4 Deutsche Städtegründungen
4.1 Schäßburg oder Sighisoara (rum.) oder Segesvár (ung.)
Schäßburg ist eine der schönsten und am besten erhaltenen mittelalterlichen Städte Rumäniens und gilt als das malerische "Rothenburg Siebenbürgens". Die Stadt inmitten des Siedlungsgebietes der Siebenbürger Sachsen an der Großen Kokel gelegen war stets ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und hat heute etwa 36.500 Einwohner. 73 Sie erstreckt sich von der Unterstadt (Talstadt) über einen Berghang zur befestigten Oberstadt (Bergstadt) auf einem 120 m hohen Bergkegel mit der Burg. Das historische Zentrum wurde 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
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Der Ort ist mit dem Namen "Castrum Sex" im Jahr 1280 erstmalig urkundlich überliefert. 1298 wurde es als "Schespurch" und 1337 mit dem ungarischen Namen "Sigisoara" erwähnt, und 1435 taucht der daraus abgeleitete heutige rumänische Name auf. 1367 wurde Schäßburg erstmals als civitas, also Stadt, bezeichnet.

Wirtschaftsleben und Wohlstand der Bürger wurden von Handwerk, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe bestimmt. 1376 wurde 19 Zünfte gegründet, denen 25 Gewerbe angehörten. 1603 starben 2.000, 1709 sogar 4.000 Einwohner an der Pest. Große Opfer forderten die Türkenherrschaft von 1428 - 1687 und die Kurutzen-Einfälle von 1704.

Auf dem 30 Meter hoch frei stehenden Bergrücken, südlich der in 350 Meter Höhe fließenden Kokel, steht die Burg. Um 1350 wurde mit der 930 Meter langen ovalen Ringmauer um den Burgberg und den Schulberg begonnen. Die ursprünglich etwa vier Meter hohe Mauer wurde im 15. Jh. um weitere drei bis vier Meter erhöht. Die festungsartige Anlage mit vier Bastionen und ursprünglich 14 Türmen, von denen neun erhalten sind, wurde weiter ausgebaut.

Jeder Turm war zur Instandhaltung und Verteidigung einer Zunft zugeordnet: der Seilerturm neben der Bergkirche, der Fleischer-, der Kürschner-, der Schneider- und der Schusterturm an der Nordostseite, der Schmiede-, der Stund-, der Lederer- und der Zinngießerturm an der Südostseite. Abgetragen wurden im 19. Jh. der Schlosser-, Fassbinder-, Böttcher- und Barbierturm sowie der Goldschmiedeturm. Zwischen Gerber- und Zinngießerturm ist noch ein Wehrgang gut erhalten.
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Mittelpunkt ist der Burgplatz, der sich zum Schulberg in der breiten Schulgasse fortsetzt. Die Turmgasse verbindet den Burgplatz mit dem Stundturm, unter dem sich der Haupteingang mit doppelter Torwehr und "Altfrauengang" befindet. Ein zweiter Zugang von Nordwesten führt durch den mit zwei Durchfahrten versehenen Schneiderturm.

Der 64 Meter hohe Stundturm (links) ist das Wahrzeichen von Schäßburg. Seine unteren Stockwerke stammen aus dem 14. Jh. Im 16. Jh. wurde der Turm auf fünf Stockwerke erhöht und mit einen Kranz aus Gussscharten ausgestattet. Das astronomische Uhrwerk stammt von 1648. Das Dach wurde im Barock mit bunt glasierten Ziegeln gedeckt und mit zwei Zwiebelkuppeln ergänzt. Die vier 12,50 Meter hohen Ecktürmchen verkünden das Schwertrecht (ius gladii) der Stadt.

Das älteste Bauwerk ist die Marienkirche des bereits im 13. Jh. bezeugten Dominikanerklosters. Das Kloster wurde 1298 zuerst erwähnt. Auf dem Grund des Klosters wurde vor gut einem Jh. das Komitatsgebäude, das heutige Rathaus, errichtet. Die heutige Klosterkirche wurde als dreischiffige Halle 1492 - 1515 erbaut. - Als wir dort waren, befand sich gerade eine Hochzeitsgesellschaft vor und in der Kirche, so dass wir sie nicht von innen sehen konnten.

Die Bergkirche mit ihrem unverwechselbaren Umriss krönt die Stadt. Das hohe Dach und der gedrungene Glockenturm erinnern an eine Glucke, die schützend ihre Flügel über ihre Küken breitet. Der tiefe, ruhige Ton der Bergglocke ist für jeden Schäßburger Inbegriff von Heimat.

Schon in der 1. Hälfte des 13. Jh. stand hier eine romanische Kirche. Von ihr stammt die Krypta, die einzige Siebenbürgens unter einem gotischen Chor. Die Annahme, der Westturm sei ursprünglich ein frei stehender Bergfried gewesen, ist widerlegt. Der dritte, heutige Kirchenbau entstand zwischen 1429 und 1488. Das spätgotische Nordportal stammt von 1495. Der Baumeister hat die beiden Bauteile der alten Basilika, den Chor und den Westturm, durch ein neues Schiff zu einem harmonischen Baukörper zusammen gefasst. 74 Der 42 Meter hohe Turm wurde dabei in den Schiffbau einbezogen. 1345 erstmals erwähnt, wurde das Gotteshaus nach der Reformation von 1544 evangelisch. - Wir haben die auch von innen sehenswerte Kirche verschlossen vorgefunden.

Die älteste Schule wurde bereits 1522 urkundlich genannt, die 1607 durch eine größere und 1619 durch die "Neue Schule" ersetzt wurde. 1642 entstand die gedeckte Schülertreppe (unten links) mit zuerst 300, heute 175 Stufen. 1792/99 wurde das alte Gymnasium, 1901 das heutige errichtet. 75
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Schäßburg wird mit der literarischen Gestalt "Dracula" von Bram Stoker verbunden, da 1431 Vlad Drãculea III., Fürst der Walachei, in der Stadt geboren wurde. 2001/02 sollte sogar ein "Dracula-Freizeitpark" gebaut werden, was sowohl bei den Einheimischen als auch den ausgewanderten Siebenbürgern heftig kritisiert wurde, bis sich sogar Prinz Charles persönlich gegen den Bau aussprach. 76

4.2 Mediasch oder Medias oder Medgyes
Der Mediascher Boden ist seit der Jungsteinzeit besiedelt. Gemäß einer Chronik soll 1146, nach einer anderen Quelle 1167, die heutige Siedlung gegründet worden sein, ein Jahrhundert vor ihrer urkundlichen Ersterwähnung 1268 mit "Mediesy".
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Als "Villa Medies" bzw. "Terra Medies" war Mediasch eine sächsische Siedlung auf Adelsboden, deren Siedler zum größten Teil vom südlichen Hermannstädter Raum, damals freier Königsboden, zuzogen, zum Teil auch direkt aus dem Reich kamen. 1318 erhielten die Sachsen ein Privileg: Befreiung von Heerfolge und Einquartierung, Steuerpflicht und Rechtsprechung nach Hermannstädter Brauch. Der Stuhl Mediasch wurde erstmals genannt. 77 1320 wurde ein Gräf von Mediasch erwähnt.

1435 und 38 wurde Mediasch von einfallenden Türken verwüstet. Als Folge wurde das "Castell", 1452 zuerst erwähnt, von 1490 bis 1534 mit Mauern ausgebaut. Die doppelte, zum Teil dreifache, Ringmauer wurde mit drei starken Tortürmen, 19 weitern Türmen und Basteien befestigt und mit einem Wassergraben umgeben. Die Befestigungsarbeiten wurden vermutlich unterbrochen, so dass Mediasch zuerst (1539) civitas, später (1448) nur noch oppidum, also Markt, genannt wurde. Heute stehen noch 1.845 m Stadtmauer, zwei Stadttore und sieben Türme und Basteien.

1477 setzte König Matthias die Zahl der Männer, die zum Heeresaufgebot zu stellen sind, auf 32 fest. Alle anderen waffenfähigen Leute wurden verpflichtet, sich für die Verteidigung der Kirchenburg bereit zu halten.1496 nahm König Wladislaw II. seinen Befehl zurück über das Königsrichteramt, so dass dieses Amt nach altem Brauch durch die "Stuhlsbewohner" besetzt wurde. 1553 wurde wieder ein Königsrichteramt nach Mediasch verlegt 1603 nahm der von den Türken unterstützte Fürst Mózes Székely Mediasch ein, wurde dann von dem muntenischen Fürsten Radu Serban besiegt und getötet. 1690 plünderte Fürst Tököli die Stadt und 1704 verursachten die Kuruzen hier große Schäden. 78
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Inmitten des Castells steht die Margarethen-Kirche, erstmals 1447 erwähnt. Der Vorgängerbau wurde bereits Mitte des 13. Jh. erbaut. St. Margarethen ist ein spätgotischer dreischiffiger Hallenbau mit 12 m hohem Gewölbe. Die Nordwand ist seit 1420 mit Fresken bemalt (Bild links). Sehenswert ist das bronzene Taufbecken in Kelchform mit Schrift- und Blattdekor aus dem 13. Jh. Der spätgotische Flügelaltar enthält auf der Werktagsseite acht vorreformatorische Tafeln, die zum Wertvollsten gehören, was die siebenbürgische Kunst auf diesem Gebiet vorzuweisen hat. Der Altar entstand um 1485, die Predella mit dem Abendmahlsbild 1545.

Der gemauerte, spätgotische Kanzelstuhl ruht auf einer knienden Menschenfigur. Die heutige barocke Orgel von 1732 hat mit ihren zwei Manualen, 24 Registern und über 1.300 Pfeifen eine außerordentliche Klangfülle.

Wahrzeichen der Stadt ist der Trompeterturm. Im 13. Jh. aufgebaut wurde er im 15. Jh. auf fünf Stockwerke erhöht und mit der Margarethen-Kirche 1448 fertig gestellt. 1550 wurden drei weitere Stockwerke aufgebaut, und der Turm bekam den mit verglasten Ziegeln gedeckten Helm sowie die vier Ecktürme als Zeichen für die Hochgerichtsbarkeit. Der Legende nach soll der Fürst Vlad Tepes Draculea ein paar Tage eingesperrt gewesen sein. Auf dem Turm hatte der Stadttrompeter seinen Wachtposten. Weil Trompete auf Sächsisch "Tramit" heißt, nannte der Volksmund den Turm den Tramiterturm. An seiner Südostecke steht der "Turepitz", der den Stundenschlag durch Ziehen an einem Glöckchen anzeigt. Der 68,50 m hohe Turm neigte sich nach Norden zu; er wurde 1927 und 1972 konsolidiert. Mit einer Neigung von 2,32 m gehört der Trompeterturm zu den zwölf bedeutenden schiefen Türmen der Welt. 79
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Mediasch hatte wie Herrmannstadt einst einen deutschen Bewohneranteil von über 80 %. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg war die Mehrzahl der Einwohner Siebenbürger Sachsen. Von 1930 mit 15.500 wuchs die Einwohnerzahl 1996 auf 62.750 an, davon 50.200 Rumänen, 8.900 Ungarn, 2.500 Roma und 1.150 Deutsche. 80

Es war Sonntagvormittag, so gingen einige von uns (außerplanmäßig) mit Frau Werhahn in den Gottesdienst.

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