Die Stadt Wusterhausen an der Dosse
Ein Besuch in Kirche und Museum am Sonnabend, 15. Mai 2004
mit dem Historischen Verein der Grafschaft Ruppin e.V.

Wusterhausen war zwar eine der Städte im Altkreis Kyritz - bildet aber historisch wie das viel jüngere Neustadt den Westrand der ehemaligen Grafschaft Ruppin. Wusterhausen ist eine Kleinstadt. So leitete Theodor Fontane sein Kapitel „Wusterhausen a.D." mit einem Gedicht von G. Hesekiel ein:

„Kleine Städte aufzufinden,
Städte, die in wenig Jahren
Werden ganz und gar verschwinden,
Treibts mich über Land zu fahren...
Sind sie auch nicht schön geblieben,
Schön ist immer, was wir lieben."

Wusterhausen ist auch heute, fast eineinhalb Jahrhunderte später, noch nicht verschwunden. Und die Schönheit: Schon im Vorwort zur zweiten Auflage seiner „Wanderungen" vergleicht Fontane die märkische Natur mit manchen Frauen, wonach „auch die hässlichste immer noch sieben Schönheiten" habe. Diese in Wusterhausen aufzuspüren war unser Ziel.
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Hierzu sammelte sich eine Gruppe auf einem Parkplatz in Neuruppin und brach im Autokonvoi auf. In Wusterhausen angekommen wollten wir mit dem Vereinsfreund und Ortschronisten Gerhard Fenske (unten im Bild mit hellbrauner Jacke) die Stadtkirche St. Peter und Paul sowie das Heimatmuseum besichtigen, einen Stadtrundgang unternehmen und mit einem gemeinsamen Mittagessen abschließen. Doch lassen Sie mich zuvor einen kurzen Abriss der Stadtgeschichte bringen.
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Wir können schon aus der Zeit von vor zehntausend Jahren erste Besiedlungsspuren nachweisen. Jedoch konkreter wird es mit dem Slawen-Stamm der Doxanen (Dossanen), der um 600 die Gebiete der fast vollständig abgewanderten Germanen einnahm. Die zwei Flurnamen „Kleiner Burgwall" und „Großer Burgwall" deuten es an. Spätestens 1157 wurde die Slawenburg von Deutschen eingenommen und eingeebnet.

Eine deutsche Burg ist als „Civitas" ab 1291, als „Castrum", also festes Haus einer Burg, ab 1293 überliefert. 1233 bekam Wusterhausen Stadtrecht von den Edlen Johann und Gebhard von Plote (Plotho), vier Jahre vor Kyritz. Die Stadt war den Markgrafen von Brandenburg unmittelbar unterstellt, sie gelangte 1349 als Lehen in den Besitz der Grafen zu Lindow-Ruppin. 1524, nach dem Aussterben der Grafen, wurde Wusterhausen wieder kurfürstliche Immediatstadt.

An den einstigen Hafen erinnert noch die Straßenbezeichnung „Schifffahrt". 1 Dendro-chronologische Untersuchungen der Hölzer ergaben, dass er ab 1116 erbaut wurde. Wusterhausen war mit dem Privileg des Salzhandels des Landesfürsten ausgestattet. Das Gemeinwesen betrieb über die Dosse, Havel und Elbe einen regen Salzhandel mit Lüneburg, der es zu bedeutendem Wohlstand brachte. Wenn auch Theodor Fontane entzückt sich vorzustellen, „wie es mit einem Sechzehntel Anteil am Bug eines Orlogschiffes steht und dem König Waldemar samt dem ganzen Norden Gesetze vorschreibt", 2 war Wusterhausen doch seit 1360 Mitglied der Hanse. Zwei Jahrhunderte später war es damit aus, als das bei Belitz Salz gefunden und das Salzhandelsprivileg entzogen wurde, der Hafen vermoorte und wurde verfüllt.

Den Niedergang beschleunigten drei verheerende Stadtbrände von 1637, 1679 und schließlich 1758, als 169 Häuser einschließlich Rathaus und Stadtarchiv vernichtet wurden. Anders als in Neuruppin ist der „Schuldige" bekannt: Michael Hilgendorf hatte eine Pfeife durch Auflegen von Torfglut in Brand gesetzt, war durch seine Scheune in der Wildberger Straße 57 zu seinem Nachbarn gegangen und mit diesem auf dem Plänitzer Weg zu Stadt hinaus. Die beiden bemerkten eine mächtige Rauchwolke, grauenhaft beleuchtet von einem durch den herrschenden starken Wind gepeitschten Feuermeer. Hilgendorf fiel auf, dass die Kohle von seiner Pfeife verschwunden war. Er gab sich freiwillig der Behörde als Anstifter, wurde aber nicht verurteilt, weil er vor Gram im Gefängnis gestorben war. 3

Schon 1250 wurde eine Kirche, eine romanische Basilika, erwähnt. Bis 1474 wurde die Stadtkirche zu einer dreischiffigen gotischen Hallenkirche erweitert. Der Altar wurde am 29. Juni 1479, dem St.-Peter-und-Pauls-Tag, geweiht. Die Marienkapelle wurde 1525 als Taufkapelle angebaut, 1541 die Reformation eingeführt.

Aus der Zeit der Gotik sind zahlreiche Ausstattungsstücke erhalten: Das Chorgestühl, das Fresko „Maria Selbdritt", das Triumphkreuz über dem Eingang zur Marienkapelle, die Johannes-Figur am rechten Pfeiler des Chorbogens sind sämtlich von 1474. Die acht aus Eichenholz geschnitzten Chorstühle bezeichnet Fontane mit „1) Maria mit dem Christuskinde, 2) einen Bischof, 3) einen Abt und 4) einen Mönch". Der „Bischof" trage ein purprufarbenes, mit Edelsteinen besetztes Gewand, der „Abt den Schlüssel. Abt und Mönch interessierten ihn auch dadurch, dass beide Messbücher  in einem eigentümlichen Futteral gesteckt tragen, das nach oben zum bequemen Tragen verlängert ist. Wir nennen es Beutelbuch. Uns wurde bei den Figuren nach Maria Abraham mit Messer, nach dem Bischof der Heilige Petrus mit dem Schlüssel erklärt (Bild rechts).
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Die Renaissance steuerte 1575 die Nordempore bei mit ihren 21 der Lucas-Cranach-Schule zugeordneten Darstellungen aus dem Leben Jesu, wie Fontane schreibt nach Art der Kreuzwegstationen, aber darüber hinaus gehend über die Himmelfahrt bis zum Jüngsten Gericht, sowie die Kanzel von 1610, die 1694, schon im Barock, bemalt wurde. Die Pastoren-Porträts in der Marien-Kapelle nennt Fontane „völlig bedeutungslos", auch das Altarblatt des ungläubigen Thomas von etwa 1770 kommt nicht gut weg, denn der Maler „Bernhard Rode war ein sogenannter Schnellmacher".

Die Barock-Orgel von 1742 hatte 1713 eine Vorgängerin, wurde 1872 und 1968 - 78 restauriert und wird mit der Silbermann-Orgel in der Berliner Nikoai-Kirche verglichen. Leider wurden vor Jahren elf Pfeifen geklaut, wozu die Diebe durch eine Luke an der Rückseite vom Turm aus eingestiegen waren. Wir durften uns am Orgelspiel von der jungen Kantorin Laura Ulrich erfreuen.

Der Epitaph derer von Rohr/von Jürgass an der Südseite stammt aus der Dorfkirche von Ganzer und war nur noch ein Schutthaufen. Die Büste darin war 1945 mitgenommen worden und wurde vor drei Jahren neu angefertigt. Im Chor hinter dem Altar finden wir noch drei Tafeln für die Kriegstoten von den Befreiungs- und Reichseinigungskriegen, die unvollständige Tafel für den I. Weltkrieg hängt an der Turmwand des Südschiffes.
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1965 wurde die Marienkapelle (Bild am Anfang dieses Artikels mit Herrn Fenske) als Winterkirche abgeteilt und bekam eine kleine Orgel. Nach der Wende wurde das Dach neu gedeckt, die Fenster frisch mit Blei verglast und das seit dem Turmbrand von 1764 fehlende Gewölbe wieder eingebaut. In der Turmhalle zeigt der Kulturverein wechselnde Ausstellungen, wir betrachteten Keramiken.

Fontanes Bewunderung für diese „allerkleinsten Gemeinden", die Kirchen wie diese hervor bringen, „die uns auch heute noch, aller Verstümmelungen und Beraubungen ungeachtet, durch ein gewisses Maß von Schönheit und Reichtum imponieren", teilen wir alle.

Nach dem Kirchenbesuch kehren wir in das Heimatmuseum ein. Das stattliche barocke Fachwerkhaus (Bild am Anfang dieses Artikels) stammt von etwa 1764, nach dem letzten großen Stadtbrand, hat acht Achsen und ein Mansarddach. Auf der linken Seite war seit 1765 die Posthalterei eingerichtet, für die Hof- und Stallanlagen angebaut wurden. Sie blieb hier bis 1884. Anschließend haben hier verschiedene Kaufleute u.a. mit Kolonial- und Material-Waren gehandelt; bis in die DDR-Zeit waren hier Fachgeschäfte der HO. Der rechte Teil diente verschiedenen Handwerkern wie einem Handschuhmacher, einem Uhrmacher und einem Schneidermeister.

1961 stellte der Rat der Stadt das Haus Roter Platz 20, heute wieder Am Markt 3, für ein Museum zur Verfügung. Es wurde zeitweise haupt- oder ehrenamtlich geleitet. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 bemüht sich der Kulturverein Wusterhausen e.V. um Erhalt und Entwicklung, organisiert Lesungen, Konzerte und Kunstausstellungen.

Der Verein schreibt im Vorwort seiner bei unserem Besuch frisch angelieferten Broschüre „Zwischen Dosse und Luch": „Die Schilderungen Fontanes ... werden mit den künstlerischen und zeitdokumentarischen Werken von Carl Friedrich Altrichter (ca. 1842 - 1906) und Theophil Dombrowski (1880 - 1969) zwei ... historische Persönlichkeiten Wusterhausens, verknüpft. Beide waren als Justizbeamte am Amtsgericht tätig und darüber hinaus sehr an der Regionalgeschichte interessiert. Als Maler dokumentierten sie städtische Sujets, das ländliche Umfeld Wusterhausens und Szenen des Alltagslebens." Wir hatten reichlich Gelegenheit, uns selbst ein Bild von ihrem Werk zu machen.

Gerhard Fenske ist besonders stolz auf das 2003 mit Spendengeldern restaurierte Porträt von „Friedrich L. Hess. Homburg" (rechts), uns allen bekannt aus Heinrich von Kleists Drama „Der Prinz von Homburg". Das Gemälde wurde 1969 auf einem Boden gefunden. - Friedrich von Hessen-Homburg erwarb 1662 Landgüter in Neustadt, das er 1664 vom Großen Kurfürsten zur Stadt erheben ließ. So zeigt das Museum auch die Geschichte Neustadts, dem Friedrich sechzehn Jahre widmete. Die Anlage der „Stuterei" ist nicht erhalten geblieben. Seit zwei Jahrhunderten hat hier das Edle Warmblut den Pfeil für Schnelligkeit und die Schlange für Wendigkeit, als Neustädter Gestütsbrandzeichen. Schloss Spiegelberg legt Zeugnis ab von der Neustädter Glasindustrie. In Hohenofen wurde Raseneisenstein verhüttet. Der Prinz brachte also die Wirtschaft in Schwung. Seine bekannteste Tat vollbrachte er jedoch als General der Kavellerie in der Schlacht von Hakenberg 1675, als seine kühnen Angriffe den Schlachtverlauf wesentlich bestimmten.
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Wusterhausen war Garnisonsstadt. Die „Gelben Reiter", das Kürassierregiment Nr. 2, war mit unterschiedlichen Regimentern hier stationiert, bis es 1806 nach Jena und Auerstedt aufgelöst wurde. Für drei Jahre bestand ab 1810 eine „Bürgergarde". Erst 1860 kam durch Umstationierung das „2. brandenburgische Ulanenregiment Nr. 11", das 1866 dem Schleswig-Holsteinischen Ulanenregiment Nr. 15" angegliedert und 1875 nach Perleberg verlegt wurde.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts trug die Stadt im Volksmund den Namen „Schusterhausen", da dieses Gewerk, das seine Produkte für die Garnisonen der Umgebung lieferte, zeitweise mit 98 Schuh- und Pantinenmachern, am häufigsten vertreten war (links: typischer Tisch aus einer Schusterwerkstatt).

Nach dem Kriege 1870/71 trafen sich Kameraden, die in Erinnerung der überstandenen Kriegserlebnisse in den Gaststätten Soldaten- und Kriegslieder schmetterten. Daraus gründete sich 1872 der „Männer-Gesang-Verein Harmonie". Auch die Schützengilde von 1839 beruht auf der Militärtradition. Bereits 1888 gab es den „Männer-Turnverein", acht Jahre später den „Radfahrverein Wusterhausen", ja selbst einen Badeverein gab es. Die Vereinsfahnen und viele alte Fotos schmücken die Wände des Heimatmuseums. In der Mitte des etwas beengten Raumes stehen die verschiedenen Vorgänger des heutigen Fahrrades.

Das Transportmittel der Gründerzeit war die Eisenbahn. 1844 hatte sich die Stadt nicht dazu entschließen können, die Bahnstrecke Berlin - Hamburg an Wusterhausen vorbei führen zu lassen. So verpasste die Stadt den „Zug der Zeit" im wahrsten Sinne des Wortes. Erst 1887 wurde die Nebenstrecke Neustadt - Pritzwalk eingeweiht, und Wusterhausen bekam einen Bahnhof. Damit hatten Berliner die Möglichkeit bekommen, zur „Sommerfrische" Tagesausflüge zu unternehmen. In der Industrialisierung bekam Wusterhausen 1908 ein Elektrizitätswerk. Eine gewisse Bedeutung erlangte die Zigarrenmanufaktur, während die „Federfabrik" für Hutschmuck und die Fahrradfabrik nur wenige Jahre bestanden. Die wirtschaftlichen Erschütterungen des I. Weltkrieges sowie die Inflationsjahre ließen allmählich eine Firma nach der anderen eingehen.

Von der heutigen Altstadt konnten sich die Besucher bei einen Rundgang durch die Straßen und Plätze einen Eindruck verschaffen. Leider ließ einsetzender Nieselregen eine eher trübe Stimmung aufkommen. Dennoch können wir alle feststellen: Wusterhausen ist noch da - und es hat wieder viele schöne Seiten.

Quellenangaben:
  • Theodor Fontane, „Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Erster Band Die Grafschaft Ruppin, Kapitel Wusterhausen a.D."
  • Broschüre „Zwischen Dosse und Luch" zur Dauerausstellung Heimatmuseum Wusterhausen/Dosse, heraus gegeben vom Kulturverein Wusterhausen e.V.
  • Internet-Seite www.wusterhausen.de (auch das Foto des Heimatmuseums)
  • Faltblatt „Stadtkirche St. Peter und Paul Wusterhausen/Dosse"

Autor und Fotograf: Manfred Maronde, Neuruppin

Veröffentlicht im Mitteilungsheft Nr. 15 des Historischen Vereins der Grafschaft Ruppin
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