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3.5 Magdeburg
3.5.1 Mutterstift
Erzbischof Gero gründete nördlich vom Dom das Kollegiatsstift um 1017/18 und stattete es reich aus. Ein Neubau begann 1063. Das von Norbert von Xanten (siehe Kapitel 1.4) 1129 umgegründete Stift „Unser Lieben Frauen" wurde Ausgangspunkt des Wirkens des Prämonstratenser-Ordens im Osten und seiner Mission unter den Wenden und anderen Slawen, Pruzzen und Letten. Es bereitete damit für deutsche Siedler die Gebiete östlich der Elbe vor. In Magdeburg entstand ein Machtzentrum christlicher Kultur. 56

Das Liebfrauenkloster ist das älteste erhaltene Bauwerk in Magdeburg. Die kreuzförmige Säulenbasilika mit mittlerem und westlichem Pfeilerpaar zu acht Jochen mit einer Chorkrypta bildet den Kern der Kirche. Chorquadrat mit Apsis, massiges Querhaus mit Südapsis, Langhaus mit halbhohen Seitenschiffen und massiver Westriegel bilden ein Lehrbeispiel für den Sakralbau im 11. Jh.

Nur das frühgotische Gewölbe um 1220 ist nicht romanisch. Die Westturmgruppe scheint erst im 12. Jh. errichtet worden zu sein (oben). Auch die Klausur dürfte noch in jenem Jahrhundert fertig geworden sein. Der zweigeschossige Kreuzgang stammt noch vom Beginn der Prämonstratenserzeit.
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Die Klostergemeinschaft wählte 1597 ihren ersten protestantischen Propst. Bis 1776 beteten die Prämonstratenser im weißen Habit das lateinische Brevier. Von 1698 über die Säkularisierung 1834 bis 1928 bestand hier ein Pädagogikum. Die Klosterschulbibliothek mit ihren bis ins 17. Jh. zurück reichenden Beständen besteht weiterhin. Nach dem Wiederaufbau der 1945 zerstörten Anlage gibt es hier das Kunstmuseum als wichtigsten Ausstellungsort für Gegenwartskunst und -skulptur in Sachsen-Anhalt; die Kirche dient mit bequemen Sesseln als Konzerthalle. 57

3.5.2 Dom
Der Magdeburger Dom gilt als erster gotisch konzipierter Bau einer Kathedrale auf deutschem Boden und als einer der größten Kirchenbauten Deutschlands. Sein Ursprung reicht zurück auf das Jahr 937, als Kaiser Otto I. mit 25 Jahren ein Benediktiner-Kloster zu Ehren des Hl. Mauritius gründete. Der Ort auf dem Westufer der Elbe war zweifellos vorgesehen als Missionskloster für die noch zu christianisierenden Slawen, die Otto in sein Reich integrieren wollte. Bei der Schlacht gegen die Ungarn auf dem Lechfeld 955 gelobte Otto auch, die Mauritius-Kirche nach oberitalienischem Vorbild zur romanischen Basilika und Grabeskirche des sächsischen Königshauses zu vergrößern (rechts: Chorhaupt, unten Sitzbild von vermutlich Editha und Otto).
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Sechs Jahre nach der Wiedergründung des Heiligen Römischen Reiches 962 in Rom wurde die Klosterkirche in Magdeburg zur Erzbistums-Kathedrale erhoben auf einer Ebene mit Köln, Mainz, Trier und Salzburg. Der Dom wurde mit antiken Bauteilen ausgestattet, die aus Oberitalien geholt wurden, wie ein noch heute der Taufe dienendes achteckiges Porphyr-Becken sowie Säulen aus Porphyr, Marmor und Granit, die den Dom innen vervollkommnen.

Zeitgenössische Quellen preisen den Dom als „Mira magnitudinis", als Wunder an Größe und annähernd größtes Bauwerk des Reiches; das neue Zentrum sollte hinter Konstantinopel als „drittes Rom" gelten. Otto wurde fünf Jahre später in einem Sarkophag in seinem Dom beigesetzt (links).

Wenige Jahre später ist offenbar die Basilika eingestürzt. Unmittelbar südlich der Ruine, am heutigen Standort, wurde ein etwas kleinerer zweiter Bau begonnen - kreuzförmig, viertürmig, romanisch, mit ausladender Krypta im Osten.
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Erst um 1170 kamen die Klausurgebäude hinzu, deren Südflügel des Kreuzganges bis heute steht. Bei einem Stadtbrand von 1207 wurde der zweite Dom bis auf die Außenmauern schwer beschädigt, so dass Erzbischof Albrecht I. sich für einen Neubau entschied. Albrecht war zuvor in Paris und der Île de France gereist und hatte dort die gotischen Kathedralen erlebt, von denen er Baumeister zu sich einlud.

Das originale Hochgrab Kaiser Ottos kam in die Mitte des Chores, während Editha in der Chorscheitelkapelle bis heute zu liegen kam. Auch die Spolien und einige Figuren wie die lebensgetreuen Dompatrone Mauritius und Katharina wurden zu beiden Wänden des Kaisergrabes wieder aufgestellt. Erst 1362 wurde der Dom geweiht. Der Lettner wurde ab 1450 eingezogen. Die 101 m hohen Westtürme wurden erst 1520 vollendet, immer noch im gotischen Stil. Die Kathedrale ist innen 120 m lang, 33 m breit und 32 m hoch.

Dem Reformator Martin Luther verschlossen sich Stadt und Domherren noch 1524. Doch es kam mehrmals zu Plünderungen und Zerstörungen, wobei alle 46 Seitenaltäre und andere hölzerne Kunstwerke untergingen. Erst Advent 1567 hielt der erste evangelische Domprediger sein Abendmahl. Erzbischof und Kardinal Albrecht von Brandenburg schaffte große Teile des Kirchenschatzes fort, dessen „Heiltum" an Reliquien aus 7.718 Stücken bestanden haben soll, von denen fast nichts erhalten blieb.

Noch schlimmer war die Erstürmung und Brandschatzung 1631 durch General von Tilly: Magdeburg wurde fast völlig zerstört, wie man damals sagte, „magdeburgisiert". Nur der Dom blieb erhalten und in ihm überlebten 4.000 Menschen, indem Domprediger Reinhard Bake vor Tilly einen Kniefall vollführte.

In napoleonischer Zeit mutierte der Dom zum Waren- und Waffenlager sowie Viehstall. Der Besuch des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. 1825 erwies sich als Rettung für das beklagenswerte Gebäude, er bewilligte spontan 60.000 Reichstaler. Seinem Architekt Karl Friedrich Schinkel verdanken wir das heutige Aussehen des Domes, insbesondere die konsequente Steinsichtigkeit. Einzelnen Sprengbomben im Zweiten Weltkrieg fielen alle Buntglasfenster, Epitaphien und alles hölzerne Gestühl (außer dem alten Chorgestühl) sowie die große Orgel zum Opfer. Seit den frühen 1980er Jahren wurde für die Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen" der Dom Vorreiter der Erneuerung, die mit den Montagsgebeten und -demonstrationen mit bis zu 10.000 Teilnehmern ihren Höhepunkt fand. 58
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Neben Spolien und Gräbern finden wir im Dom den monumentalen Hochaltar, Bronzegrabplatten, Sandstein-Skulpturen wie die berühmten Figuren der klugen (rechts) und törichten (links, jeweils vom Portal gesehen) Jungfrauen am Nordostportal, das eichene Chorgestühl aus dem 14. Jh. bis zu Bildwerken der Renaissance. Kunsthistorisch besonders wertvoll ist die Kanzel aus Alabaster (ganz oben). Viel besucht wird auch das Mahnmal gegen den Krieg von Ernst Barlach (rechts). 59

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