4.8 Naumburg
Am rechten Ufer der Saale, gegenüber der Einmündung der Unstrut, liegt Naumburg, der Sitz des Burgenlandkreises, mit rund 30.000 Einwohnern. Wie der Name schon vermuten lässt, geht er auf eine "neue Burg zurück, die vor einem Jahrtausend wohl unter Markgraf Ekkehard I. von Meißen angelegt wurde. 1028 verlegte Kaiser Konrad II. nach Genehmigung durch Papst Johannes XIX. den Bischofssitz von Zeitz an der befehdeten Ostgrenze hierher in das Stift, das bereits sieben Jahre vorher bestand.
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1033 entstand zu Füßen des Doms die Stadt, Rechte sind für 1142/44 benannt. Naumburg gehörte ab 1564 zu Kursachsen, ab 1815 zu Preußen. 26

Weit über das Saalegebiet hinaus ist der Naumburger Dom St. Peter und Paul als einer der bedeutendsten Sakralbauten Deutschlands bekannt (links). Er ist eine kreuzförmige, doppelchörige, dreischiffige, viertürmige Pfeilerbasilika. Er steht am Platz einer älteren Kirche, die 1042 geweiht wurde und deren Kryptamauern teilweise erhalten sind; die Säulen der Krypta mit ihren Blattkapitellen wurden 1170 - 80 erneuert. Der heutige Dombau wurde Anfang des 13. Jh. begonnen und um 1330 mit Ostchor und Osttürmen vollendet, der Westchor war bereits 1250 fertig. Stilistisch lässt sich am Naumburger Dom von Osten nach Westen der Wechsel von der späten Romanik zur französisch geprägten frühen Gotik ablesen.

Meist noch bekannter als das Dombauwerk ist sein plastischer Schmuck, der zum besten deutschen gehört, insbesondere im Westchor. Man durchschreitet das von einer plastischen Kreuzigungsgruppe beherrschte Lettnerportal. Hier erwarten einen zwölf lebensgroße Stifterfiguren. Schon das Aufstellen profaner Plastiken im allein dem Klerus vorbehaltenen Chor war ebenso neu wie unerhört. Der anonyme "Naumburger Meister war der erste, der vom allgemeinen Typ weg zur einmaligen Persönlichkeit mit ihrem seelischen Ausdruck in Mine und Gebärde vordrang. Die scheinbare Bewegung der Figuren verleiht dem Werk seinen krönenden Abschluss. Der Naumburger Meister gilt als einer der größten Bildhauer des europäischen Mittelalters. Zur Zeit der Steinmetzarbeit waren die dargestellten Personen schon zwei Jahrhunderte tot. Kleidung und Waffen zeigen daher die Mode des mittleren 13. Jh. Die vom Bildhauer erfundenen Gesichter könnten Porträts sein. 27

Die bekanntesten der lebensgroßen Steinfiguren unter ihren Baldachinen, die mit dem Tragwerk des Chores untrennbar verbunden sind, heißen Ekkehard II. von Meißen und seine Gemahlin Uta von Ballenstedt. Die Gestalt der traurig und etwas verloren blickenden Uta wird als eine der genialsten Schöpfungen der deutschen Bildhauerkunst gerühmt. Uta hält Schutz suchend ihren weichen Mantelkragen mit ihrem innen liegenden Arm bis zur halben Gesichtshöhe hoch. Die linke Hand zieht den anderen Mantelteil an sich und schafft ein Bewegungsmotiv. Doch wovor sucht die edle Frau Schutz? Vor ihrem eigenen, Macht gewohnten Gemahl, der mit Schild und Schwert neben ihr leicht verächtlich die Lippen schürzt über seinem Doppelkinn, wie uns 1993 eine Domführerin sagte. Ekkehards cholerischer Charakter und das etwas grobe Aussehen kommen voll zum Ausdruck. Ekkehards Leben scheint nicht gerade tugendhaft verlaufen zu sein: 1034 ließ er seinen Schwager Dietrich von Wettin ermorden, der Überlieferung nach soll er die große Liebe Utas gewesen sein. 28
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Gegenüber, wegen der zu Forschungsarbeiten aufgestellten Baugerüste für uns nur schwer zu sehen, sind die Standbilder des Hilfe bedürftig blickenden Markgrafen Hermann und seiner Gemahlin Reglindes mit ausgesprochen vergnügter, mitteilsamer Mine.

Der romanische Ostlettner von 1225 gilt als ältester erhaltener, voll ausgebildeter Hallenlettner auf deutschem Boden (rechts).
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Ihm gegenüber steht der Westlettner, das Hauptbeispiel deutscher Frühgotik (unten). Dargestellt wird die Passion Christi, realistisch und volkstümlich erzählt. Sie beginnt mit dem Abendmahl, dann folgt die Auszahlung der Silberlinge, die Gefangennahme Christi, und auf der linken Seite des Giebels eine Magd, die auf den Jünger zeigt und mit offenem Mund zu sagen scheint: "Dieser war auch mit Jesus. 29

Auf der anderen Seite des Durchgangs schließen sich an: Christus vor Pilatus, plastisch mit Wasserschalen über und unter seiner Hand, sowie die Geißelung und eine Kreuztragung. Die letzten beiden Bilder sind aus Holz und ersetzen seit Mitte des 18. Jh. nach einem Brand die Originale.
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Zum Schluss besuchten wir mit unserer Domführerin die im Erdgeschoss des Nordwestturms eingerichtete Elisabeth-Kapelle. Elisabeth von Thüringen lebte von 1207 - 31 und zählt zu den bedeutendsten Frauengestalten des Mittelalters und zu den heraus ragenden Charakteren der europäischen Geschichte. Obwohl ungarische Königstochter und Landgrafengattin, widmete sie ihr Leben aufopferungsvoll mit Hingabe den Armen und Kranken. Die geheimnisvolle Skulptur ist bereits kurz nach ihrer Heiligsprechung entstanden; im Kopf waren Reliquien verborgen. Die roten Fenster von 2007 spenden ein mystisches Licht. 30  - Fotografieren im Dom ist erlaubt, kostet aber 5 Euro. Das Geld kommt einer seit 80 Jahren bestehenden Stiftung zu Gute, die auch die Dome zu Merseburg und Zeitz bewirtschaftet.

4.9 Weißenfels
Bis zur letzten Landkreisreform vor zwei Jahren war Weißenfels mit rund 29.000 Einwohnern Kreisstadt, jetzt gehört sie zum erweiterten Burgenlandkreis. Sie liegt am Austritt der Saale aus dem Buntsandsteingebirge in die Leipziger Tieflandsbucht. Zwei Handelsstraßen und der Übergang über den Fluss waren die Standortvorteile bereits 1185, als die Stadt bei der Burg "auf den weißen Fels gegründet wurde. Textil- und Lederhandwerk prägten die Wirtschaft. In Folge der Kohleförderung setzte ab Mitte des 19. Jh. eine Industrialisierung mit zahlreichen Fabriken ein. Bis zum Ende der DDR entwickelte sich Weißenfels zu deren größten Standort für die Produktion von Schuhen; über 6.000 Beschäftigte arbeiteten in den Fabriken im Raum Weißenfels, die drei Viertel aller Schuhe für die DDR herstellten. Heute werden hier keine Schuhe mehr angefertigt. 31
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Wir besuchten nur das Schloss Neu-Augustusburg von außen. Innen gibt es ein Museum zur Geschichte der Stadt, inklusive Schuhmuseum. Die bereits von außen restaurierte Schlosskirche fanden wir leider verschlossen vor. An der Orgel dieser Kirche soll die hohe musikalische Begabung von Georg Friedrich Händel entdeckt worden sein, wie eine von mehreren Plaketten verkündet. Baumeister des Schlosses waren Johann Moritz Richter und dessen Sohn. Sie schufen von 1660 - 94 eine der größten frühbarocken Schlossanlagen in Mitteldeutschland.

Der Bau galt den nachgeborenen Söhnen und wurde so lange voran getrieben, bis die Handwerker kein Geld mehr bekamen, wie Dr. Budesheim uns erklärte. Bereits nach einem Jahrhundert, 1746, starb das Herzogsgeschlecht aus. 1815 machten die Preußen das Schloss zur Kaserne. Eine zweisprachige Plakette erinnert an die 69. Infanterie-Division der U.S. Army und an die Gefallenen beider Seiten in den Kämpfen vom 12. - 15. April 1945. Heute ist die Stadt Eigentümerin, der die Instandhaltung und -setzung schwer fällt. 32  Etliche Einschusslöcher sind bis heute im Putz der Parkseite sichtbar.

4.10 Freyburg
Die Stadt an der Unstrut, dem bedeutendsten linken Zufluss zur Saale, ist bekannt durch die Neuenburg und seit 150 Jahren auch durch die Sektkellerei „Rotkäppchen. Inzwischen zählt das Unternehmen zwar nur rund 100 Mitarbeiter, aber 100 Mio. Flaschen Sekt werden konzernweit verkauft, was die „Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH zur deutschen Marktführerin macht. Gut 5.000 Menschen leben in diesem friedlichen Weinbauort. Freyburg wurde 1203 ersterwähnt und bekam 1261 Stadtrecht. Die zweitürmige silberne Burg im Wappen bekam 1994 (warum auch immer) statt eines roten ein goldenes Dach.
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Die Stadtkirche St. Marien mit ihren Westtürmen, dem Vierungsturm und dem Querschiff stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jh., der gotische Chor aus der Zeit um 1400. Für den hier verstorbenen Friedrich Ludwig Jahn (1778 - 1852), genannt Turnvater Jahn, gibt es ein Denkmal. 33 Die Neuenburg ist von der Stadt aus kaum zu sehen, sie liegt hinter der Krümmung des Abhanges vor den Blicken verborgen. Bereits 1090 wurde die weiträumige romanische Anlage errichtet. Besonders sehenswert darin ist die zweistöckige Doppelkapelle.

Wir ließen uns Speisen und Weine in der Mittagspause in alten Lokalen der Stadt schmecken ("Künstlerkeller", rechts).

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