlang der Patronats-Empore auf der Nordseite ist der evangelische Passionsweg dargestellt. Kupferstiche oben werden unten durch Bibelstellen erläutert. Was unter der Empore steht, wird als ehemaliger Beichtstuhl gedeutet. Es handelt sich um den Kirchenstuhl des Gutsherrn von Welsede. An der Rückseite der Kirche ragt die sog. Männerempore auf. 92

Die wertvolle Schlossanlage kann heute nicht mehr aus den Erträgen der Land- und Forstwirtschaft erhalten werden, denn die Kosten der Baupflege sind in dem Maße gestiegen, wie die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zurück gingen. Die Familie von Klencke lebt nicht mehr von, sondern für den Besitz der Hämelschenburg. Von 1972 - 2000 wurden alle historischen Gebäude renoviert; das Schlossmuseum besteht seit 1973. 1993 wurde eine gemeinnützige Stiftung eingerichtet, die Gelder zum denkmalgerechten Erhalt des Schlosses und der übrigen Gebäude des Rittergutes sammeln will und den touristischen Betrieb übernommen hat. 93

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