Anleihetipps
Kapitalanlage in der Niedrigzinsphase

Kapital versus Geld

Bevor Sie in Gedanken das Haus Ihrer Geldanlage aus Anleihen und Zertifikaten bauen, noch ein paar Worte vorweg: Unter einer Kapitalanlage verstehe ich
  • wenigstens 5.000 Euro, mehr in 1.000-Euro-Schritten
  • wenigstens 2 Jahre Dauer
  • wenigstens 2 % Zinsen.
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Wenn auch nur eines dieser Kriterien nicht erfüllt ist, handelt es sich nicht um Kapital, sondern schlicht um Geld, das nicht angelegt, sondern zwischengeparkt wird. Lassen Sie mich also über meine jüngsten Erfahrungen in der Kapitalanlage berichten und Tipps geben.

Was braucht man? Einen Überblick über:
  • bestehende Kapitalanlagen (insbes. Fälligkeiten)
  • erwarteten Kapitalbedarf (Investition in Haus, Möbel, Auto; Einkommens-Minderung mit Eintritt in Ruhestand)

Aus beiden Übersichten, die Sie sich am besten auf zwei Zetteln notieren, kann erst die Entscheidung getroffen werden,
  • wie viel Kapital
  • für wie lange

In was anlegen?

festgelegt werden kann. Eine weitere Komponente ist ein denkbarer vorzeitiger Kapitalbedarf, also für das, was das Finanzamt unter „außergewöhnlicher Belastung" versteht, Ihnen fallen da sicherlich Beispiele ein.

Nehmen wir jetzt einmal an, Sie haben einen „Notgroschen" von rund drei Netto-Monatseinkünften beiseite gelegt und möchten darüber hinaus ein Kapital von 5.000 Euro für rund drei Jahre zu einem Zins oberhalb der Geldentwertung von rund 2 % festlegen.

Bevor Sie die Listen aktuell zur Zeichnung angebotener Papiere durchblättern, sollten Sie sich noch klar werden, in welche Märkte Sie überhaupt gehen wollen:
  • Zinsmärkte
  • Zins- und Aktienmärkte in Kombination
  • Index oder Direktanlage in ein einziges Unternehmen
  • nur Inland oder auch Ausland
  • nur Euro oder auch Fremdwährung.
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Bei Zinsmärkten sollten Sie sich unbedingt wie ein Profi eine Zinsmeinung bilden: Wie lange bleibt das aktuelle Zinsniveau so (niedrig) wie jetzt? Wann könnten die Zinsen ansteigen, wie schnell und wie hoch?

Kommen Aktien ins Spiel, gilt mein Rat, sich nur an bekannte Unternehmen zu wagen, über die ständig in den Medien berichtet wird; dies sind vor allem die 30 DAX- und die Euro-Stoxx-50-Werte. Seien Sie bei einer ungünstigen Entwicklung innerlich bereit, bei Fälligkeit Ihres Zertifikates auf einmal Aktien im Depot liegen zu haben, auch für mehrere Jahre.

Meine Neigung geht inzwischen stark in Richtung Aktien-Index und weg von einer einzelnen Aktiengesellschaft, da es in den vergangenen Jahren wiederholt zu unerwarteten Kurseinbrüchen einzelner Aktien kam (Stichworte: US-Schadenersatzklagen, 2. Atomstromausstieg, Dieselabgasskandal).

Unterschätzen Sie die Unsicherheiten von Kapitalanlagen außerhalb Deutschlands, insbes. außerhalb des Euro nicht, mögen die Rendite-Versprechen auch noch so verlockend klingen. Und hören Sie hierbei nicht auf die Stiftung Warentest, die im FINANZtest den Deutschland-Anteil von Aktien und -fonds auf 20 % begrenzen will! (Heft 12/2015, Seite 37)

Internet-PC nutzen

Nutzen Sie neben Ihren Übersichten Ihren Internet-PC. Starten Sie in Ihrem Browser mehrere Sitzungen, und zwar je eine für
  • Kursabfragen (beliebige Bank, Broker, Finanzzeitung/-zeitschrift (siehe Geld-Links), am einfachsten http://boerse.ard.de
  • Bank mit Zertifikate-Angebot für Privatanleger (siehe Sparkassen-Links, empfehlenswerte Landesbanken mit Deka)
  • Zeichnungs-Angeboten Ihres Online-Brokers (sinnvoll, aber nicht notwendig, Sie können auch später in Ihrer Bank- oder Sparkassen-Filiale zeichnen).
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Nehmen wir jetzt weiter einmal an, Sie trauen sich an Aktienanleihen heran, weil Sie Fremdwährungsanleihen und Staatsanleihen aus Krisenländern als zu riskant aussortiert haben wie ich. Nun bieten sich Aktien-Index-Anleihen an, von denen auf den DAX viel weniger als auf den Euro-Stoxx-50 aufgelegt werden.

Rufen Sie nun das Zertifkate-Angebot der (Landes-)Bank auf, geben Sie ggf. PLZ und Ort ein und versichern Sie Ihre deutsche Staatsangehörigkeit; dies verlangen die Emittenten der Papiere, aber Sie bleiben natürlich anonym. Lassen Sie sich jetzt eine Stunde lang nicht mehr stören, denn diese brauchen Sie wenigstens.

Produkt- Information suchen und studieren

Die von mir genannten Landesbanken haben sich große Mühe mit ihren Angeboten zur Zeichnung gegeben, auch im Versuch einer einfachen Sprache. Alle kommen der Pflicht nach, alle wesentlichen Merkmale des neuen Wertpapieres in der sog. „Produkt-Information" (PI) auf zwei bis drei Seiten zusammen zu fassen.

Laden Sie sich mehrere PI auf Ihre Festplatte herunter von Zeichnungen, die für Sie in Frage kommen (also von Laufzeit, Zinssatz, dahinter stehendem Basiswert wie Index bzw. Aktie).  Nun versuchen Sie, den Inhalt zu verstehen, was schon etwas Übung verlangt. Die wichtigste Frage lautet: „Was geschieht bei Fälligkeit?"

Häufig finden Sie hier mehrere Varianten. Meistens bekommen Sie Ihr volles Kapital am Fälligkeitstag zurück, wenn der Kurs des Basiswertes auf oder über dem Startwert liegen wird. Während der Laufzeit von z.B. drei Jahren kann eine Menge geschehen, Kurse steigen und fallen. Hier bringen die Banken einen Schwellenwert ins Spiel, dieser kann Basispreis, Barriere, Kursschwelle, Sicherheitsschwelle oder ähnlich heißen. Wird diese Barriere erreicht oder unterschritten, bekommen Sie entweder Aktien oder ein deutlich kleineres Kapital zurück.

Den versprochenen Zins bekommen Sie häufig unabhängig vom Basiswert, um ihn brauchen Sie sich am wenigsten Gedanken zu machen.
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Verstehen und entscheiden

Jetzt haben wir den Punkt der Entscheidung erreicht: Was tun - zeichnen oder nicht?

Nehmen wir wieder ein Beispiel: Das Zertifikat Ihrer Wahl bietet einen Zinssatz von 4 % (ist über 2 % und damit höher als Inflation), soll 2 ½ Jahre laufen (überschaubar), ist an den Euro-Stoxx-50 gebunden (bekannter Index) und stammt von einer als solide angesehenen Bank (Landesbank in Landes- und Sparkassenbesitz).

So weit, so gut. Die Bank schreibt etwas von Kursschwelle von 70 % in ihrer PI. Nun wechseln Sie in Ihrem Web-Browser zu Ihrer Kursabfrage (ARD, Broker o.ä.), suchen dort den Basiswert (also beim Euro Stoxx 50 die ISIN EU0009658145). Schauen Sie sich den Kurs-Chart an, und zwar wenigstens so weit zurück, wie Ihr gewähltes Zertifikat in Zukunft laufen soll, d.h. hier drei Jahre.

Nehmen wir einmal an, der Euro-Stoxx-50 steht bei 3.150 Punkten, so liegt die Kursschwelle von 70 % bei 2.205 Punkten. Wurde diese Schwelle in den vergangenen drei Jahren durchbrochen? Wenn ja, hohes, sonst geringes Risiko (der Stoxx 50 unterschritt im Januar 2016 die 70 % drei Jahre lang nicht).

Liegt Ihnen die Kursschwelle zu hoch, vor allem bei Basiswerten zu Höchstkursen, suchen Sie sich ein anderes Zertifikat bei diesem oder einem anderen Emittenten (z.B. statt Deka-Bank bei der LBBW), dort kann ein besseres Angebot liegen. Oder warten Sie noch einen Monat.
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Auf Kleinigkeiten achten

Werfen Sie nun noch einige Blicke ins „Kleingedruckte". Hat sich die emittierende Bank eine vorzeitige Kündigung vorbehalten? Gibt es Kosten wie ein Agio von 0,5 oder 1 %? Ein Zertifikat mit 3 % Zinsen zu einem Ausgabekurs von 101 %, das schon nach einem Jahr (vorzeitig) zurück gezahlt wird, rentiert sich so nur noch zu etwa 2 %, weil Sie das Agio von 1 % einbüßen.

Am Schluss spielen Sie noch die Szenarien steigender oder fallender Kurse durch, die in der PI als Beispiele genannt wurden, und entscheiden Sie sich zum Kauf. Die Frist zur Zeichnung dauert meist einige Wochen, endet aber manchmal vorzeitig.
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Zeichnen

Wechseln Sie nun in das dritte Browser-Fenster Ihres Online-Brokers, melden Sie sich in Ihr Online-Depot an und geben Sie Ihren Wunsch zur Zeichnung ein. Es kann sein, dass Ihr Broker Ihr Wunsch-Zertifikat nicht in seiner Liste führt; der s-broker hat mir aber bereits den Wunsch nach zwei zusätzlichen attraktiven Zertifikaten erfüllt, eine kurze E-Mail genügte! Selbstverständlich ist, dass Sie Ihr Kapital zuvor auf das Verrechnungskonto Ihres Brokers überwiesen haben (sofern Ihr Broker es so erwartet und nicht erst zum Emissionstag).

Ein etwas anderer Weg führt zuerst zum Broker, wo Sie oft aus seiner Liste der Neuemissionen attraktive Papiere auswählen und dort die PI des Emittenten ebenfalls herunter laden können.
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Überwachen

Bewahren Sie auf jeden Fall mit der Kaufabrechnung auch die PI des von Ihnen gezeichneten Zertifikates auf bis mindestens zur Fälligkeit! (Festplatte und/oder Akte).

Legen Sie nun in einem Musterdepot (bei Ihrem Broker o.ä. wie ARD) für den Basiswert (Aktie, beim Index entbehrlich) einen Posten an, den Sie ständig beobachten. Denn falls sich der Basiswert der Barriere nähert, kommt auch Ihr Zertifikat in Turbulenzen. Jetzt kann es von Vorteil sein, wenn Ihr Zertifikats-Emittent eine Börsenzulassung zugesagt hat. Sie müssen jetzt entscheiden, ob sich die Kurse bis zur Fälligkeit wahrscheinlich wieder erholen werden oder ob Sie sich gegebenenfalls von Ihrem Zertifikat mit Schaden vorzeitig trennen wollen, um Schlimmeres zu verhüten.
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Ratings

Noch eine Hilfe geben Ihnen die Ratings von Banken und Aktiengesellschaften. Als „Rating" bezeichnet man im Finanzwesen die Einschätzung der Bonität eines Schuldners - sei es eines Unternehmens oder eines Landes. Ein Rating gibt damit die Ausfall-Wahrscheinlichkeit eines Schuldners wieder und wird von Rating-Agenturen mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren ermittelt. Die Bestnote wird mit „Triple A, also AAA, angegeben (Tabelle aus ARD-Börse).

Am Ziel. Ihr gedankliches Haus ist fertig, Ihr Kapital - hoffentlich - gut angelegt, so dass Sie ruhig schlafen können.
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