3.13 Paderborn
Paderborn liegt im südöstlichen Winkel der Westfälischen Tieflandbucht am Fuß der nach Osten und Süden ansteigenden Hochfläche. Östlich erhebt sich das Eggegebirge. Die Stadt gilt auch als Eingangstor zum Teutoburger Wald. Ihren Namen hat die Stadt vom vier Kilometer kurzen Fluss Pader, dessen Quellmulde im Stadtzentrum liegt. Rund 200 Quellen führen in fünf Armen (Börne-, Damm- und Warme Pader westlich und Rothoborn- und Dielenpader östlich) 5.000 Liter Wasser pro Sekunde zusammen. 43 Mundartlich wird die Stadt "Palborn" genannt, woraus sich die Pfähle im "redenden" Wappen ableiten.
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Bereits mit König Karls, später der Große genannt, erster fränkischer Reichsversammlung von 777 auf sächsischem Boden wurde der Ort erstmalig erwähnt. In Paderborn fand 799 die Zusammenkunft zwischen König Karl und dem vor einem Aufstand aus Rom geflüchteten Papst Leo III. statt, auf deren Basis das Heilige Römische Reich gegründet wurde. 806 wurde der Ort Bischofssitz. 44

Schon 836 soll Flodag von Schwalenberg den Leichnam des Hl. Liborius von Le Mans in Frankreich nach Paderborn gebracht haben. Damit begann die älteste Städtepartnerschaft in Europa.

An der Spitze der Stadt stand seit etwa 1100 ein vom Bischof ernannter "comes civitatis". Seit dem 13. Jh. kamen auch ein Rat und ein Bürgermeister auf. 1295 wurde Paderborn Mitglied der Hanse. Die Stadt lag günstig am Schnittpunkt der Fernhandelswege Via Regia (Frankfurt - Bremen) und Hellweg (Aachen - Königsberg).

Von Lippstadt und der Landgrafschaft Hessen aus drang die Reformation nach Paderborn vor. Bischof Erich unterdrückte sie zunächst. Ab 1566 schlossen sich die Mehrheit der Bewohner und auch das Domkapitel an. Die Marktkirche wurde evangelisch.
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Doch ab 1580 leiteten die Jesuiten die Rekatholisierung ein. Bischof Dietrich von Fürstenberg ließ 1596 die Marktkirche gewaltsam schließen und unterwarf die Stadt vollständig. Evangelische Gottesdienste gab es nicht mehr. Dietrich, auch Theodor genannt, ließ 1604 die Stadt besetzen und den protestantischen Bürgermeister Wichard durch Vierteilung hinrichten. Dietrichs Wahlspruch lautete: "Jetzt viel Ding' beschnarcht der Neid - so preisen wir die künft'ge Zeit". Bis 1802 blieb Paderborn fast ausschließlich katholisch. In diesem Jahr fiel das ehemalige Hochstift und Fürstbistum an Preußen, mit Unterbrechung von 1807 - 13, als es zum kurzlebigen Königreich Westfalen gehörte.

In der Weimarer Republik war Paderborn eine Hochburg der katholischen Zentrumspartei, die fast immer absolute Mehrheiten gewann. Durch das Preußen-Konkordat wurde es 1930 zum Erzbistum erhoben. Der Nationalsozialismus konnte sich nie richtig etablieren. Dennoch wurde in der Reichspogromnacht 1938 die Synagoge angezündet. Im Bombenkrieg bot die mittelalterliche Stadt, die noch zum Großteil aus Holzhäusern bestand, ein empfindliches Angriffsziel. Zwischen Januar und März 1945 kam es zu mehreren alliierten Bombardements, die über 85 % der Innenstadt zerstörten.

Bereits 1614 (bzw. 1616) wurde von Bischof Dietrich die "Academia Theodoriana", die älteste Hochschule Westfalens, gegründet und von den herbei gerufenen Jesuiten betrieben. 1819 wurde sie geschlossen. 1972 entstand die Universität-Gesamthochschule, die seit 2002 nur noch Universität ist. An ihrer Neugründung hat der bekannte, in Paderborn geborene, Computer-Konstrukteur und Unternehmer Heinz Nixdorf mit gewirkt. Die Hochschule zählt bei der Informatik zur Forschungsspitze in Deutschland. Das Fach Geschichtswissenschaft ist für sein Mittelalter-Institut bekannt, an das eine eigene Professur für das UNESCO-Weltkulturerbe angeschlossen ist. Die Germanistik erforscht auch die berühmte Fürstliche Bibliothek Corvey.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Kirchengemeinden, auch Freikirchen, zwei islamische und eine jüdische Gemeinde mit eigener Synagoge. Aktuell sind 54 % Katholiken, 20 % Evangelische und der Rest mit sonstigem oder ohne Bekenntnis. Die Kreisstadt in Westfalen zählt über 143.000 Einwohner und wächst weiter. 45
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Der Dom hat eine 1.200 Jahre alte Geschichte. Bereits 799, zum Besuch des Papstes Leo III., wurde vom Gastgeber König Karl eine "Ecclesia mirae magnitudinis", eine Kirche von wunderbarer Größe, gebaut. Sie war rund 45 Meter lang und 22 Meter breit. Für die Reliquien des Bischofs Liborius wurde 836 im Westen eine zweigeschossige Krypta angebaut. Mehrere Brände führten zu Neubauten des Domes.

Der heute noch stehende wuchtige Westturm stammt vermutlich aus der 2. Hälfte des 12. Jh. und passt zu den großen Türmen am Hellweg (Soest, Geseke, Erwitte, Salzkotten und Neuenbeken). Der östlich anschließende Teil der Kirche gehört bereits zum Domneubau des 13. Jh., der vermutlich 1215 begonnen wurde. Im Anschluss an das westliche Querhaus mit der Roten und der Paradies-Pforte wurde der Dom als Hallenkirche mit drei gleich hohen Schiffen gebaut. Mächtige, spätromanische Pfeiler tragen das schon spitzbogige, aber noch rippenlose, trotzdem mit Schlusssteinen geschmückte Gewölbe. Über der Krypta wurde der Ostchor gebaut nach Vorbildern aus Frankreich.

In der Krypta, einer der größten in Deutschland, steht zwischen den Füßen des Altars der kleine Ebenholzschrein mit den Reliquien des Hl. Liborius. Zu Feierlichkeiten wird er in einen großen Goldschrein gebracht und in einer Prozession in den Hochchor geführt.
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Das Haupt- oder Paradies-Portal an der Südseite ist ein monumentales Figuren-Portal, das größte und prächtigste in Westfalen. Als reines Säulen-Portal begonnen wurde es als Figuren-Portal vollendet. Die Patrone des Domes, Maria mit dem Jesuskind auf der Mittelsäule, die heiligen Bischöfe Liborius und Kilian auf den beiden Türflügeln, begleiten den Besucher in den Dom. Von den sechs Aposteln sind Petrus, Paulus, Jakobus mit der Muschel und der bartlose Johannes erkennbar. 46

Im Kreuzgang ist ein Paderborner Wahrzeichen zu sehen: das Hasenfenster. Das Maßwerk bilden drei Hasen im Kreis, von denen jeder zwei Ohren, aber alle zusammen nur drei Ohren haben: "Der Hasen und der Löffel drei, und doch hat jeder Hase zwei". Das Symbol stellt die Beziehung der göttlichen Personen in der Dreifaltigkeit dar. Kein Hase ist vollständig ohne seinen jeweiligen Nachbarhasen. Die Analogie zielt dahin, dass der Vater nicht ohne den Sohn und den Hl. Geist u.s.w. vorstellbar ist.

Hinter dem gegenüber liegenden Roten Portal steht das gewaltige Grabmal des Fürstbischofs Dietrich von Fürstenberg (gestorben 1618). Es ist 17,87 Meter hoch und wurde von Heinrich Gröninger geschaffen von 1616 - 22. Es zeigt in der Mitte den knienden Bischof, darüber die Vision des Propheten Ezechiel (Totenerweckung) und weiter oben die Auferweckung des Lazarus, dazu die Ahnenwappen, seine bedeutendsten Bauten (Jesuiten-Kolleg, Schloss Neuhaus und die Wewelsburg) sowie zahlreiche Heilige und allegorische Figuren.

Der Dom, 104 Meter lang und mit seinen zwei Querhäusern halb so breit, mit seinem 93 Meter hohen Turm, gehört zu den großartigsten Bauwerken des deutschen Mittelalters. Insbes. sein Innenraum ist von erhabener Schönheit. Die Paderborner in Stadt und Land verehren ihren Dom als das älteste, ehrwürdigste und an Erinnerungen reichste Gotteshaus, die Haupt- und Mutterkirche, das Herzstück ihrer Heimat.

Östlich des Domes, im Pfalzbezirk, steht die spätromanische Bartholomäus-Kapelle, ein besonders ehrwürdiges und kunstgeschichtlich höchst wertvolles Baudenkmal. Sie ist die älteste im Wesentlichen erhaltene Architektur Westfalens und die älteste Hallenkirche auf deutschem Boden. Bischof Meinwerk ließ sie um 1017 durch byzantinische Werkleute erbauen. Der dreischiffige Innenraum wird durch auffallend schlanke, elegant wirkende Säulen mit korinthischen Kapitellen gestützt. 47 Der Kirchenraum verblüfft durch seine außergewöhnliche Akustik.

Die Kaiserpfalz, ein 50 Meter langer Saalbau, wurde auf den alten ottonisch-salischen Grundmauern in den 70er Jahren neu gebaut als Museum.

Die Gaukirche St. Ulrich wurde schon zur Zeit Karls des Großen als "einzige Pfarrei für Stadt und Gau Paderborn" eingerichtet. Die Verehrung des Hl. Ulrich von Augsburg (890 - 973) ist schon für die Zeit vor 1031 nachgewiesen. Eine Urkunde von 1183 belegt die "Gokirche" als Pfarr- und Sendkirche; ab 1222 wurde sie Gaukirche genannt.

Das heute noch stehende Gotteshaus wurde ohne Zweifel zwischen 1170 - 80 gebaut. Es ist eine hochromanische gewölbte Pfeilerbasilika im "gebundenen System". An das Langhaus mit nur zwei quadratischen Jochen grenzen die Seitenschiffe mit je zwei mal zwei Jochen von Viertelgröße. Daran schließen sich das Querhaus mit drei Quadraten und das Chorquadrat an. Der achteckige Vierungsturm über dem westlichen Langhausjoch ist ganz ungewöhnlich.

Bischof Bernhard IV. holte 1228 Zisterzienserinnen von Münster nach Paderborn. Drei Jahre später wurde ihnen ein neues Klostergebäude auf dem Gelände der Gaukirche überlassen. Im Jahr 1500 wurde die Ordensregel, nicht die Nonnen, gegen die der Benediktinerinnen gemäß der Reform des Klosters Bursfelde ausgetauscht. 1810 wurde das Kloster unter dem einzigen König von Westfalen, Jérôme, Bruder des Napoleon Bonaparte, aufgehoben. Die Elendenbruderschaft, die sich in der großen Pest des 14. Jh. gegründet hat zur Bestattung mittelloser Fremder, besteht dagegen noch heute.

Versuche Preußens, die Gaukirche evangelisch zu machen, scheiterten Anfang des 19. Jh. Probst Otto Koch musste wegen seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus in den Ruhestand gehen. Für ihn gab es nur einen "Führer": Christus. Mit Berufung auf das "Gaugesetz" von 1937 verlangte die Geheime Staatspolizei 1940 vom Probst, den Namen Gaukirche abzuschaffen. Er konnte jedoch durchsetzen, dass sie "Gokirche St. Ulrich" genannt wurde. Beim Luftangriff vom 27. März 1945 wurde auch die Gaukirche schwer beschädigt.

An Kunstschätzen weist die Gaukirche als ältestes Werk eine 1967 frei gelegte Wandmalerei von um 1220 - 30 auf mit der Krönung Mariens. Das wichtigste Stück der mittelalterlichen Ausstattung ist das Gabel-Kruzifix kölnischer Herkunft in der Kreuzkapelle aus der Zeit um 1360 - 70. Der Gekreuzigte entspricht einem in dieser Zeit nicht seltenen Typus mit stark hervor tretenden Rippen, großer Seitenwunde, deutlich sichtbaren Rinnsalen geronnenen Blutes aus allen Wunden und von Schmerz verzerrtem Antlitz; das Haupt trägt eine große Dornenkrone. Ebenfalls in der Kreuzkapelle befindet sich die kostbare Figur einer stehenden bekrönten Mutter Gottes mit dem Jesusknaben aus Baumberger Sandstein. Sie ist ein Paradebeispiel des sog. "weichen Stils" der Gotik um 1400. In die Ostwand des nördlichen Querhausarms ist ein Kreuzigungsrelief eingelassen, entstanden um 1440.
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Aus der Zeit des Barock ist außer einigen Figuren und Teilen des Gestühls die Vorhalle erhalten. Die Fassade von 1746 ist in konkaven und konvexen Biegungen errichtet und gehört zum Besten, was der westfälische Spätbarock hervor gebracht hat. Über dem Portal steht die weit überlebensgroße Figur des Hl. Ulrich. Der barocke Hochaltar wurde 1903 für 3.000 Goldtaler an die Stadt Münster verkauft. 48

Durch den Schildern geht es zum Markt mit dem Rathaus von 1613 - 18 (links). Die Fassade im Stil der Weserrenaissance zieren volle drei Giebel mit offenem, von dorischen Säulen getragenen Laubengang. Vor dem Haus steht noch einer der drei erhaltenen "Kümpe", aus denen die Paderborner früher ihr Wasser schöpften.

Das "Adam-und-Eva-Haus" ist einer der wenigen erhaltenen Fachwerkbauten und zugleich deren schönstes. Mit seinen Schnitzereien und Malereien wurde es 1560 errichtet. Heute ist darin das Museum für Stadtgeschichte unter gebracht.

3.14 Bad Karlshafen
Die Kleinstadt Karlshafen wurde 1699 aus wirtschaftspolitischen Gründen vom hessischen Landgrafen Karl (1677 - 1733) im äußersten Norden seines Territoriums, zwischen Solling und Reinhardswald, nahe der Mündung der von Westen aus dem Sauerland kommenden Diemel, angelegt.
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Der Landgraf ließ nach den Verwüstungen und Verödungen in Folge des Dreißigjährigen Krieges einen von Hugenotten und Waldensern besiedelten Produktionsund Handelsplatz einrichten, an dem Hessen über den Wasserweg an die Nordsee angebunden werden sollte. Sogar einen Kanal bis Kassel wollte der Landgraf bauen lassen, mit dem sich der Zoll bei Hannoversch Münden umgehen ließe. Das kühne Vorhaben war jedoch wegen zu großer Höhenunterschiede nicht zu verwirklichen; der Kanal endet schon nach einem Viertel der Strecke bei Hümme. Der zuerst nach einer alten Fliehburg im Reinhardswald als "Sieburg" oder "Syburg" gegründete Ort wurde 1717 in "Carlshaven" umbenannt.

Um der Bedeutung dieser Hafen- und Handelsstadt gerecht zu werden in Architektur und Gliederung, wurde sie als "repräsentative Portalstadt" entworfen. Nach dem Schönheitsideal der Antike wurde dem Plan ein mathematisches Prinzip zu Grunde gelegt: Höhe, Breite und Tiefe aller Häuser, Straßen und Plätze stehen im Verhältnis 2 : 3. 49 Karlshafen ist wegen seiner bis Mitte des 18. Jh. entstandenen Reihenhausbebauung interessant. Hier ist sie so vollkommen und unverändert erhalten wie kaum anderswo in Deutschland. Der Hafenrandbebauung schließt sich je ein Karree an, ein weiteres ist in die Landschaft geöffnet (siehe Modell im Rathaus oben). Zum Berg hin blieb der Plan unvollendet. Zweigeschossige, traufenständige Putzbauten mit Satteldächern prägen die Straßen. Die meist fünfachsigen Hauseinheiten sind durch ein Mittelportal und ein mittleres Zwerchhaus mit flachem Dreiecksgiebel gekennzeichnet. Durch die Größe der Karrees mit ihren Innenhöfen entstand eine Weiträumigkeit, die bei Städten des Mittelalters unbekannt ist. 50
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In Karlshafen ist als städtebaulicher Hauptakzent am zentralen, barock geschwungenen, Hafenbecken das Packhaus mit mächtigem Walmdach und zentralem Dachreiter (1715 - 18) sowie gegenüber die Post zu Thurn und Taxis (1768) platziert. Im Packhaus wird die enge Verbindung zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht deutlich, indem das Rathaus als Waren- und Lagerhaus mit genutzt wurde. Die Buchstaben "CLZH" an der Front bedeuten: Carl Landgraf zu Hessen. Im Erdgeschoss steht das Idealmodell der Stadtanlage. Sehenswert sind auch das als Altersruhesitz für Offiziere und Mannschaften des hessischen Heeres errichtete Invalidenhaus (1704 - 10, Foto oben rechts) und das Freihaus (1723). Außerdem gibt es hier das Deutsche Hugenotten-Museum in einer ehemaligen Tabakwarenfabrik. Die Kirche wurde erst im 20. Jh. erbaut; zuvor gab es nur Betsäle, die sich äußerlich nicht von Wohngebäuden unterschieden.

3.15 Hann. Münden
Mündens heraus ragende Bedeutung für die Schifffahrt und den Handelsverkehr auf der Weser beruht auf seiner exponierten wirtschaftsgeografischen Lage. Am Zusammenfluss von Fulda und Werra zur Weser, zwischen drei bewaldeten Höhenzügen - Bramwald im Norden, Reinhardswald im Westen und Kaufunger Wald im Süden - stand schon früh eine Burg mit zehn Wikhöfen. Eine Siedlung "Gimundi" oder "Gmundin" wurde schon um 802 an die Reichsabteien Fulda und Corvey verschenkt. Ein Dorf hier, das ältere, wurde 1019 "villa Gimundin", das andere, jüngere, 1273 "Aldenmünden" genannt. Bis zu seinem Sturz 1180 gehörte Münden Herzog Heinrich dem Löwen, danach blieb es bis 1235 im Besitz der Landgrafen von Thüringen.
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Mit der planmäßigen Anlage der Stadt dürfte um 1170 - 75 begonnen worden sein. Sie ist 1183 im Besitz der Landgrafen von Thüringen bezeugt und könnte nach dem ähnlichen Grundriss wie Melsungen von Landgraf Ludwig III. begründet worden sein. Beide Städte sind in Flussdreiecke gebettet. Das Achsenkreuz aus Langer Straße und Mühlen-/Marktstraße bildet das Grundgerüst der Binnengliederung. 51 Die günstige Flusslage war eine gute Voraussetzung für die Entwicklung der Stadt. Sie wurde wesentlich verstärkt durch das 1247 von Herzog Otto dem Kind von Braunschweig-Lüneburg (nach dem Aussterben der Landgrafen von Thüringen) verliehene Stapelrecht und die Zollfreiheit. Es zwang zur Feilhaltung aller die Stadt erreichenden Warentransporte und schränkte damit den freien Handel zu Gunsten der Mündener Kaufleute ein. Begünstigt wurde der Stapelzwang durch eine Felsbarre in der Werra. Im 16. Jh. kam in der Fulda das sog. Mühlenwehr zu einer ähnlichen Funktion hinzu.

Das Mündener Schiffergewerbe verfügte über eine solide traditionelle Basis. Mitte des 16. Jh. gab es 35 Weserschiffer, zwei Jahrzehnte später schon 54 und 1616 sogar 74. Dies waren zum großen Teil Berufsschiffer, die nicht nur die Talfahrt, sondern auch die wesentlich schwierigere Bergfahrt bewältigten.

Für die Mindener Flussschifffahrt wurden typische, kiellose Kastenschiffe aus Eichenholz gegenüber vom Hafen gebaut. Auf einem Stich von Merian von der Mitte des 17. Jh. ist vor der Hafenmauer am Drei-Flüsse-Eck ein großer Speicher, das sog. Schlachthaus, zu sehen. Für den Hafenausbau wurde das sog. Schlachtgeld eingeführt. Es betrug für Salz aus der Soodener Saline bei Allendorf an der Werra und das Blaufärbemittel Waid aus dem Erfurter Raum drei bzw. zwei Groschen pro Fass. Die aus dem Hinterland der Werra ausgeführten Waren mussten an der Wanfrieder Schlacht ausgeladen werden, von wo sie mit Karren zum Verkauf auf den städtischen Markt befördert wurden, um nach Ende der Feilhaltefrist zur weiteren Verschiffung an die Bremer Schlacht transportiert zu werden. Dazu hatten sich aus Fuhrleuten, Karrenschiebern und Sackträgern Bruderschaften und Gilden zusammengeschlossen. 52
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Der Reichsgraf Tilly (links: Plakette in Höxter) hatte 1618, zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges, das bayerische Heer übernommen, mit dem er 1618 das Rheinland eroberte und die protestantischen Heere 1623 bei Stadtlohn besiegte. Dank dieser Erfolge konnte Tilly nach dem Sturz Wallensteins den Oberbefehl über die kaiserlichen Heere übernehmen. Mit ihnen eroberte er am 30. und 31. Mai 1626 die Stadt Münden in einem rasenden Blutbad. Die Chroniken verzeichnen über 2.260 Tote "jedes Standes, Alters und Geschlechts". 53

1776 wurden fast 20.000 hessische Soldaten eingeschifft, die der Landgraf von Hessen-Kassel, Friedrich II., an den hannoverschen Kurfürst und König von Großbritannien, Georg III., verkauft hatte. Sie wurden im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg eingesetzt; kaum mehr als die Hälfte kam zurück.

Bremen als Tor zur Welt und Münden als Tor nach Süden bildeten zwei entgegen gesetzte Pole der Weserschifffahrt und stellten als solche zugleich deren dominierende Kraftzentren dar. Die übrigen Weserhäfen stehen diesen beiden an Bedeutung weit nach.

Hann. Münden, so die offizielle Schreibweise, weil in einem Ratsbeschluss die frühere Bezeichnung Hannoversch Münden als "unpraktisch" befunden wurde, oder einfach nur Münden, ist eine Mittelstadt mit 25.000 Einwohnern (einschließlich 10 Ortsteile) im Landkreis Göttingen in Niedersachsen nah der Grenze zu Hessen.
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Alexander von Humboldt soll Münden einmal als "eine der sieben schönst gelegenen Städte der Welt" bezeichnet haben.

Die Stadt ist reich an restaurierten Fachwerkhäusern - es sind über 700 im historischen Stadtkern. Sie geben dem Stadtbild sein mittelalterliches Gepräge. Dies war nicht immer so. Denn ab der Mitte des 19. Jh. begannen viele Hausbesitzer, die Fachwerkbauten einer aufkommenden Mode nach vollständig zu verputzen. So sollten dem Betrachter massive Steinbauten vorgegaukelt werden. Diese Verblendungen wurden jetzt nach und nach wieder entfernt und die Bausubstanz sorgfältig restauriert.

Die Kirche St. Blasius (rechts) mit spätgotischem Langhaus wurde über romanischen Vorgängern errichtet. Ihr 1584 vollendeter Turm wird von einer welschen Haube gekrönt und gehört heute mit zu den Wahrzeichen der Stadt. In ihr fanden wir das Grab von Herzog Wilhelm dem Jüngeren. Über der barocken Orgel zeigt sich ein Fresko der Anna Selbdritt.
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Das Rathaus (Bild oberhalb der Kirche) ist unübersehbarer Mittelpunkt der Stadt. Sein Kern ist ein gotischer Saalbau aus dem 14. Jh. In den Jahren 1603 - 18 wurde das Gebäude durch den Lemgoer Baumeister Georg Crossmann umgebaut und erhielt seine Schaufassade mit reichem Säulenportal, Erker und Giebeln. An der Fassade befindet sich ein Glockenspiel, das täglich um 12, 15 und 17 Uhr einen Figurenumlauf (Bild links) mit Szenen aus dem Leben des weltberühmten Doktors Johann Andreas Eisenbarth zeigt, welches wir uns anhörten und -sahen.

Auf der Nordspitze vom Tanzwerder, einer Flussinsel, unter einer kräftigen Linde, steht der viel besungene Weserstein (rechts). Das Weserlied wurde von Franz von Dingelstedt gedichtet und von Gustav Pressel komponiert. 54

"Wo Fulda sich und Werra küssen
sie ihren Namen büßen müssen.
Und hier entsteht durch diesen Kuss
Deutsch bis zum Meer der Weserfluss."
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3.16 Bad Gandersheim
Die Stadt Bad Gandersheim liegt zwischen Leine- und Weserbergland sowie Harzvorland im Tal des Flusses Gande, in den die Eterna mündet. Im Norden liegt der Höhenzug Heber. Das Stadtgebiet ist überwiegend bergig.

Das Stift Gandersheim wurde 852 von Sachsenherzog Liudolf gegründet. An der Stelle der heutigen St.-Georgs-Kirche bestand bereits in früher Zeit eine Wiek, also eine Kaufmannssiedlung. In der Blütezeit, im 10. Jh., lebte hier die Dichterin Roswitha (Hrotsvith) von Gandersheim. Das Markt-, Münz- und Zollrecht wurde 990 von Kaiserin Theophanu im Namen ihres unmündigen Sohnes Otto III. verliehen. Um 1300 wurde die Burg vom Herzogtum Braunschweig als Gegenpol zum Stift errichtet. 1329 kauften sich die Bürger der Stadt endgültig aus ihrer Abhängigkeit vom Stift frei. Die drei Machtzentren Stift, Burg und Stadt waren künftig für Gandersheim bestimmend. 1568 wurde auf Anweisung von Herzog Julius von Braunschweig die Reformation für die Stadt und 1589 auch für das Stift eingeführt. Das Stift blieb bis 1803 reichsfrei, kam an Braunschweig und wurde 1810 aufgehoben. Die Stadt Bad Gandersheim mit etwa 11.000 Einwohnern gehört heute zum niedersächsischen Landkreis Nordheim. 55
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Die romanische Stiftskirche, fälschlicherweise oft als Dom bezeichnet, wurde 856 begonnen und 881 erstmalig geweiht. Das Münster des Kanonissenstifts St. Anastasius und Innocentius stammt vorwiegend aus der Mitte des 12. Jh. und ist eine flach gedeckte Basilika mit niedersächsischen Stützenwechsel (2 Säulen und 1 Pfeiler abwechselnd). Die Doppelturmfassade stammt von 926, die Krypta von 1050. Die gotischen Seitenkapellen wurden im 14. und 15. Jh. angebaut. Der Bau wurde oftmals umgestaltet. Die Abteigebäude wurden 1599/1600 errichtet. 56

In den Renaissance-Neubau des Rathauses von 1580 wurde die gotische Moritzkirche samt Turm einbezogen. Wir verzichteten wegen des starken Regens auf einen Stadtrundgang.

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