2 Die Klöster der Zisterzienser
2.1 Doberan
Ein paar Superlative gefällig? Dieses Kloster nahe Rostock hatte als erstes mecklenburgisches und landesfürstliche Hauptgrablege bereits im Mittelalter höchste politische und historische Bedeutung. Durch seine Kolonisationstätigkeit war es für die landeskulturelle und ökonomische Entwicklung Mecklenburgs von größter Wichtigkeit und zu einem Zentrum des christlichen Glaubens geworden. Das Doberaner Münster gilt als das bedeutendste mittelalterliche Bauwerk in Mecklenburg, das beste Beispiel für die Umsetzung mittelalterlichen Gestaltungswillens in Backstein und als ein Bauwerk von höchster technischer und gestalterischer Perfektion.
Bildname

Die Innenausstattung besteht fast durchweg aus Stücken von höchster künstlerischer Qualität, wobei die Fülle und Geschlossenheit des überkommenen liturgischen Bestandes in keiner anderen Kirche Norddeutschlands erreicht werden. Sie blieb von Kriegswirren und Bilderstürmen weitestgehend verschont - in keiner anderen Zisterzienser-Klosterkirche europaweit blieb eine reichere Originalausstattung erhalten. Hierzu gehört insbesondere der älteste Flügelaltar der Kunstgeschichte. Das Münster ist damit im gesamten Ostseeküstenbereich ein einzigartig dastehendes Kunstdenkmal. - Mit diesen schlagkräftigen Argumenten versucht das Landesamt für Denkmalpflege seit 2010, das Doberaner Kloster gemeinsam mit Lögum (Dänemark) und Pelplin (heute Polen) in die Weltkulturerbeliste der UNESCO eintragen zu lassen. 26

Der seit sieben Jahren unter Herzog Heinrich dem Löwen christianisierte Obotritenfürst Pribislav gründete mit Berno, dem ersten Bischof von Schwerin, ursprünglich ein Mönch aus Amelungsborn, das Kloster Alt-Doberan. 27 Die Zisterzienser kamen aus Amelungsborn an der Weser, einer Filiale von Kamp am Niederrhein, diese vom Mutterkloster Morimond abstammend. Mönche siedelten hier in Althof ab 1171, doch in Folge von Thronfolge-Streitigkeiten wurden die Gebäude acht Jahre danach dem Erdboden gleich gemacht, möglicherweise sogar Mönche getötet. Sieben Jahre später wagten die Mönche unter Fürst Heinrich Borwin I. einen Neuanfang 3 km weiter am heutigen Standort auf einer sandig-erdigen Spülinsel im Zusammenfluss dreier Bäche.

Kloster Doberan entwickelte sich durch gute Unterstützung von Kaufleuten aus Lübeck, Wismar und Rostock - wo Handelshöfe unterhalten wurden - sowie der Landesherren und des Adels prächtig. Bauern aus Nieder-Sachsen und Westfalen siedelten sich an. Ein „hulzernes Münster", vielleicht auch schon eine steinerne Kirche, wurde 1232 geweiht. Vom ersten Backsteinbau sind noch an der westlichen Stirnwand des Südschiffs die rundbogige romanische Pforte, ein Bogenfries und ein Stufengiebel im sonst gotischen ab 1270/80 errichteten Baukörper erkennbar. Die Klausur war schon zur Mitte des Jahrhunderts fertig. Kurz danach stand auch der achteckige Turm aus wechselnden Schichten von tiefrotem Backstein mit glasierten Ziegeln nördlich der Kirche, das Beinhaus in der Krypta mit der Michaelskapelle darüber, neben Hardehausen bei Paderborn der einzige erhaltene Karner Norddeutschlands.
Bildname

Es folgten das Kornhaus (später Schulhaus) im Süden, das Siechenhaus im Nordwesten (die sog. Wolfsscheune, seit Mitte des 19. Jh. Ruine), das Wirtschaftshaus (seit dem Brand von 1978 Ruine), Novizenhaus und Wohnhaus, alle noch im 13. Jh. wie die nur in Doberan fast komplett erhaltene Ringmauer von 1,4 km Länge und etwa 2,5 m Höhe. Elf Äbte über einen Zeitraum von 74 Jahren begleiteten bis zur Schlussweihe 1368 den gotischen backsteinernen Bau der Münsterkirche. Bald danach wird das Kloster als „reich und glücklich" bezeichnet.

Von Osten sieht man den hoch aufragenden, mit 5/8 polygonal geschlossenen Chor, den ein Kranz von niedrigeren ebenfalls polygonalen Kapellen umgibt. Jede Kapelle hat seit 1884 ein eigenes Pyramidendach statt des einheitlichen Schleppdaches.
Bildname
Bildname
Das Querhaus wird von zwei hohen Fenstern beleuchtet, an das sich das ebenso dreischiffige Langhaus ohne Turm anschließt. Dieses Mittelschiff der Pfeilerbasilika hat neun Joche mit einem Kreuzrippengewölbe. Vorbilder dürften für den Grundriss der Dom und für den Aufriss die Marienkirche in Lübeck gewesen sein. Die notwendigen Strebebögen wurden geschickt unter den Dächern der Seitenschiffe verborgen.

Mittelschiff und Kapellenkranz sind 78 m lang, das Querschiff 30 m. Die 24 gleichartigen Pfeiler stehen für die zwölf Apostel und die zwölf Propheten. Die auffällig mit orientalischem Kachelmuster bemalten Zentralpfeiler des Querhauses könnten von einer Pilgerreise des Fürsten Heinrich I. um 1300 inspiriert sein. Das Gewölbe ragt 26,5 m auf, im Seitenschiff knapp halb so hoch.

Den Blick lenkt in der Mitte zwischen Laien- und Mönchschor das Triumphkreuz auf sich mit seiner Vergoldung und den grünen Weinblättern ringsum; es hat eine Marien- und eine Christusseite (Bild links), darunter steht der ebenfalls doppelseitige Kreuzaltar mit Szenen wie Adam und Eva (Bild rechts) oder Christus vor Pilatus. Das geschnitzte Gestühl im Laienchor zu beiden Seiten ziert z.B. ein Löwe als Auferstehungssymbol, das andere im Mönchschor u.a. die Äbte Benedikt von Nursia und Bernhard von Clairvaux. An prominenter Stelle steht der schon genannte Hochaltar von um 1300, links Geburt, rechts Passion Christi, darunter Altes Testament und Apostelreihe. Links davon steht der 11,6 m hohe Sakramentsturm von 1360, der älteste in Deutschland, in dem die geweihte Hostie aufbewahrt wurde, daneben der seltene Kelchschrank. Ebenfalls vorn im Mittelschiff rechts finden wir den Marienleuchter und den Levitenstuhl. Gehen wir durch das südliche Seitenschiff um den Chor, sehen wir zuerst den Mühlenaltar, der sehr bildhaft die Wandlung vom Wort zum Fleisch zeigt, dann die verschiedenen Grabkapellen, von denen die Grabfigur für Königin Margarete von Dänemark als älteste Grabplastik in Mecklenburg und als älteste Frauen-Grabplastik aller Zisterzienser-Klöster besonders hervor gehoben werden soll. 28
Bildname

Als Tochterklöster wurden 1209 Dargun (siehe Kapitel 2.2) und 1258 Pelplin in Westpreußen gegründet. - Mit der Reformation 1552 endete das Klosterleben. Herzog Ulrich I. von Mecklenburg-Güstrow übernahm die Anlage, ließ sie in Stand setzen und für die lutherische Gemeinde nutzen. Im Dreißigjährigen Krieg litt das ehemalige Kloster schwer durch Plünderungen, die Kirche stand ohne Dach, da Kupfer und Blei verwertet wurden. 1652 konnte ein neues Dach aufgesetzt werden. Die Klausur wurde drei Jahrzehnte später abgerissen, die meisten anderen Gebäude Anfang des 19. Jh. Doberan war unbedeutend geworden, bis Herzog Friedrich Franz 1793 die Idee eines ersten deutschen Seebades verwirklichte.

Das Doberaner Münster bildet in Architektur und Ausstattung eine weitgehend wohlerhaltene Einheit, so dass die Kirche als Perle zisterziensischer Baukunst im besonderen und der gotischen Backsteinarchitektur im allgemeinen gerühmt wird. 29 Das Erscheinungsbild des heutigen, zweiten Baues wirkt wenig bescheiden, sondern lehnt sich an hochgotische Kirchen der Hansestädte an. - Leider konnten wir nur etwa ¼ Stunde in der Münsterkirche bleiben, weil eine Silberhochzeit begann.
Bildname
2.2 Dargun
Mönche aus dem dänischen Esrom auf Seeland, einer Tochter von Clairvaux, gründeten zum erstenmal Kloster Dargun bei Demmin, im Land der Zirzipanen, eines Volkes rund um den Fluss Peene, nach einem Kriegszug König Waldemars auf das Festland 1172, als ihr erstes von Dänen gegründetes Kloster in Norddeutschland. Die Altarweihe vom Schweriner Bischof kommt einer Anerkennung durch das Herzogtum Mecklenburg gleich.

Spätestens 1199 flüchteten nach dem dritten Krieg Dänemarks gegen Brandenburg und Pommern die Mönche in die Nähe von Greifswald (siehe Kapitel 4.1), wo sie Kloster Eldena (siehe Kapitel 2.3) aufbauten.

Der zweite Versuch glückte Mönchen aus dem Kloster Amelungsborn bzw. dessen Filiale Doberan (siehe Kapitel 2.1), die Dargun 1209 wieder besetzten. Um die kreuzförmige Pfeilerbasilika wurde von 1225 - 70 das Kloster vervollständigt. Am Baukörper der Kirche lassen sich noch dänische Stilelemente ablesen. Die Kirche ist eine kreuzförmige, im gebundenen System gewölbte Pfeilerbasilika aus Backstein; Querschiff und Umgangschor folgen dem Vorbild Doberan. 30 Im 14. und 15. Jh. wuchs Dargun zu einem der größten Feldklöster, es hatte Mitte des 14. Jh. den höchsten Anteil der Abgaben aller Klöster in Norddeutschland nach Cîteaux zu zahlen. Zu Dargun gehörten 60 Dörfer, Teilbesitz von 35 Orten, 30 Mühlen, zwei Salzpfannen, zwölf Haffkähne zur Fischerei, dazu zahlreiche Krüge, Herbergen, Ziegeleien und Landwirtschaften.
Bildname

Wie in Doberan war 1552 das Kloster aufgelöst worden, das Herzogtum Mecklenburg-Güstrow übernahm den Besitz. Auf den Grundmauern des Klosters wurde als vierflügelige, dreigeschossige Anlage mit runden Ecktürmen eines der schönsten Schlösser in Mecklenburg als Witwensitz erbaut. 31 Das Land richtete 1873 hierin die erste Ackerbauschule ein. Leider fielen Schloss und Kirche noch am 30. April 1945 einer Brandstiftung zum Opfer. Die Ruinen wurden in den letzten Jahrzehnten gesichert, z.T. Betondecken eingezogen und im wieder eingedeckten Mittelrisalit eine Treppe aufgebaut. 32

Der Kloster- bzw. Schlosshof dient heute für Konzerte unter freiem Himmel, auf der Wiese außerhalb wurde während unseres Besuches ein mittelalterlicher Markt (einer der besseren dieser häufigen Art) abgehalten. - Wir nutzten die Morgenstimmung, um vor der wieder verglasten Seitenschiffwand unsere erste Morgenandacht zu halten. Dazu hatte Frau Inge Wilkens, Ehefrau des Altbischofs von Holstein-Lübeck, Gesangshefte und Psalmenblätter austeilen lassen, aus denen wir gemeinsam sangen bzw. rezitierten. Sie würdigte dabei den Hl. Bernhard (siehe Kapitel 1.3), dessen Liebe nach innen und nach außen wirkte, nicht Fliehkraft und nicht Konzentration siegten in ihm. Seine Bedeutung erlangte er als Mystiker wie als Politiker.

2.3 Eldena
Eldena liegt gleich östlich von Greifswald am Flüsschen Ryck am Bodden. Die Ruine kennt die Welt von Werken des Malers Caspar David Friedrich. Die aus Dargun geflüchteten Mönche siedelten sich mit Erlaubnis des unter dänischer Lehnsherrschaft stehenden Rügenfürsten Jaromar 1199 am seinerzeit so genannten Hilda-Fluss an, danach hieß das Kloster zuerst Hilda. Der Fürst stattete das Kloster großzügig mit einem Platz zur Salzgewinnung, einer „Salzpfanne", sowie Land aus und befreite es von Abgaben. Papst Innozenz III. erkannte Eldena bereits 1204 an. Fünf Jahre später durften die Mönche Priester in neuen Pfarreien einsetzen und Handwerker anwerben. Die Äbte waren sogar Herren über Greifswald (siehe Kapitel 4.1), bis sie die Rechte nach vier Jahrzehnten an den Pommernherzog abtraten. Kirchen und Schulen unterstanden weiter dem Kloster, das sogar 1456 unter Abt Sabellus die Universität mit begründete. Die Herzöge zogen 1535 Bargeld und Kleinodien ein und säkularisierten das Kloster. Der letzte Pommernherzog Bogislav XIV. vermachte 1634 den gesamten Klosterbesitz der Universität. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Gebäude verwüstet. Die Klosterruinen dienten nun als Steinbruch für den Bau von Festungen und Gebäuden der Universität. In Eldena entstand 1835 eine Staats- und Landwirtschaftliche Akademie. 33
Bildname
Bildname
zurück   Übersicht   weiter
Bildname