3 Die Klöster der Benediktiner
3.1 Einsiedeln  
Die Benediktinerabtei Maria Einsiedeln, Mittelpunkt des etwa 13.000 Bewohner zählenden Wallfahrtsortes auf etwa 900 m Höhe im Kanton Schwyz südlich des Zürichsees, gilt als einer der schönsten barocken Gebäudekomplexe Europas. 52
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Der von der Insel Reichenau stammende Benediktinermönch und Lehrer Meinrad oder Meginrat ging auf den Berg Etzel. Um 835 zog er tiefer in den „finstern Wald", wo er eine Einsiedelei errichtete. Der Sage nach wurde Meinrad 861 von zwei Landstreichern wegen vermuteter Schätze erschlagen. Daraufhin sollen zwei Raben die Mörder verfolgt und vor Gericht gebracht haben; auf dem Einsiedler Wappen sind sie zu sehen.

934 wurden die Einsiedler im Wand zu einer Gemeinschaft zusammen gefasst und an der Stelle von Meinrads Zelle die erste Abtei erbaut, die 947 von König Otto I. zum Reichskloster erhoben wurde. Mehrmals durch Feuer zerstört, durchlebte die Anlage von der Romanik über die Gotik bis zum Barock nahezu alle Baustile.
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Die heutige Klosteranlage entstand zwischen 1704 - 1735 nach den Plänen des Barockbaumeisters Kaspar Moosbrugger. Die Kirche zeichnet sich vor allem durch ihre überwältigende räumliche Wirkung im Innern sowie durch ihre reiche Ausstattung aus.

In der Barockkirche steht die alte Gnadenkapelle, die 1286 erstmals erwähnt wurde und im 17. Jh. vollständig mit schwarzem Marmor ummantelt. Das Gnadenbild der „schwarzen Muttergottes" darin aus dem 15. Jh. zieht Tausende Pilger an.
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Die Arkaden auf dem Klosterplatz sollen ähnlich wie beim Vatikan in Rom wie zwei Arme die Pilger einladen. Zwischen den beiden 56 m hohen Türmen mit zwölf Glocken wölbt sich die Kirchenfront eindrucksvoll vor. Der erste Zentralraum hinter dem Eingang, das Oktogon,  ermöglicht den Pilgern, die Gnadenkapelle bei Prozessionen zu umschreiten. Im Langhaus folgt der sog. Predigtraum auf vier Pfeilern und nimmt an Höhe zu, die Abendmahlskuppel darüber ist 15 m weit und 21 m hoch. Es schließt sich der mit 30 m noch höhere Raum der Weihnachtskuppel an. Der schmale Chor schließt die Kirche ab. Bis zum Hochaltar ist die Kirche 100 m lang, mit dem Obern Chor sogar 113 m. Die Deckenfresken stammen von Cosmas Damian Asam und die meisten Stukkaturen von Egid Quirin Asam.

Im Kloster ist die Stiftsschule Einsiedeln untergebracht, die in sechs Jahren auf die Maturität vorbereitet, besonderes Gewicht wird auf Sprachen gelegt. Viel Interesse findet die Pferdezucht des Klosters. Daneben werden Forst, Sägerei und Landwirtschaft betrieben. 53

3.2 Königsfelden
Nicht die Benediktiner, auch nicht die Zisterzienser, sondern die Franziskaner errichteten bei Brugg im Kanton Aargau ein Doppelkloster, das als habsburgische Grablege gestiftet wurde. Die gotische Kirche wurde als dreischiffige Basilika mit Flachdecke 1310 begonnen. Die Fenster des Chors zeigen einen bedeutenden Gemäldezyklus 1325 - 30. 54
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3.3 St. Gallen
Der Legende nach soll dem Mönch Gallus ein Bär (dessen Männlichkeitszeichen das Wappen rot hervor hebt) beim Tragen der schweren Hölzer geholfen haben. 719 wurde hier die Abtei gegründet, aus der unter Abt Otmar ein Benediktinerkloster hervor ging. Die Abtei erlebte ihre kulturelle Blüte zwischen dem 9. und 11. Jh. als Wallfahrtszentrum. In Europa berühmte Gelehrte und Denker wie Notker der Stammler und Ekkehart verstärkten die geistige Strahlkraft St. Gallens.

An der Stelle eines Vorgängerbaus entstand von 1755 - 66 die barocke Stiftskirche mit zwei Türmen (Bild unten). Die Kathedrale mit ihrer Ausstattung zwischen Rokoko und Klassizismus, ist einer der letzten monumentalen Sakralbauten des Spätbarock. Sie überzeugt mit ihrer Harmonie der Räume, dem runden Mittelbau mit zwei sich entsprechenden Längsbauten nach Osten und Westen, die alle von mitschwingenden Seitenschiffen begleitet werden.
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Die im Barock stets angestrebte organische Verbindung von Zentral- und Longitudinalräumen ist hier zum Ende der Stilepoche vollkommen geglückt. Der Raum misst 97 m Länge und 27 m Breite, die Rotunde 37 m Durchmesser, die Decke ist 20 m hoch und die Kuppel 27 m. Die herrlichen Deckengemälde bedecken 2.500 m² (Foto unten links). 55 Der Chorraum mit seinem Gestühl und Hochaltar wird von einem mächtigen Schmiedeeisengitter mit Zentralperspektive abgetrennt.

Die Stiftskirche und -bibliothek wurden 1983 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Nach dem Besuch der Barockkirche genossen wir eine offene Führung in der Bibliothek. Für den außergewöhnlichen Bildeindruck muss das eigene Gedächtnis ausreichen, da das Fotografieren nicht erlaubt ist. Vielleicht ist die Stiftsbibliothek eine der ältesten des Abendlandes, bestimmt aber besitzt sie mit 2.000 Handschriften eine der zwanzig wichtigsten dieser Sammlungen. Vorläufer dieser „ganz normal benutzbaren Studien- und Leih-Bibliothek soll ein Turm für Bücher gewesen sein.
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Über dem Eingang steht auf griechisch ein Wortpaar, das sich als „Seelen-Apotheke" übersetzen lässt. Der Raumeindruck des Saales ist „kmöcki", einfach schön, und „nur eine Dreingabe", meinte der Museumsführer. Gewiss ist der reich bewegte, festlich verzierte, edel ausgewogene Büchersaal der schönste Leseraum der Schweiz, der als einer der formvollendetsten Bibliotheksbauten der Welt gepriesen wird. Das Werk entstand 1758 - 67 wie die Stiftskirche unter Fürstabt Cölestin Gugger von Staudach. 56
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Die mit Intarsien verzierten Wandschränke unter dem stuckierten Tonnengewölbe mit Ölgemälden der vier Urkonzilien bergen auf zwei Geschossen den kostbaren Bücherbestand, die eigentliche Sensation: 30.000 Bände sind hier im ersten Stock, 120.000 am Lager. Das älteste Buch entstand bereits um 400 n. Chr. Alle 355 über ein Jahrtausend alte Codizes sind bereits ins Internet eingestellt. Weltbekannt ist auch der St. Galler Klosterplan aus dem Jahr 820, auch über ihn finden wir etwas im Internet. 57

Foto rechts: Eine der ältesten Glocken der Christenheit, am Pfeiler rechts hinter dem Chorgitter. Zu den Kostbarkeiten zählen weiterhin um das Jahr 900 angefertigte Elfenbeintafeln, der Psalter vom Meister der althochdeutschen Schriftsprache Notker Labeos aus dem 10. Jh., eine Handschrift des Nibelungenliedes aus dem 13. Jh., zahlreiche Übersetzungen aus dem Lateinischen in das Alemannische sowie Werke mittelalterlicher Dichtkunst. 58 Überdies besitzt die Bibliothek eine ansehnliche Sammlung an seltenen Wiegen- und Frühdrucken, die etwa 1.000 Inkunabeln aus der Zeit des beginnenden Buchdruckes bis 1500 umfasst.
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3.4 Marienberg
Der festungsartige Bau des Benediktinerklosters Marienberg liegt im italienischen Vinschgau nahe der Schweizer Grenze oberhalb von Burgeis auf 1.340 m Höhe; damit ist es die höchstgelegene Benediktinerabtei Europas. Gegründet hat es das churrätische Edelgeschlecht der Herren von Tarasp. Am heutigen Standort wurde ab 1149 meist mit Material der geschleiften Burg Kastellarz der Gründerfamilie gebaut. 59
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Ältester Teil ist die Krypta von 1160; die Klosterkirche wurde 1201 der Hl. Dreifaltigkeit, dem Hl. Kreuz und der Jungfrau Maria geweiht. Der Freskenzyklus in der Krypta bildet ein einzigartiges Denkmal romanischer Kunst. Von der byzantinischen Ausmalung der Kirche blieben nur Fragmente. Das Rundbogenportal ist ein hervor ragendes Beispiel für die hoch stehende Technik der Steinmetzarbeit im 12. Jh. Das Tympanon zeigt die dem Jesuskind einen Apfel reichende „schöne Madonna im Weichen Stil vom Anfang des 15. Jh.

Anfang des 17. Jh. stand das Kloster vor seiner Auflösung, als nur noch ein Mönch hier lebte. Abt Matthias Lang aus Weingarten am Bodensee zog viele neue Mönche aus dem vom Dreißigjährigen Krieg geschundenen Deutschland an, die in Marienberg Zuflucht fanden. Die romanische Stiftskirche wurde von 1642 - 47 barockisiert (rechts: Himmelskönigin segnet das Modell des Klosters). Das Querschiff wurde abgetrennt und in eine Sakristei, einen Betchor und die Prälatenkapelle umfunktioniert. Die Seitenschiffe bekamen Zwischenwände für Seitenkapellen. Die Stukkaturen in Weiß und Gold lassen die vorhandenen Baustrukturen als beachtliches Zeugnis des Frühbarocks in Tirol wirken.

1724 gründete das Kloster in Meran ein humanistisches Gymnasium. 1807 hob die bayerische Regierung das Kloster auf, vertrieb die Mönche und raubte Archiv und Bibliothek;  sie schloss das Meraner Gymnasium. Kaiser Franz I. stellte 1816 Abtei und Schule wieder her. Im 19. Jh. war das Gymnasium ein Bildungszentrum ersten Ranges, bis es 1928 durch politischen Druck geschlossen und später von 1946 - 86 wieder betrieben wurde. 60
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3.5 Münstertal/Val Müstair
Das Benediktinerkloster St. Johannes der Baptist liegt in der äußersten südöstlichen Ecke des Kantons Graubündens und damit der Schweiz, nur einen Kilometer vor der italienischen Grenze Süd-Tirols. Erst vor einem guten halben Jahrhundert wurden die karolingischen Wandfresken aus dem 8. Jh. frei gelegt, nachdem sie ein halbes Jahrtausend weiß übertüncht waren. Die festungsartige Kirche birgt den umfangreichsten, noch erhaltenen Bilderzyklus aus der Zeit der Karolinger und gilt als eines der größten Kulturdenkmäler dieser Zeit in ganz Europa. Daher wurde das Kloster unter der Nr. 75 bereits 1983 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.
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Karl der Große selbst, dessen Steinbild von etwa 1165 am Chorpfeiler steht (Foto links), soll das Kloster gegründet haben. Der alte Name Tuberis ging später als Taufers auf den Ort über. Vier Jahrhunderte nach den Mönchen zogen Nonnen ein. Das „Wunder der blutenden Hostie" machte das Kloster zum Wallfahrtsort. Das Kloster verlor durch Schwabenkrieg (1499), Reformation und Revolution seine Bedeutung und ist seit 1810 einfaches Priorat. 61

Die Klosterkirche, mit drei gleich hohen Chorapsiden, nach „churrätischem Schema", hat sich nur hier in Müstair und in Mistail erhalten. Die niedrige vierte nördliche Apsis gehört zum dem Hl. Martin gewidmeten Annex, die fünfte südliche für den Hl. Benedikt fehlt heute.
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Die Klosterkirche, ursprünglich ein Saalbau mit einer flachen Holzdecke, wurde unter Äbtissin Angelina Planta mit einem von drei Rundpfeilerpaaren getragenen bemalten Rauten- und Netzgewölbe zu einer spätgotischen Hallenkirche umgestaltet. Die Gewölbe verdecken zwar die obere Bilderreihe, haben aber beim Klosterbrand 1499 Schlimmeres verhindert. Auch Westempore und Spitzbogenfenster sowie der südlich angebaute Glockenturm (Foto oben rechts) sind gotisch.

Der Gemäldezyklus auf fünf Streifen in einst 82 Feldern ist vor allem an der Nordwand gut erhalten. Er beginnt oben im Süden mit dem Ahnherrn David (teilweise ins Landesmuseum Zürich verlagert), setzt sich fort mit der Kindheit, Lehr- und Wundertaten sowie Passion Christi, und schließt kaum noch erkennbar unten ab mit der Kreuzigung von Petrus und Andreas. Die impressionistischen Bilder in Rotbraun zielen auf Fernwirkung. Vorbild dürfte eine byzantinische oder hellenistische Bilderhandschrift gewesen sein.
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Die Mittelapsis krönt „Christus in der Glorie", darunter die Sinnbilder der Evangelisten (Foto oben rechts). Die Südapsis zeigt ein Gemmenkreuz mit Rundbildern und ist St. Stephan gewidmet.

In der Nordapsis kommen die Apostelfürsten zu Ehren: Petrus empfängt den Schlüssel, Paulus das Buch. Gegenüber, an der Westwand über der Empore, das Fresko „Jüngstes Gericht, ist die älteste erhaltene Monumental-Wandmalerei aus der Karolingerzeit.

Zum ausgehenden 12. Jh. sollte nach einer Schenkung die Kirche neu ausgemalt werden. Was hier teilweise den karolingischen Untergrund verdeckt, gehört „zum Besten romanischer Wandmalerei überhaupt. Die Mittelapsis zeigt links die Enthauptung neben der über Kopf tanzenden Salome und rechts das Gastmahl des Herodes, bei dem Salome das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers hält (oben). Erstaunlich frivol wirkt eine Frau mit Kelch im geschlitzten Lederkleid rechts. Die Südapsis schildert dramatisch die Steinigung des Stephan, den Leichenzug und die Bestattung. Die Nordapsis zeigt die Kreuzigung Petri - bekanntlich mit dem Kopf nach unten - und die Enthauptung Pauli, danach die Bestattung der beiden Heiligen. 62

Das Stuckrelief der Taufe „Christus im Wellenberg über der vermauerten Nordtür wurde vermutlich 1090 geschaffen. Links vom Hauptaltar finden wir das spätgotische Sakramentshäuschen für die Bluthostie, die in den Revolutionswirren 1799 verloren ging. Der Hochaltar, ein feines Kunstwerk des Frühbarock, wurde um 1630 geschaffen.

Die südlich, direkt an der Straße stehende, Heilig-Kreuz-Kapelle mit Kleeblatt-Grundriss verkörpert romanischen Stil und ist nicht zu besichtigen. Jüngste archäologische und dendrochronologische Untersuchungen ergeben Baudaten ab 785. Zwischen Unter- und Obergeschoss liegt die älteste datierte Holzdecke Europas. 63
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Nördlich der Kirche ragt der mit Schwalbenschwanz-Zinnen bewehrte, mit Pultdach gedeckte Planta-Turm auf, den Äbtissin Angelina Planta um 1490 ausbauen ließ. Die Bausubstanz geht bis auf die Zeit um 960 zurück. Übereinander sind der Gewölbekeller (nicht zu besichtigen), das Refektorium (mit blauer Marmorbemalung, darin Prunkgeschirr aus Zinn), das Dormitorium (für maximal 30 Schwestern, mit vier gotischen Reliefs und der barocken Äbtissin-Wohnung von 1630, behagliche Wandvertäfelung siehe links) und die Einzelzellen über eine Treppe zu besteigen. Kunstschätze hat das Kloster auch: Die Pieta (rechts im Bild) stammt aus dem 13. bzw. 14. Jh.

Das Kloster wird auch heute von zwölf Nonnen bewohnt, wie uns die kundige Führerin sagte, eine sei 28 Jahr jung, die anderen 60 bis 82 Jahre alt.

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