4 Die Baudenkmale
4.1 Romanik
4.1.1 Regensburgs St. Emmeram
Die ehemalige Benediktiner- und Reichsabteikirche, päpstliche Basilika und Stadtpfarrkirche, St. Emmeram überragt an ehrwürdigem Alter, durch Weitläufigkeit und Formenreichtum alle Kirchen Regensburgs. Die Kirche wird „Nationalheiligtum Bayerns" der frühbayerischen Zeit genannt. Was sich Karl der Große in Aachen geschaffen hatte, wollte sein Nachfolger, Kaiser Arnulf, ausbauen. St- Emmeram ist ein überaus kostbares Denkmal hoch entwickelter architektonischer Gestaltungskraft im alten Bayern. Man mag es bedauern, dass die spätbarocke Umgestaltung mit der jubilierenden Schöpfung der Brüder Asam die strengen Formen des alten Münsters weit gehend verdrängt hat. St. Emmeram zeigt aber nur dadurch sein einmaliges Bild, das den Kirchenkomplex durch die Formensprache eines ganzen Jahrtausends geprägt hat.

Die Anfänge der Benediktinerabtei gehen wohl in die Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert zurück. Bischof Emmeram war als Prediger und Beichtvater am Hofe des Agilolfinger-Herzogs tätig. Nachdem ihm eine ledige Herzogstochter ihre heimliche Schwangerschaft anvertraut und er sich zum Schutze als Kindsvater ausgegeben hatte, wurde er vom erzürnten Bruder derselben auf eine Reise nach Rom südlich von München bei Helfendorf ermordet. 31 Herzog Theodo ließ Bischof Emmeram hierher überführen und in der Georgskirche im Bereich der früheren Römersiedlung beisetzen. Der Abt von St. Emmeram war bis 975 in Personalunion Bischof. 1295 wurde das Kloster reichsunmittelbar durch König Adolf. 1732 wurde der Abt Reichsfürst. 1810, mit dem Übergang an Bayern, wurde das Kloster aufgehoben. Die Klostergebäude wurden dem Fürsten von Thurn und Taxis übergeben (Im Bild: Wand zum Kreuzgang, vom Palast aus zugänglich).

Der Kirchenbau ist eine dreischiffige Basilika mit drei gleichfluchtenden Ostapsiden und westlichem Querhaus mit querrechteckigem Westchor. Durch eine gotische Doppelportalwand (um 1250) betritt man den lang gestreckten Vorhof mit Grabdenkmälern und der romanischen Vorhalle (Mitte 11. Jh). Das Grab von Bischof Emmeram wurde schon bald zur Pilgerstätte. Im Zentrum der Hauptapsis wurde das Grab neu angelegt. Die Ringkrypta, um das Grab herum gebaut, ermöglichte den Pilgern, sich dem Grab zu nähern und vielleicht ein Gitter oder eine Holzwand berühren. Sie ist nur ein enger Gang mit Tonnengewölbe. Am Scheitelpunkt führt ein Gang zum Ramwoldkrypta, die 980 einem Abt geweiht wurde und heute barock gestaltet ist.
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Genau gegenüber vom romanischen Rundchor, im Westen, sind der eckige Dionysiuschor  und das Querhaus mit bemalten Holzdecken angebaut. Unterm Dionysiuschor liegt die fünfschiffige Wolfgangskrypta mit den für Regensburg typischen halbrunden Wandnischen. Die runden bzw. achteckigen Stützen tragen Würfelkapitelle. Die Reliquien des heiligen Wolfgang wurden 1052 hierher überführt. In der Westnische steht eine steinerne Kathedra, der so genannte Heinrichstuhl aus dem 10. bis 12. Jh., wobei sich Prof. Kiesow eher für das 10. Jh. ausspricht. Steinaltäre waren ursprünglich heidnisch; die ersten Kaiser, auch die byzantinischen, ließen sich anbeten. Früher saßen Bischöfe auf einem Stuhl in der Apsis.

Das 13 Meter breite Hauptschiff wie die doppelt so breiten Seitenschiffe stammen aus dem 11. Jahrhundert; der karolingische Raum stecke noch drin, wie Prof. Kiesow anmerkt. Zur Barock-Ausmalung siehe Kapitel 4.4.1.

4.1.2 Regensburgs St. Jakob
Die Schottenkirche St. Jakob gilt als ein klassisches Werk hochromanischer Kirchenarchitektur in Süddeutschland. Berühmt ist das Nordportal, rätselhaft und überraschend in der altbayerischen Romanik wie der ganz Bau.

Ihre Gründer und Erbauer waren die „miseri peregrini", benediktinische Wandermönche, die im 11. Jahrhundert aus Irland kamen und beim Volk großen Anklang fanden. Sie leiteten die zweite Welle irisch-gälischer Klostergründungen ein, die von der Christianisierung im frühen 7. Jahrhundert zu unterscheiden ist. „Scoti" waren sie, ausschließlich Mönche aus Irland, aus der „Scotia major. Die schottischen Benediktiner behielten das Kloster auch über die allgemeine Säkularisation von 1803 bis 1862, als dort ein Priesterseminar eingerichtet wurde.

Um 1090 legte man den Grundstein für das Kloster, von 1111 und 1120 sind Weihedaten überliefert, 1112 bestätigt es König Heinrich V. Bauherr der Kirche war Abt Gregor: „Gregor baute ganz neu das Kloster von Grund auf bis zum Dach aus geglätteten Quadersteinen und ließ es mit Blei decken. Der Fußboden war ebenfalls mit Quadersteinen versehen. Außerdem ließ er den Kreuzgang mit skulptierten Kapitellen und Basen schmücken sowie die Kirche mit Wasser versehen". Diese Quader haben „Kommissbrotformat", wie Prof. Kiesow es noch kennen gelernt hat.

St. Jakob ist eine dreischiffige Basilika mit drei Apsiden, gewölbtem Chorjoch, Osttürmen und westlichem Querbau. Es ist allgemein die Stilstufe der Hochromanik, wie sie uns in Hildesheim St. Godehard*, Riechenberg, Maria Laach oder Worms* begegnet.

Die der Stadt zu gewandte Nordseite wird von der Portalwand von 1180 geschmückt, die ein Drittel des Langhauses einnimmt. Die Zentralfigur ist Maria mit dem Kind (siehe Bild), das das aufgeschlagene Buch des Lebens empor hält, während Maria als neue Eva den Apfel zeigt, begleitet von sich liebkosenden menschlichen Figuren. Westlich gegenüber ist vermutlich der Antichrist, begleitet von aggressiven, feindseligen Tieren. Unterhalb ist es dialektisch umgekehrt: Unter Maria ist ein Löwen verschlingender Drache, unter dem Antichrist ein Igel als Symbol für Grabesruhe und Auferstehung. An den Stützen sind vielfach „Steinmetzzeichen als Großbuchstaben, Pfeil und Bogen usw., die zu den ältesten ihrer Art zählen.
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Portale erinnern an antike Triumphbögen; sie sind Zeichen städtischer Rechte und Privilegien, weniger Siegeszeichen. - Seit 1999 ist das Portal „eingehaust" von Glas und Beton. Prof. Kiesow ist nicht so glücklich mit dieser Lösung. Ob sie als moderner Kontrapost zur kleinfigürigen Portalwand erscheint und Raumklima, Steinkonservierung und dem Romanik-Erlebnis dienlich sein wird, muss sich noch zeigen.

Gleich hinter der Tür fällt Rydan, ein liegender (ursprünglich wohl stehender) Pförtner, auf dem Steinquader auf. Er hält einen Riegel fest umklammert und einen Schlüssel am Band. Tatsächlich liegt hinter dem Stein ein Loch, in das der Riegel für die Tür ganz eingesteckt werden kann.

Der Blick in den strengen Kirchenraum wird auf die Kreuzigungsgruppe im Triumphbogen gelenkt mit einem Jesus als Vier-Nagel-Typ, aber mit erhobenem Haupt, die aus der Erbauungszeit stammt. (In den Bildern: Madonna mit Kind aus St. Ulrich, um 1360, und rechts Kirchenpatron St. Jakob, Steinfigur um 1310/20, beide gotisch mit neugotischer Übermalung).

Auch den heiligen Christophorus, Beschützer aller Pilger, sehen wir hier, der als Heiliger leider vom 2. Vatikanischen Konzil abgeschafft wurde, wie Prof. Kiesow bedauert. Man glaubte, wenn man ihn angeblickt hatte, konnte man am selben Tag selig sterben. Dieser Glaube war ein probates Mittel, um Leute morgens in die Kirchen zu bekommen.
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Auf den Kapitellen werden vor allem Tiere dargestellt. Nach dem „Physiologus fliegt der Adler als König der Vögel am höchsten und wagt als Einziger in die Sonne zu schauen; wie sich der Adler über alle Wesen erhebe, so Christus über die Heiligen. Dem Löwen ist Macht über den Tod gegeben; seine tot geborenen Jungen erwecke er nach drei Tagen zum Leben, stellvertretend für Tod und Auferstehung Christi. Der Löwe ist gelb und damit zur Sonne gehörend; er schlafe mit offenen Augen, stellvertretend für Allgegenwärtigkeit und Allwissenheit Gottes. 32

4.1.3 Prüfenings St. Georg
Bischof Otto von Bamberg gründete 1109 auf Bamberger Grundbesitz das Kloster Prüfening. Ein Jahr zuvor kam er anlässlich einer Fürstenversammlung nach Regensburg. Sein Bistum besaß zwar östlich der Alten Kapelle einen Hof, aber der Bischof ging eine Stunde nach Westen zur Stadt hinaus. Nahe der „villa Prifling schlug er ein Zeltlager auf. Die Legende berichtet, Otto habe - wie einst der Patriarch Jakob - im Schlaf eine Vision der Himmelsleiter mit auf- und absteigenden Engeln gehabt.

Der Bischof berief Benediktiner aus dem Reformkloster Hirsau (Schwarzwald) und ernannte Abt Erminold aus Lorsch. Erminolds Abbatiat war vornehmlich auf geistliche Zucht und Ordnung der Mönchsgemeinschaft ausgerichtet. Seine asketische Strenge führte zu Auseinandersetzungen im Konvent: Ein Klosterbruder schlug vor dem Kreuzaltar auf seinen Abt ein und verletzte ihn tödlich.

Die 1119 geweihte dreischiffige, siebenjochige Pfeilerbasilika gilt als einer der ersten romanischen Quaderbauten in Altbayern. Sie hat ihren ursprünglichen Charakter mit einem vorspringenden östlichen Querhaus, drei apsidialen Chören und dem dreischiffigen, Kreuzgrat gewölbten und von zwei Türmen überhöhten Presbyterium bis heute bewahrt. Die beiden Fensterarkaden im östlichen Joch (Bild rechts) sollten die Altarstellen zusammen fassen und weniger eine Sicht- und Hörverbindung schaffen. Ab dem 17. Jahrhundert wurden Kloster und Kirche umgebaut, das ursprüngliche hohe und schmale Mittelschiff erscheint mit dem Gewölbe niedriger, breiter und nach oben zu dynamisch gerundet. Die durch die hellen barocken Fenster vermehrte Lichtfülle deutete den ursprünglichen, auf mystisches Halbdunkel abgestimmten, Charakter der Architektur um. Die Gewölbe wurden mit Fresken des Klosterpatrons Georg geschmückt.
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In den Chören, im Presbyterium, sehen wir die romanischen Wandfresken seit hundert Jahren wieder. Der auffallende unterschiedliche Erhaltungszustand der Fresken von Haupt- und Nebenchören liegt an unterschiedlichen Methoden der Restaurierung: Die frei gelegten Vorzeichnungen im Hauptchor wurden weit gehend neu gemalt, während die übrigen gefestigt aber nicht übermalt wurden. Diese Fresken zählen zweifelsohne zu den kostbarsten und inhaltlich interessantesten Zeitzeugen romanischer Wandmalerei in Süddeutschland. Im Zentrum des umfangreichen Bildprogramms steht Maria, die nach Auffassung zeitgenössischer Theologen in der Braut des Hohen Liedes besungen wird und die zudem Ecclesia, die Kirche, verkörpert. 33

Am privilegierten Ort, vor dem Kreuzaltar, liegt das Grab Abt Erminolds. Nachdem seine Gebeine erhoben waren, wurde er zum Ziel von Pilgern. Der selige Erminold ist in Lebensgröße (wir haben 1,75 Meter gemessen, Bild rechts) dargestellt und erscheint wie lebend, mit geöffneten Augen, im vollen Ornat seines Amtes, liegend auf einer flachen Platte. Im Bildwerk sind in Zeit typischer Art Elemente des Liegens und Stehens in irrationaler Weise vereint:
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Die Füße stehen auf einer Halbkreis förmigen Konsole und das Falten reiche Gewand fällt nach „unten" zu den Füßen. Das Haupt Erminolds dagegen ruht auf einem prallen Kissen, das durch das Körpergewicht etwas eingedrückt ist. Da die beiden behandschuhten Hände über der Brust ein zugeklapptes Buch fassen, in das einmerkend der rechte Daumen gelegt ist, wird das Messgewand mit mächtigen Faltenbahnen empor gerafft. Der Künstler ist unbenannt, von ihm stammen die Archivolten des Baseler Münsters. 34

Schon zu Beginn entwickelte sich im Kloster eine blühende Schreib- und Malschule, die ein Jahrhundert in Regensburg Ton angebend blieb, wenngleich eine Abgrenzung zu St. Emmeram nicht eindeutig möglich ist. Viele schreibgewandte Mönche vergrößerten die Prüfeninger Bibliothek zu einer der bedeutendsten ihrer Zeit. Diese ermöglichte außer der Lektüre liturgischer Schriften und Schulbücher das Studium von rund 300 Werken unterschiedlicher Autoren. Prüfening besiedelte u.a. Kloster Banz. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlebte Prüfening seine zweite Blüte: Theologische, historische, sprachliche und literarische Studien wurden auf höchstem Niveau betrieben. Das Kloster hatte eine umfassende grafische Sammlung und ein Naturalienkabinett und ließ im Garten eine Sternwarte errichten. Der letzte Abt richtete das astronomische Observatorium ein und unterrichtete selbst Philosophie. 35 Prof. Kiesow betonte, die Benediktiner seien der Wissenschaft stark zugetan, ja der gebildetste Orden überhaupt.

In der Säkularisation bekam 1803 Freiherr von Vrints-Berberich, Dirigierender Rat der Fürsten von Thurn und Taxis, knapp hundert Jahre durch Kauf das Fürstenhaus selbst das Kloster. In die 2001 renovierten Gebäude ist die Montessori-Schule eingezogen.

4.1.4 Regensburgs Stephanus- und Allerheiligen-Kapelle am Domkreuzgang
Die Stephanus-Kapelle ist ein Saalraum mit zwei Kreuzgrat gewölbten Jochen und einer eingezogenen halbrunden Apsis im Osten. Die zwei Meter dicken Mauern werden ringsum mit halbrunden Nischen ausgehöhlt. Dieser Bau wird um 1070 datiert. Prof. Kiesow sieht dagegen das Bauwerk eher in der 1. als in der 2. Hälfte des 11. Jh.

Im östlichen Kreuzgarten, angebaut an das „Mortuarium", steht ein Kleinod der romanischen Baukunst: die Allerheiligen-Kapelle, das Mausoleum des Bischofs Hartwich II. Zwischen 1153 und 64 errichteten aus Como stammende Bauleute (die sog. Comasken) die kleine Grabkirche, einen Zentralbau mit quadratischem Grundriss, drei Apsiden und einer achteckigen Kuppel. Regensburger Künstler schmückten den Bau anschließend mit bedeutenden Wandmalereien aus.

Gegenstand des inhaltlich höchst komplexen Zyklus ist das Ende der Zeiten, so wie sie Johannes in der Geheimen Offenbarung beschreibt. Die Mitte der Kuppel des Zentralbaus bildet der Weltenrichter Christus, den Engels-Chöre und Heilige umgeben. 36 Christus ist die Sonne, das Gute, der Mond steht für das Böse. (rechts im Bild: Prof. Kiesow). Noch im 19. Jahrhundert wurde die Malerei, die unter der weißen Farbe des Barock entdeckt wurde, neu ergänzt und dabei auch fantasiert. Heute ist es streng verboten, in Originale hinein zu malen, höchstens auf Fehlstellen, wie Kiesow erklärte.
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