4.3 Ziesar
Auf einem Höhenrücken in einem verlandeten See stand einst eine slawische Burg namens „civitas Ezeri", übersetzt aus dem Slawischen „za jezero", etwa „Ort hinter dem See", die mit Gründung des Bistums Brandenburg an dieses kam. Diese Burg deckte die Verbindung zwischen Brandenburg und Magdeburg. Nach dem zweiten Versuch der Christianisierung wurde Ziesar, sprich Zi-e-sar, einer der Sitze der Bischöfe. In den beiden folgenden Jahrhunderten wurde die Burg ausgebaut, zuerst von Bischof Ludwig von Neindorf ab 1327.
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Bis heute in der gut 2.500 Einwohner zählenden Landstadt erhalten sind noch ein frei stehender, runder Bergfried aus Felssteinen, der über eine innere Treppe bestiegen werden kann, und ein weiterer Rundturm aus Backsteinen, der wegen des Nestes auf seiner gemauerten Spitze seit Jahrhunderten Storchenturm heißt. Die Hauptburg aus dem 13. Jh. ließ Bischof Dietrich von Stechow nach 1459 überformen und daran die Burgkapelle anbauen. Seit der Reformation hatte die Burg als kurfürstliche bzw. königliche Domäne und Amtssitz gedient. 74
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Nach 1819 kam das Gut in Privatbesitz, es wurde 1945 verstaatlicht. Von 1955 - 93 war hier ein Schulinternat eingerichtet. Seit 2005 werden hier im Museum „Wege in die Himmelsstadt" gezeigt. - Weil wir die Burg gegen halb sechs eine halbe Stunde vor Schließung erreichten, verzichteten wir auf das Museum.

Die Burgkapelle hat zum Burghof nach Süden eine repräsentative Fassade in gewisser Leichtigkeit mit drei Fenstern und unter dem mittleren das Portal. Dessen Tympanon wird von einem Kielbogen umschlossen und dieser von einem mit spätgotischem Maßwerk gefüllten Rechteck gerahmt. Diese verzierte Schauseite gilt als Meisterwerk märkischer Backsteinarchitektur.

Innen ist eine Farbfassung, die leicht grün wirkt, um einen Naturraum zu imitieren. Die drei Wände in den Nischen unter der gemauerten Nordempore zieren ein (Marien-)Stammbaum, die Wurzel Jesse und eine Strahlenkranz-Madonna.
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Mit etwas Glück wurde uns die Kapelle aufgeschlossen und kurz erklärt. So erfuhren wir, wer die fünf Figuren auf dem Kalksteinrelief sind: Aegidius, Johannes, Petrus, Andreas und der heilige König Wenzel.

Die Ende des 17. Jh. eingezogenen Calvinisten übertünchten die Wände weiß. Nach deren Auszug im frühen 19. Jh. diente die Kapelle zeitweilig als Lagerraum. Die fast vollständige spätgotische Ausmalung wurde bis 1864 von Friedrich August Stüler und Ferdinand von Quast frei gelegt und vor wenigen Jahren behutsam restauriert. Die Kapelle nutzt seit 1951 die katholische Gemeinde. 75

Seit etwa 1330 bestand in Ziesar ein Zisterzienserinnen-Kloster, das 1345 erstmals in einer Urkunde auftaucht. Die Pfarrkirche St. Crucis, ein heute noch stehender Felssteinbau mit Querturm, gewölbtem Chor und Holztonnendecke, war auch Klosterkirche. Mit der Reformation im Land Brandenburg 1539 endete die Klostergemeinschaft. Zwei Klosterbauten sind noch erhalten.

4.4 Jerichower Land
Am Folgetag durchstreiften wir auf dem Rückweg nach Norden das Jerichower Land, einem nach der letzten Kreisgebietsreform etwas vergrößerten Landkreis in Sachsen-Anhalt, hier insbes. das schmale Gebiet zwischen Elbe und Havel, den sog. Kattenwinkel. Hier wirkte die Familie von Katte - Preußenfreunde kennen das Drama um den geköpften Hans Hermann und den zusehenden Kronprinzen Friedrich.
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Wir hielten kurz an in Klein und Groß Wulkow, wo noch ein Pastor i.R. Stephan segensreich wirkt, welcher über die Einbeziehung junger Mütter die verschlafene Gegend wieder belebte. Es folgten Zwischenhalte in Briest, Melkow und Wust, wo die Gruftkapelle derer von Katte östlich an die Dorfkirche gebaut steht.

Nicht ausgelassen werden durfte Schönhausen, wo Otto von Bismarck zur Welt kam. Ein recht neues Museum erinnert - gemeinsam mit seinem Alterssitz Friedrichsruh im Sachsenwald - an den Reichskanzler.

Die Dorfkirche wurde statisch gesichert, könnte aber innen nach immerhin zwanzig Jahren weitgehendem Stillstand eine Renovierung dringend brauchen, der Altar ist inzwischen eingerüstet. Immerhin sind von 2.000 Einwohnern etwa 500 Mitglied der Kirche. - Wir hielten hier unsere letzte Vormittagsandacht (oben links: reine Backstein-Romanik mit Kreuzbogenfries und doppeltem deutschen Band).
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5 Dank
Unsere kirchlich geprägte Gruppe von 25 Personen wurde geleitet von der Frau des Altbischofs von Holstein-Lübeck, Frau Inge Wilkens.
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Ihr ist es in ihren täglichen, rund halbstündigen Andachten gelungen, der Unternehmung den spirituellen Hauch mitzugeben (rechts: in Gelb vor Ruine Dargun). Die Reise mit Prof. Matthée wurde von Herrn Günther Sievert vermittelt. Matthée führte die Exkursion im Wesentlichen nach seiner Orts- und Geschichtskenntnis aus früheren Unternehmungen durch und forderte unseren Körper und unseren Geist mitunter bis an die Leistungsgrenze. Unser Fahrer war Herr Tagge, der uns mit seinem kompakten Bus sicher über Autobahnen (A 20, A 10, A 9), Bundes-, Land-, Stadt- und Dorfstraßen fuhr - und in der Prignitz durch einen Fehler meinerseits sogar über einen Forstweg.

Unsere beiden Unterkünfte waren im Norden in der ehem. Kreisstadt Demmin die „Demminer Mühle" und im Süden in Ziesar das „Burghotel Ziesar", wo wir uns gut ausruhten und beköstigen ließen. 76 Den Wirtsleuten in Ziesar gelang dabei eine besondere Überraschung: Jeder von uns durfte sich unter Anleitung selbst zwei Brote backen, eines davon mit einer Füllung aus Gemüse und Kassler.
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Den wenigen vor Ort angetroffenen Personen, die unsere Seheindrücke mit Worten und Gesang vertieften, sei außerdem gedankt.

Manfred Maronde, Lauenburg

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Quellen:
Landkarte Bistümer: Foto der Tafel im Nebenraum des Ratzeburger Doms
Landkarte Zisterzienser-Filiationen: Ausschnitt aus Foto der Tafel in Klosterruine Dargun
Landkarte Prämonstratenser-Gründungen: Foto der Tafel in Leitzkau
Städtewappen: Internet: Wikipedia
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Endnoten:
1  Prof. Matthée in der Reiseausschreibung
2  Internet: www.dom-brandenburg.de mit Zitaten alter Urkunden in modernem Deutsch
3  Broschüre: Kloster Jerichow, von Peter Ramm, Reihe Kulturreisen, Verlag Janos Stekovics in Wettin, 2. Auflage 2011
4  Taschenbuch: Die Christianisierung Europas im Mittelalter, von Lutz E. von Padberg, Reclam 17015, Seiten 169 f. und 263
5  Plakette an Hausecke
6  Internet: www.ratzeburgerdom.de/1401_jordan.htm von Karl Jordan, sehr lesenswert
7  Internet: www.heiligenlexikon.de/BiographienB/Bernhard_von_Clairvaux.htm
8  siehe Ramm, Fußnote 3
9  siehe Fußnote 7
10  Buch: Das Christentum - Eine Chronik, Tosa-Verlag Wien nach Chronik-Verlag im Bertelsmann Lexikon Verlag 1999, Seite146 f.
11  CD-ROM: Brockhaus digital 2008 und Microsoft Encarta 2007
12  CD-ROM: Brockhaus digital 2008 und Microsoft Encarta 2007
13  siehe Padberg, Fußnote 4
14  Internet: www.heiligenlexikon.de/BiographienN/Norbert_von_Xanten.htm
15  Buch: Te Deum - das Geheimnis der christlichen Orden, von Susanne Aernicke und Prof. Jürgen Haase, pendo im Piper Verlag München 2008, Seite 34. Eine Zistel kennt weder Microsoft Encarta noch Brockhaus noch Wikipedia.
16  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Zisterzienser, Microsoft Encarta nennt das Jahr 1100 und Papst Paschalis II.
17  siehe Padberg, Fußnote 4
18  Buch: Zisterzienserkirchen, von Ernst Badstübner und Volkmar Billeb, Hinstorff Verlag, Rostock 2005, Seite 48
19  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Zisterzienser, Brockhaus digital nennt 1.400
20  siehe meinen Exkursionsbericht von 2000 mit dem Geschichtsverein von Sangerhausen
21  CD-ROM: Microsoft Encarta 2007
22  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4monstratenser
23  siehe mein Reisebericht „Landgraf Philipp der Großmütige - Die Landgrafschaft Hessen, die Waldeckschen, Solmsschen und Nassauschen Lande" von 2004, Kapitel Biografie von Philipp
24  Internet: meine Biografie unter www.matthee.org
25  siehe mein Reisebericht „Die Pentapoleis - Hamburg und Berlin" von 2003
26  Internet: www.doberanermuenster.de gleich mit www.muenster-doberan.de - offizielle Seite mit gutem virtuellem Rundgang in Bild und Text
27  siehe Badstübner, Fußnote 18, Seite 46 ff.
28  Faltblatt: Münster Bad Doberan, knapp und gut mit Veranstaltungen 2011
29  Buch: Klosterführer aller Zisterzienserklöster im deutschsprachigen Raum, von Peter Pfister, Éditions du Signe F-Strasbourg 1998, über Kunstverlag Josef Fink, Seite 226 f.
30  siehe Badstübner, Fußnote 18, Seite 27 f.
31  Internet: www.dargun.de, Bereich Kultur/Tourismus, sehr knappe Info, ebenso http://www.schloesser-gaerten-mv.de/
schlsser__herrenh_user__burgen/frstliche_residenzen/kloster_und_schlossanlage_dargun.html

32  siehe Pfister, Fußnote 29, Seite 224 f., ebenso Zeittafel vor Ort
33  siehe Pfister, Fußnote 29, Seite 228 f.
34  Internet: www.kloster-chorin.org des Amtes Britz-Chorin mit übersetztem Text der Gründungsurkunde und Zitat von Schinkel
35  Internet: www.kloster-chorin.com von Dirk Hockauf für die Firma Mall-Tours mit umfangreichem Text und vielen Fotos
36  siehe meine Biografie von 2005
37  siehe Pfister, Fußnote 29, Seite 168 f.
38  Internet: www.klosterkirche-lehnin.de
39  Broschüre: Zisterzienser-Abtei Lehnin, von Stephan Warnatsch und Volkmar Billeb, Karl Robert Langewiesche Nachfolger Hans Köster Verlag in Königstein im Taunus, 1998/2008. Im Internet dagegen 1257 für Mariensee und 1299 für Himmelpfort.
40  siehe Pfister, Fußnote 29, Seite 178 f.
41  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Barber-Lyaschenko-Abkommen auch Barber-Ljaschtschenko-Abkommen
42  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_(Heiliger)  
43  siehe meine Reiseberichte „Goldenes Vlies - Der Kaukasus zwischen Zusammenbruch und Aufbruch: Armenien und Georgien" von 2010 und „Wilhelm Tell und Andreas Hofer - bäuerliche Rebellen gegen Fremdherrschaft in der Schweiz und Tirol" von 2009
44  Internet: www.georgsberg.de St.-Georgsberg-Lexikon
45  Internet: www.ratzeburgerdom.de mit virtuellem Rundgang von Ingeborg Hildebrandt
46  Broschüre: Der Dom zu Ratzeburg, von Hans-Jürgen Müller, Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München, DKV-Kunstführer 283/2, 4. Auflage
47  Internet: www.praemonstratenser.de/12.html
48  Broschüre: Rehna - ehem. Klosterkirche, von Verena Friedrich, Peda-Kunstführer 87/1993
49  Faltblatt: Kloster Rehna mit Luftbild
50  Internet: www.praemonstratenser.de/82.html nennt für den Altar erst 1520, anders als deutsch-englische Tafel am Haus
51  Internet: www.praemonstratenser.de/56.html
52  Buch: Sakralbauten, Reihe Kulturerbe bewahren, von Ingrid Scheurmann, Monumente Publikationen Bonn 2001, Seite 78 ff.
53  Broschüre: Der Dom Brandenburg an der Havel, von Carljürgen Gertler, Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg, Nr. 1920, 6. Auflage 2009, mit ausführlicher Baugeschichte aber zu knapper Ausstattungs-Beschreibung, umfangreicher ist 1. Auflage von 1991 von Joachim Fait
54  Buch: Öffentliche Bauten und Anlagen, Reihe Kulturerbe bewahren, von Ingrid Scheurmann, Monumente Publikationen Bonn 2002, Seite 68
55  siehe Fußnote 3, Seite 13, und Tafel des Förderkreises für Kultur- und Denkmalpflege Leitzkau e.V. vor Ort, anders Internet: www.praemonstratenser.de/151.html nennt 1142/45.
56  Internet: www.praemonstratenser.de/153.html
57  Internet: www.kunstmuseum-magdeburg.de
58  Internet: www.magdeburgerdom.de/domgemeinde/geschichte.html
59  Internet: www.magdeburg-tourist.de Sehenswürdigkeiten
60  siehe Scheurmann, Fußnote 52, Seite 247 ff.
61  Broschüre: Kloster Jerichow, von Karsten Müller und Rolf Naumann, Deutscher Kunstverlag GmbH Berlin München, DKV-Kunstführer Nr. 536, 3. Auflage 2009
62  siehe Ramm, Fußnote 3
63  Internet: www.praemonstratenser.de/149.html
64  Internet: www.praemonstratenser.de/148.html
65  Broschüre: Der Dom zu Havelberg, von Anna Maria Werner, Deutscher Kunstverlag München Berlin, Heft 402 von 1991, ähnlich aber kürzer Internet: www.havelberg.de/de/sakralbauten.html von Antje Reichel
66  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Greifswald und http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst-Moritz-Arndt-Universit%C3%A4t_Greifswald
67  Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Rubenowdenkmal
68  Auf der Tafel nahe dem Caspar-David-Friedrich-Denkmal heißt es: „Rettung der Stadt durch kampflose Übergabe an die Rote Armee
69  Buch: Schatzkammer Deutschland, Verlag Das Beste Stuttgart 1973, Seite 488, und Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/St.-Marien-Kirche_(Greifswald)
70  Internet: www.tangermuende.de
71  Broschüre: Stephanuskirche Tangermünde, von Peter Findeisen, Verlag Schnell & Steiner GmbH Regensburg, Nr. 1930 von 1991, 5. Auflage 2011
72  Internet: www.sankt-stephan-tangermuende.de
73  Buch: Schatzkammer Deutschland, Verlag Das Beste Stuttgart 1973, Seite 531
74  Buch: Schlösser, Burgen, Parks, Reihe Kulturerbe bewahren, von Ingrid Scheurmann, Monumente Publikationen Bonn 2004, Seite 77
75  Internet: www.burg-ziesar.de
76  Internet: www.demminer-muehle.de und www.burghotel-ziesar.de

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