2.8 Böttcherstraße
Diese 108 Meter kurze winkelige Museums- und Ladengasse zwischen Markt und Martini-Kirche am Weserufer hieß ursprünglich "Hellingstraat" nach den Schiffbauplätzen. 1902 erwarb der Kaffee-Kaufmann und Kunst-Mäzen Ludwig Roselius (Erfinder des koffeinfreien Kaffees, Marke HAG) das einzige intakte Haus Nr. 6 und danach alle anderen in der Böttcherstraße. Er beauftragte die Architekten Alfred Runge und Eduard Scotland und den Bildhauer Bernhard Hoetger, die verfallende Böttcherstraße nach seinen Vorstellungen wieder aufzubauen. Sein Kontrakt mit den Worpsweder Künstlern lautete: "Ich gebe euch Geld - ihr gebt mir Kunst."
Bildname
Bildname
Begonnen 1922, waren 1934 die neuen Häuser fertig. In den Jahren des Nationalsozialismus blieben die Häuser erhalten, weil Adolf Hitler gesagt haben soll: "Ich lasse die Straße stehen als mahnendes Beispiel für entartete Kunst." Allerdings wurden alle Häuser im Bombenhagel schwer beschädigt.

Die Häuser in der Kunststraße sind: "Haus Atlantis", "Robinson-Crusoe-Haus", "Haus des Glockenspiels" (einst Sitz der Bremen-Amerika-Bank), "Haus St. Petrus", "Paula-Becker-Modersohn-Haus" (nur Roselius schrieb ihren Ehenamen in dieser Reihenfolge) und "Haus der Sieben Faulen". Das "Roselius-Haus", entstanden bereits um 1588, und das "Becker-Modersohn-Haus" wurden 1991 bzw. 1993 mit Mitteln der Sparkasse Bremen grundsaniert. 20

Täglich um 12, 15 und 18 Uhr wird das Glockenspiel geläutet, das zwischen zwei Backsteingiebeln aufgehängt ist. 1934 wurden die 30 Glocken aus Meißner Porzellan eingeweiht, die inzwischen zweimal ersetzt worden sind (unten). Beim Glockenspiel wird am Turm eine Reihe von Ozeanbezwingern zu Wasser und in der Luft in zehn drehenden Reliefs gezeigt, die von Hoetger entworfen wurden. Roselius wollte damit dem Pioniergeist ein Denkmal setzen.
Bildname
Bildname
Die Böttcherstraße gilt seither als "heimliche und heimelige Hauptstraße" und ein Synonym für Lebenskunst. Sie bildet eine gelungene Mischung aus Genuss, Handel, Kunst und Kultur - einen Ort, an dem man immer wieder zurück kehrt. 21 Der Visionär Ludwig Roselius ließ hier seinen Lebenstraum Architektur werden. (Rechts: Der sog. Lichtbringer, an dessen Stelle zuerst ein Mosaik angebracht war)

2.9 Alter Hafen mit Martini-Kirche
Am Flussufer wurde 1229 ein Pfarrbezirk eingerichtet. St. Martini wurde zunächst als dreischiffige Basilika erbaut und im 14. Jh. zur Hallenkirche erweitert. Der Westturm stammt aus dieser Zeit. Die Lage an der Weser brachte Überschwemmungen mit sich, so dass der Chor bis 1384 umgebaut werden musste. Die im Zweiten Weltkrieg schwer getroffene Kirche wurde 1960 restauriert.

Das Pfarrhaus wurde nach dem Kirchenliederdichter Joachim Neander benannt, der hier 1680 starb. 22  Von ihm stammt der allen Konfirmanden geläufige Kirchengesang "Lobe den Herren".
Bildname
Bildname
Unterhalb der Kirche liegt die Weserpromenade mit der "Schlachte", der alten Anlegestelle. "Schlachte" kommt übrigens von schlagen, nicht von schlachten, und bezieht sich auf die eingeschlagenen Pfähle der Kaianlage. Heute liegt hier ein "Pannekoekship", ein Pfannkuchen-Schiff, das wie eine alte Hansekogge aussieht (links). -
Auf den von der Sonne erwärmten Steinen der Kaje verweilte ich eine Stunde und sann über all die Schiffsfahrten nach, die ich in meinem Leben bereits unternommen habe.

2.10 Schnoor mit Johannis-Kirche
Das Stadtviertel aus dem 15. Jh. zwischen dem Dom und der Weser heißt nach seiner schmalen Straße "Im Schnoor", was sich von der Schnur ableitet, an der die kleinen Häuser aufgereiht stehen. In diesem mittelalterlichen Quartier siedelten einst Flussfischer, Handwerker und Gewerbetreibende. Dieser Stadtteil blieb als einziger vom Bombenkrieg verschont und wurde 1959 unter Denkmalschutz gestellt. Heute finden wir hier exquisite Läden, nostalgische Kneipen, Restaurants und kuschelige Cafés. 23
Bildname

Der Schnoor beginnt an der St.-Johannis-Kirche, die einen Davidstern im Giebel trägt. Die dreischiffige gewölbte Hallenkirche mit lang gestrecktem Chor wurde um 1340 im hochgotischen Stil erbaut. Diese Klosterkirche der Franziskaner, eines Bettelordens, besaß statt eines Turms nur einen Dachreiter. Nach der Reformation bis 1834 wurden die Klostergebäude als Spital genutzt. Seit 1823 gehört St. Johann wieder der katholischen Gemeinde und dient als deren Probsteikirche.

Der Stadtteil Schnoor gilt in der protestantischen Hansestadt als "Kleiner Vatikan von Bremen" und untersteht dem Bischof von Osnabrück. Die Schule vor der Kirche ist extrem begehrt; wer sein Kind hier unterbringen möchte, muss es schon bei der Geburt anmelden. Weiter hinten finden wir das kleinste Hotel: Es hat gerade Platz für ein (Hochzeits-)Paar. Mehr Raum bietet seit 2002 das neue Birgitten-Kloster, das von den Nonnen als Hotel Garni wie ein ****Hotel bewirtschaftet wird. - Ein Gerücht dagegen ist, der Schnoor wäre nach dem Schnorrer benannt ... (Foto: Denkmal für Heini Holtenbeen, ein Schnoorer Original, † 1909)
Bildname

2.11 Andere Stadtteile
Alt- und Neustadt sind über vier Brücken miteinander verbunden, von Norden angefangen: Stephani-Brücke, Bürgermeister-Smidt-Brücke, Wilhelm-Kaisen-Brücke und die neue Karl-Carstens-Brücke. Auf dem alten, brach liegenden Hafengelände im Norden entsteht gerade die "Überseestadt", die ein Riesenhotel bekommen soll. Von den geplanten 20.000 Arbeitsplätzen sind bereits 9.000 geschaffen worden, wie uns die Führerin Frau Nistler erklärte. Die Neustadt auf der Westseite stand oft unter Wasser, ist aber Standort von so wichtigen Fabriken der Genussmittel-Industrie.

Von den Stadttoren steht keines mehr, auch die Stadtmauer wurde abgerissen. Nur der alte Wasserturm aus Backsteinen ragt über die Bäume am Weserufer wie eine mittelalterliche Burg - oder wie eine "umgedrehte Kommode". Ganz in der Nähe liegt das Weser-Stadion des Fußball-Bundesliga-Vereins Werder Bremen. Auf dem Ostufer finden wir ausgedehnte Siedlungen mit dem "Bremer Haus". Dies ist ein Reihenhaus mit Keller nach südenglischem Vorbild, weil die Bremer nicht gerne auf der Etage wohnen möchten. Diese schmucken Häuser werden heute zu etwa 350.000 bis 400.000 Euro gehandelt. Und Bremen ist eine Radfahrerstadt mit etwa 800 Kilometern Radwegen.

Stolz sind die Bremer auf ihren Bürgerpark. Seine Unterhaltung kostet etwa 1,5 Mio. Euro jedes Jahr, wovon die Stadt keinen Cent bezahlt. Nur Spenden und eine große Tombola mit Preisen von der Papier-Serviette bis zur Weltreise, die dieses Jahr rund 3 Mio. Euro eingebracht hat, finanzieren die Pflege. Ein gutes Beispiel Bremer Bürgersinns!

Die Freie Hansestadt Bremen zählt etwa 550.000 Einwohner auf einer Fläche von 404 Quadratkilometern.

3 Museen
3.1 Focke-Museum
Der Regierungssekretär Johann Focke, Vater des Flugzeug- und Hubschrauber-Pioniers Heinrich Focke, sammelte etliche "Bremensien", die er ab 1900 zunächst im früheren Katharinenkloster ausstellte. 1922 wurden dem "Focke-Museum für bremische Altertümer" die Sammlungen des Bremer Gewerbemuseums angegliedert. Seit 1953 zog das Museum in das ehemalige Gut Riensberg, das zur Hansestadt gehört. 24
Bildname

Östlich der Altstadt, in einem großzügigen Park, gruppieren sich vier historische Gebäude neben das modere Haupthaus mit dem Schaumagazin. Die Stadtgeschichte über 1.200 Jahre wird ausführlich exemplarisch, knapp aber so vollständig wie möglich, vermittelt. Im Erdgeschoss wird die Entwicklung des bürgerlichen Lebens, des Automobil- und Schiffbaus auch mit Großobjekten von den Original-Kaiserstatuen des Bremer Rathauses, dem Original-Kopf des Bremer Rolands bis zum Seenotkreuzer "Paul Denker" veranschaulicht. Das neue Schaumagazin ordnet nach ABC viele Tausend Einzelstücke thematisch (oben: Buchstabe N). Das Obergeschoss bietet Wechselausstellungen wie derzeit über 150 Jahre Norddeutscher Lloyd.
Bildname
Ganz anders wirkt das "Haus Riensberg". Dieser schmucke Altbau zeigt die Wohnkultur vom 16. bis 20. Jh. mit Original-Möbeln. Die ehemalige Scheune von Gut Riensberg, der "Eichenhof", stellt die Ur- und Frühgeschichte vor. "Haus Mittelsbüren" und "Tarmstedter Scheune" vermitteln das Landleben in Niedersachsen. 25  - Wir verbrachten den Sonnabend-Vormittag hier und bedauerten, dennoch so vieles nicht gesehen zu haben, weil die Zeit zu knapp war.

3.2 Kunstsammlungen in der Böttcherstraße
Das Roselius-Museum behütet eine Sammlung aus der Blütezeit niederdeutscher, hanseatischer Kaufmanns-Tradition vom Mittelalter bis zum Barock und Biedermeier. Zu den wertvollsten Exponaten gehören mittelalterliche Altartafeln, Bilder von Ludwig tom Ring und Lucas Cranach sowie die ergreifende Beweinungsgruppe von Tilman Riemenschneider. Seit 1987 wird hier auch der historische Silberschatz der "Compagnie der Schwarzen Häupter" aus der Partnerstadt Riga als Dauerleihgabe aufbewahrt.

Innen verbunden ist das Roselius-Haus (links: Madonna von Bernhard Hoetger) mit der viel beachteten Paula-Modersohn-Becker-Kunstschau. Dieses Gemälde-Museum ist das weltweit erste Haus, das einer Künstlerin gewidmet wurde. Es zeigt Werke aus allen Schaffensperioden und belegt den einzigartigen Stellenwert dieser Künstlerin am Beginn der Moderne in Deutschland.
Bildname
Bildname
Ölbilder der frühen Jahre spiegeln den Einfluss der Lehrjahre in Berlin und Worpswede wider, während die späteren Arbeiten die modernen französischen Einflüsse der Pariser Zeit aufnahmen. In Paris lernte sie Bernhard Hoetger kennen, der ihrem Werk zum Durchbruch verhalf. 26

- Ein Großteil unserer Gruppe nahm das Angebot an, als "Zugabe" diese Kunstsammlungen zu besichtigen. Meine Meinung: Sehr zu empfehlen!
Bildname

zurück   Übersicht   weiter